Ein neuer Entwurf für den UN-Sicherheitsrat fordert die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen in Rafah. Israels Truppen dringen weiter vor.

Eine Rauchsäule steigt über der Skyline einer Stadt auf

Rafah nach einem israelischen Luftangriff, von der Stadt Khan Yunis aus gesehen Foto: Mohammed Salem/reuters

UN-Sicherheitsrat stimmt erneut über Waffenstillstand ab

Algerien hat einen Entwurf für eine Resolution im UN-Sicherheitsrat in Umlauf gebracht, in dem eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen und ein Ende der israelischen Militäroffensive in der südlichen Stadt Rafah gefordert wird. Der Entwurf, der mehreren Nachrichtenagenturen vorliegt, sieht vor, dass der Sicherheitsrat „beschließt, dass Israel, die Besatzungsmacht, seine Militäroffensive und alle anderen Aktionen in Rafah sofort einstellt“.

Daneben wird eine Freilassung aller Geiseln gefordert, die beim Angriff der Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober verschleppt wurden.

Der Entwurf fordert zudem, sich an frühere Sicherheitsratsresolutionen zu halten und alle Grenzübergänge zum Gazastreifen für humanitäre Hilfslieferungen zu öffnen. Die katastrophale Situation im Gazastreifen sei eine Gefahr für den regionalen und weltweiten Frieden und die Sicherheit, heißt es in dem Text. Gewarnt wird auch vor einer Hungersnot. Verurteilt werden „die wahllosen Angriffe auf Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, und auf zivile Infrastruktur“.

Einige Diplomaten sagten, sie hofften auf eine baldige Abstimmung, möglicherweise bereits am Mittwoch. „Wir hoffen, dass dies so schnell wie möglich geschehen kann, weil Leben auf dem Spiel stehen“, sagte der chinesische UN-Botschafter Fu Cong zu Journalisten. Die UN-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield, sagte: „Wir warten darauf, ihn (den Entwurf) zu sehen und werden dann darauf reagieren.“ Die USA haben mehrere Resolutionen, die einen Waffenstillstand im Gazastreifen fordern, mit ihrem Veto gestoppt.

Auch der Zusammenschluss von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond (IFRC) fordert eine Feuerpause. „Wir brauchen dringend eine politische Lösung, die es uns ermöglicht, eine Waffenruhe zu erreichen, um Hilfe zu leisten“, sagte IFRC-Präsidentin Kate Forbes Reuters. Bereits im Februar bei einem Besuch im Gazastreifen habe sie „grauenhaften“ Zustände beobachtet. „Es gab nicht genug Wohnraum. Es gab kein Wasser, es gab nicht genug Sanitäranlagen. Wir hatten ein Krankenhaus ohne Ausrüstung.“ (ap/rtr)

Israels Truppen stoßen weiter in Rafah vor

Israelische Bodentruppen sind unterdessen nach Augenzeugenberichten aus Rafah tiefer in die an Ägypten grenzende Stadt vorgedrungen. Demnach wurden am Dienstag auch im Stadtzentrum Truppen gesichtet. Panzer seien in der Nähe der Al-Awda-Moschee vorbeigefahren, einem zentralen Wahrzeichen von Rafah, schilderten Palästinenser in der Stadt dem Wall Street Journal. Vonseiten der israelischen Armee gab es zunächst keine Bestätigung dieser Berichte. Laut dem Armeerundfunk habe das Militär den fünf in der Stadt kämpfenden Brigaden eine weitere hinzugefügt, berichtete die US-Zeitung. Nach Aussagen eines Militärsprechers sind Israels Truppen auch in Nahkämpfe mit der Hamas verwickelt.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus, die US-Regierung halte eine großangelegte Bodenoffensive in Rafah weiterhin für falsch. Davon könne beim Vorgehen des israelischen Militärs in der Stadt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht die Rede sein, man beobachte die Entwicklungen aber sehr genau.

Kirby war danach gefragt worden, ob Israel bei dem tödlichen Luftangriff am Wochenende eine von US-Präsident Joe Biden angesprochene „rote Linie“ überschritten habe. Biden habe deutlich gemacht, dass er – sollte es dazu kommen – in Bezug auf die Unterstützung Israels möglicherweise anders entscheiden müsse, sagte Kirby. Der Angriff sei jedoch gerade erst passiert. Die Israelis untersuchten den Vorfall. Man verfolge, was sie dabei herausfinden. „Und dann werden wir sehen, wie es weitergeht.“ (dpa)

Hilfslieferungen über provisorischen US-Hafen ausgesetzt

Derweil stellen die USA Hilfslieferungen für die Menschen im Gazastreifen über die vom US-Militär errichtete provisorische Anlegestelle vorübergehend ein. Der an der Küste verankerte Pier sei bei rauem Seegang schwer beschädigt worden, sagte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh am Dienstag in Washington. Die Anlage werde in den kommenden 48 Stunden aus ihrer Verankerung gelöst und nach Aschdod geschleppt, wo das US-Militär Reparaturen vornehmen werde. Die israelische Stadt liegt gut 30 Kilometer von Gaza entfernt.

Die Reparaturen würden mindestens eine Woche dauern, sagte Singh. Danach müsse der Pier wieder an der Küste verankert werden. Die US-Regierung beabsichtige, die Hilfslieferungen über den Seeweg für die Menschen im Gazastreifen wieder aufzunehmen. (dpa)

Berichte über neuen Vorschlag für Geisel-Abkommen

Unterdessen sind die Aussichten auf eine Waffenruhe und die Freilassung der seit fast acht Monaten in Gaza festgehaltenen Geiseln ungewiss. Israel habe den Unterhändlern Katars, Ägyptens und der USA, die in dem Krieg vermitteln, am Montag einen aktualisierten Vorschlag für ein mögliches Abkommen unterbreitet, berichteten die israelische Zeitung Haaretz und das US-Nachrichtenportal „Axios“ unter Berufung auf mit den Verhandlungen vertraute Quellen.

Der schriftliche Vorschlag beinhalte „die Bereitschaft, flexibel zu sein“, was die Anzahl der lebenden Geiseln betreffe, die in einer ersten Phase eines Abkommens von der Hamas freigelassen werden müssten, so „Axios“. Auch sei Israel bereit, die Forderung der Hamas nach „dauerhafter Ruhe“ im Gazastreifen zu diskutieren. Die Hamas verlangt einen Abzug der israelischen Truppen, was Israel ablehnt.

Wegen des tödlichen Luftangriffs in Rafah hatte die Hamas ihre Teilnahme an den Verhandlungen über eine Waffenruhe vorerst ausgesetzt. Dies teilten ihre Repräsentanten der Deutschen Presse-Agentur am Montag mit. Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Islamistenorganisation waren zuletzt in eine Sackgasse geraten. Es gebe bisher keine Fortschritte, berichtete die Zeitung Haaretz unter Berufung auf israelische Beamte. (dpa)



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