»Hamburger Schule«: Bernd Begemann: Eine eigene Geschichte

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Den Zugriff auf die Geschichte selbst definieren, das ist die erste Regel der Poptheoretiker, aufgestellt von Diedrich Diederichsen, vor langer Zeit, als es noch Poptheoretiker gab. Heute gibt es zwar noch die Geschichte, aber keine Theoretiker mehr, die etwas damit anfangen möchten. Doch es gibt verschiedene Praktiker, die nachschauen, ob sie in der Geschichte praktisch vorkommen. »An meinem Kissen schlag ich mir den Kopf auf / und wenn der Tag kommt bleibt es kleben«, sangen Blumfeld einmal in »Eine eigene Geschichte«.

Einer von ihnen ist Bernd Begemann, der Musiker mit der schönen Stimme, der sich im Internet darüber beschwert, dass er in einer zweiteiligen NDR-Dokumentation über die »Hamburger Schule« zu wenig vorkommt. In einem ersten Ansturm der Gefühle nannte er diese Doku von Natascha Geier »ignorantes Ego-Gewixe«, was nicht ganz seiner Parole aus dem letzten Jahr »Gemäßigt ist das neue Radikal«, die er in Form einer Single veröffentlicht hatte, entsprach. Darüber mokierten sich andere Praktiker im Internet, sie fanden das unhöflich bis patriarchal. Was war die »Hamburger Schule« in den 90er Jahren? Vielleicht so etwas wie eine kritische Musik gegen das Bestehende, den Staat, den Kapitalismus – auch wenn man davon keinen richtigen Begriff hatte, sondern nur Musik mit deutschen Texten. Begemann durfte schon damals nicht dazugehören, er galt als zu gemäßigt und unrevolutionär. Und die Bands, die durften, wollten nicht so richtig, das fanden sie uncool. Sie mochten keine Mitmacher sein.

Aus dem Off hat sich nun auch der Marxist Günther Jacob, der einmal ein Poptheoretiker war, gemeldet: »So kam es, dass unter anderem mit der Hamburger Schule ein Milieu entstand, das den ›Deutschpop‹ gegen die angloamerikanische Dominanz durchsetzte und gleichzeitig ›weltoffen‹ gegen ›jeden Nationalismus‹ war«, schreibt er in seinem Verteiler. Heute weiß man: Die Ampel-Koalition würde mitsingen.





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