Ein Schülerpraktikant wird in einem Computerladen angelernt.

Ein Schülerpraktikant wird in einem Computerladen angelernt.

Foto: IMAGO/Funke Foto Services

Einmal selbst eine Schraube eindrehen, Akten ordnen oder einen Kunden in Empfang nehmen – für viele Jugendliche ist ein Praktikum der erste Kontakt mit der Arbeitswelt. Das Angebot an Praktika wird nun ausgebaut. Im Rahmen der sogenannten Praktikumswoche können Schüler ab 15 Jahren bis Ende August tageweise Betriebe besuchen und die Arbeitsabläufe kennenlernen. Im vergangenen Jahr wurden bei der ersten Runde der Praktikumswoche 1400 solcher Kurzpraktika vermittelt.

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), die als Schirmherrin fungiert, nannte die Praktikumswoche ein »niedrigschwelliges Angebot«. Der »Schnuppertag« würde Schülern ermöglichen, verschiedene Arbeitsumfelder kennenzulernen, sagte sie bei einer Pressekonferenz. »Die duale Ausbildung ist der Königsweg«, so Günther-Wünsch. Für die Schüler soll es möglich sein, längere Praktika an den Schnuppertag anzuschließen.

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Die Praktikumswoche reihe sich in die Bemühungen des Senats ein, die berufliche Orientierung an den Schulen zu stärken. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass Berufspraktika in den Klassen 9 und 10 künftig verpflichtend sein sollen. Für das kommende Schuljahr werde das aber noch nicht gelten, so Günther-Wünsch. »Es kommt aber in jedem Fall noch in dieser Legislaturperiode.«

Getragen wird die Praktikumswoche von einem Bündnis von Industrie- und Handelskammer (IHK), Senatsverwaltungen und der Regionaldirektion der Bundesarbeitsagentur. 220 Unternehmen aus 22 Berufsfeldern stellen Praktikumsplätze zur Verfügung. Auf einer Webseite können die Schüler ihre bevorzugten Tage und Berufsfelder eintragen, dann werden ihnen passende Praktikumsangebote vorgeschlagen. Auch mehrtägige Praktika und Stationen bei verschiedenen Unternehmen sollen möglich sein. »Ein Glücksrad, das man mehrmals drehen kann«, nannte Handwerkskammer-Vizepräsident Markus Straube die Plattform. Auf den Gängen der IHK-Zentrale kursiert ein anderer Spitzname: »Tinder für Praktikumsplätze«.

Für die Unternehmen ist es eine existenzielle Frage, wie viele Schüler sie für die duale Ausbildung gewinnen können. In vielen Betrieben herrscht akuter Nachwuchsmangel. »Wo man früher 30 Bewerber hatte, hat man jetzt noch drei«, sagte IHK-Vizepräsident Stefan Spieker. Grund sei der demografische Wandel, durch den mehr ältere Mitarbeiter die Betriebe verlassen, als junge nachkommen, aber auch ein Mentalitätswandel bei den Schulabgängern. Viele studieren lieber, als eine Ausbildung zu machen.

Das Ausbildungsbündnis zwischen Unternehmen, Senat und Gewerkschaften will 2000 zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen, um den Mangel zu bekämpfen. Wie viel näher man diesem Ziel bislang gekommen ist, ist unklar. »Wir befinden uns gerade am Anfang des Bewerbungszyklus«, sagte Handwerkskammer-Vizepräsident Straube. Wie viele Schulabgänger am Ende wirklich eine Ausbildung angefangen haben, stünde erst mit dem Beginn des Ausbildungsjahres im September fest.

Überschwängliche Zuversicht herrscht allerdings nicht gerade vor. Es herrsche ein bundesweiter Negativtrend, so IHK-Vize Spieker zu »nd«. »Die Bewerbungseingänge sind geringer, als wir es uns wünschen würden.« Vielen Bewerbern mangele es zudem an Grundkenntnissen in Rechnen, Schreiben und Lesen. Auch deswegen komme es immer häufiger dazu, dass bereits geschlossene Ausbildungsverträge wieder aufgelöst werden. Spieker gibt sich trotzdem optimistisch: »Politik und Wirtschaft ziehen in Berlin an einem Strang, das ist viel wert.«

Sollten es die Unternehmen nicht schaffen, bis 2025 die 2000 zusätzlichen Ausbildungsplätze zu schaffen, würde unmittelbar die Ausbildungsumlage eingeführt werden. Auch dies hat das Ausbildungsbündnis festgehalten. Dann müssten Unternehmen, die nicht genügend ausbilden, eine Abgabe zahlen. Diese könnte etwa für ein Ausbildungswerk verwendet werden, das Azubis Wohnraum zur Verfügung stellt. Für Spieker keine schöne Vorstellung: »Wir wollen das Bürokratiemonster Ausbildungsumlage um jeden Preis vermeiden.«

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