München. Die Bundesregierung rechnet nach der Insolvenz des Reisekonzerns FTI nicht mit einer umfangreichen staatlichen Rückholaktion für deutsche Touristen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montag nach einer Sitzung des Krisenstabs im Auswärtigen Amt in Berlin. Auf der Internetseite des Auswärtigen Amts hieß es, da FTI über den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRS) gegen Zahlungsunfähigkeit abgesichert sei, seien geleistete Zahlungen – der gesamte Reisepreis, sofern bereits gezahlt, sowie Anzahlungen – im Falle einer Insolvenz abgesichert. Dies gelte für Kundinnen und Kunden, die eine Pauschalreise gebucht hätten.

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In der Branche war zu hören, dass um die 65 000 Urlauber derzeit mit FTI im Ausland unterwegs seien. In Berlin hieß es, eine große staatliche Rückholaktion werde nicht nötig sein, weil der Konzern in den allermeisten Fällen Pauschalreisen verkauft habe und diese vom DRS abgesichert seien.

Bundeskanzler Olaf Scholz beim Besuch der 'Friedrich Wilhelms-Hütte' (FWH) Stahlguss GmbH. Mülheim an der Ruhr, 02.04.2022

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Nach dem Insolvenzantrag des Reisekonzerns FTI Touristik hat das Amtsgericht München am Montagnachmittag vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Damit solle das Schuldnervermögen vor nachteiligen Veränderungen geschützt werden, teilte das Gericht mit. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte es den Münchner Rechtsanwalt Axel Bierbach.

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Das Unternehmen hatte am Montag Insolvenz angemeldet. Die FTI Touristik GmbH, Obergesellschaft der FTI Group, stelle am Montag beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, teilte das Unternehmen mit. „Derzeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, dass die bereits angetretenen Reisen auch planmäßig beendet werden können“. Noch nicht begonnene Reisen würden voraussichtlich ab morgigen Dienstag (4. Juni) nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt werden können.

Vom Insolvenzantrag unmittelbar betroffen ist den Angaben zufolge zunächst nur die Veranstaltermarke FTI Touristik. In der Folge würden aber auch für weitere Konzerngesellschaften entsprechende Anträge gestellt.

FTI-Zukunft schien gesichert

Eigentlich schien die Zukunft des Unternehmens gesichert, das in der Corona-Krise insgesamt 595 Millionen Euro staatliche Hilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bekommen hatte. Ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestor Certares wollte die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Die Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen.

Den Angaben zufolge sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. „Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte“, teilte FTI mit. Dem „Handelsblatt“ zufolge soll sich bei FTI kurzfristig eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages aufgetan haben. Der Bund habe nach Verhandlungen am Wochenende weitere Hilfen für das Unternehmen abgelehnt.

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Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte am Montag in Berlin, es gebe haushalterische, rechtliche und wirtschaftliche Gründe, weswegen keine weiteren Hilfen über die „sehr vielen großen Hilfen“ hinaus erfolgt seien. Hintergrund sind Stützungsmaßnahmen in der Corona-Pandemie. Die Insolvenz könnte wegen offener Forderungen Folgen für die Steuerzahler haben.

Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte, das Unternehmen habe in den vergangenen Wochen einen Investorenprozess durchlaufen, um seiner wirtschaftlich schwierigen Lage zu begegnen. Der Bund habe sich in diesen Prozess „offen und konstruktiv“ eingebracht.

Der Bund sei im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verpflichtet zu prüfen, wie gewährleistet werden könne, dass gewährte Mittel zurückgeführt werden. Im Ergebnis dieser Prüfung habe sich ein Verkauf der Forderungen als wirtschaftlichste Option herausgestellt. „Die gesamte Transaktion stand aber noch unter Bedingungen und war noch nicht vollzogen“, sagte die Sprecherin. Es müsse nun davon ausgegangen werden, dass nur geringe Rückflüsse aus den noch offenen Forderungen des Bundes zu erwarten seien. Man bedauere die Entwicklung.

Reisesicherungsfonds soll sich um Urlauber kümmern

Das Auswärtige Amt sagte betroffenen Urlaubern Unterstützung zu. Ein Sprecher sagte am Montag in Berlin, das Auswärtige Amt stehe auch über seinen Krisenstab in einem engen Austausch mit dem Deutschen Reiseverband und dem Reiseversicherungsfonds, um sich ein genaues Bild über die Lage zu verschaffen. Die deutsche Reiseindustrie und der Reiseversicherungsfonds würden sich um die Rückholung und Unterstützung der betroffenen Touristinnen und Touristen kümmern.

Der Reiseversicherungsfonds habe zugesagt, keine Pauschalurlauber in Zielgebieten, die von der FTI-Insolvenz betroffen sind, im Regen stehenzulassen. Falls erforderlich, leisteten die Auslandsvertretungen selbstverständlich bei Bedarf konsularische Unterstützung, damit eine sichere Rückreise der Betroffenen möglich sei. Der Krisenstab komme am Nachmittag zusammen und erörtere, was die nächsten Schritte sein könnten.

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Der von der deutschen Touristikwirtschaft organisierte und vom Bundesjustizministerium beaufsichtigte Fonds war nach der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 gegründet worden. Die Versicherung hatte damals wegen einer Haftungsbeschränkung nur einen Bruchteil der Kosten ersetzt, der Staat sprang mit Millionen ein.

Die FTI Group mit etwa 11.000 Beschäftigten war in der Pandemie, die die Branche in eine schwere Krise stürzte, in Bedrängnis geraten. Zuletzt sah sich der nach Tui und DER Touristik drittgrößte europäische Reisekonzern dank gestiegener Nachfrage wieder auf Kurs. Im vergangenen Geschäftsjahr 2022/2023 verzeichnete das Unternehmen ein Umsatzplus von 10 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro und erwirtschaftete einen Ertrag in zweistelliger Millionenhöhe. Nähere Details zum Ergebnis machte das Unternehmen nicht. Hauptgesellschafter war zuletzt die ägyptische Investoren-Familie Sawiris.

RND/dpa



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