Frag Froböse: Fit ab 40: So trainieren Sie Ihre Muskulatur in der zweiten Lebenshälfte
Mittwoch, 29.05.2024, 09:10
Fit und gesund im Alter zu bleiben, ist für viele Menschen eine Herausforderung. Die Muskelkraft schwindet und zugleich steigt die Anfälligkeit für Übergewicht. Wer in Form bleiben will, muss daher zum einem die Prozesse verstehen, die im Körper ablaufen, und zum anderen wissen, was er dagegen tun kann.
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Wie schnell baut man im Alter Muskeln auf?
Die Kopenhagener Untersuchung „Copenhagen Sarcopenia Study“ (2019) zeigte, dass Probanden, die erst sehr spät in einem Alter von über 80 Jahren mit einem regelmäßigen Muskeltraining beginnen, ihre muskuläre Leistungsfähigkeit selbst dann noch um 175 Prozent steigern können. Dazu benötigten sie zwölf Wochen Training mit einer Belastungsintensität von 80 Prozent der willkürlichen Maximalkraft.
Muskeln sind in ihrer Anpassungsfähigkeit so dynamisch, dass sie in jedem Alter schnell und effizient Verbesserungen der Leistungsfähigkeit zeigen und uns damit die Ressourcen geben, unsere Lebensqualität lange zu erhalten.
Welche Unterschiede gibt es beim Muskelaufbau zwischen Männern und Frauen im Alter?
Es halten sich immer noch hartnäckig Vorurteile über die sportliche Leistungsfähigkeit von Frauen, weil die Fähigkeiten des weiblichen Körpers noch nicht vollständig erkannt und erforscht worden sind. Frauen zeigen vor allem bei den Ausdauersportarten wie Marathon oder Triathlon große und schnelle Entwicklungsfortschritte. Diese weisen darauf hin, dass die Ausdauer bei Frauen vermutlich besser trainierbar ist und der weibliche Körper auf Trainingsreize schneller mit Leistungssteigerungen reagiert.
Im Bereich des Muskeltrainings dagegen herrschen noch viele Unklarheiten: Müssen Trainingseinheiten für Frauen grundsätzlich anders gestaltet werden, und wenn ja, was ist angemessen? Wie muss die Trainingsbelastung sein, um auch langfristig die richtigen Anpassungen und Effekte zu erzielen? Solche Fragen sind berechtigt.
Gerade auch der Einfluss der zyklischen Hormonveränderungen und der Menopause muss innerhalb der Trainingsprozesse berücksichtigt werden. Im Kindesalter zeigen sich kaum Unterschiede in der körperlichen Leistungsfähigkeit zwischen den Geschlechtern. Erst mit dem Einsetzen der Pubertät und der Veränderung des Hormonhaushalts lassen sich größere physiologische Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen beschreiben. Bei der Leistungsfähigkeit im Ausdauerbereich unterscheiden sich die beiden Geschlechter dann im Mittel recht deutlich.
Über den Experten
Prof. Dr. Ingo Froböse leitet das Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er ist außerdem Berater des Bundestags in Fragen der Prävention und Autor zahlreicher erfolgreicher Gesundheits- und Fitnessratgeber. Die Gesundheit der Menschen treibt ihn an: Sie ist für ihn Beruf und Leidenschaft zugleich.
Liegt der Durchschnitt vor der Pubertät bei beiden Geschlechtern etwa bei 3,2 Watt pro Kilogramm Körpergewicht, so zeigen Mädchen nach Einsetzen der Pubertät keine Veränderungen, während sich Jungen relativ rasch auf vier Watt pro Kilogramm Körpergewicht steigern. Mit Watt pro Kilogramm wird die Leistung im Verhältnis zu unserem Körpergewicht angegeben. Zwei Watt pro Kilogramm gelten als Fitnessfaktor für Gesundheit bei Erwachsenen. Jugendliche können also in der Pubertät schon viel leisten. Bei der Analyse der Muskelkraft der Geschlechter gibt es solche eindeutigen Studien bisher noch nicht.
Zwar beschrieb bereits im Jahre 1877 die Wissenschaftlerin, Ärztin und Frauenrechtlerin Dr. Mary Putnam Jacobi größere Unterschiede in der Kraftentfaltung und -entwicklung während der Menstruation, jedoch kam es nicht zu eindeutigen Resultaten, denn bei einigen Frauen zeigten sich höhere und bei anderen Frauen niedrigere Werte.
Bis heute gibt es in der Wissenschaft noch keine Übereinstimmung darüber, welchen Einfluss die Menstruation und auch die Wechseljahre mit ihren hormonellen Veränderungen auf die Muskelkraft und das Muskeltraining bei Frauen ausüben. In diesem Bereich sollte viel mehr geforscht werden.
Wie unterscheidet sich der Muskelaufbau zwischen den Altersgruppen von 50, 60 und 70 Jahren?
Das Alter hinterlässt überall in unserem Körper Spuren und ganz besonders in der Muskulatur, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Leider verlieren viele Menschen mit zunehmendem Alter so viel von ihrer Muskelkraft, dass sich für sie zahlreiche Alltagstätigkeiten viel schwieriger gestalten und ihre Fähigkeiten und Leistungen deutlich nachlassen – und das beeinträchtigt die Lebensqualität stark.
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin machte dazu 2017 konkrete Angaben anlässlich des „Tags des älteren Menschen„: Ab dem 30. Lebensjahr baut der Organismus pro Jahr 0,3 bis 1,3 Prozent der Muskulatur in Fettgewebe um. Damit gehen also ab 30 durchschnittlich etwa 1 Prozent Muskeln pro Jahr einfach so verloren! Das ist dramatisch, weil es gravierende Konsequenzen für unsere Gesundheit hat. So verschwinden etwa 30 bis 50 Prozent der Muskelmasse bis zum 80. Lebensjahr schleichend – und das treibt uns in die Krankheit und Pflegebedürftigkeit.
Dr. Patrick N. Siparsky von der Duke University in Durham (Großbritannien) zeigte in einer Studie mit dem Titel „Muscle Changes in Aging„ 2014, dass sich ab dem 30. Lebensjahr die Kraft der Muskeln alle 10 Jahre um 10 bis 15 Prozent reduziert. Zwischen dem 70. und 80. Lebensjahr gehen sogar rund 25 Prozent der Muskelkraft durch Sarkopenie verloren. Je mehr gerade im Alter dafür getan wird, desto länger bleibt die Muskelkraft erhalten. So kann ein trainierter 60-Jähriger sogar mehr Muskelkraft besitzen als ein untrainierter 30-Jähriger! Dabei gibt es eine minimale Kraft, die notwendig ist, um die eigene Selbstständigkeit zu erhalten und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.
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Welche Übungen eignen sich am besten für den Muskelaufbau im Alter?
Welche körperliche Aktivität sollten ältere Menschen wählen? Bei dieser Frage wird fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die positiven Anpassungen von Ausdauer- und Muskeltraining unabhängig voneinander zu betrachten sind. Aus diesem Grund wird häufig empfohlen, beides unabhängig voneinander auszuführen.
Doch gerade diese umfassende Empfehlung macht es vielen älteren Menschen schwer, überhaupt den Weg in das Training zu finden. Deswegen gehen jene, die sich für den Sport entscheiden, meist den vermeintlich „einfacheren“ Weg über das Ausdauertraining.
Das ist jedoch nicht optimal, um die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Rahmen von Alterungsprozessen präventiv oder gar therapeutisch anzugehen! So kann Ausdauertraining bei älteren Menschen die Muskelmasse und auch die Muskelkraft steigern. Das zeigt sich zum Beispiel an der Oberschenkelmuskulatur von Seniorinnen und Senioren nach regelmäßigem Fahrradergometer-Training: Dabei wird zwar die Muskulatur – verglichen mit dem Krafttraining – geringer beansprucht, und die muskuläre Adaptation fällt zwangsläufig etwas niedriger aus. Trotzdem ist sie eine gesundheitlich relevante Größe bei der Bekämpfung von Alterungsprozessen.
Im Gegensatz zu früheren Behauptungen erhält auch regelmäßiges Muskeltraining nicht nur die muskuläre Gesundheit, sondern es beeinflusst gleichzeitig positiv Blutdruck, Stoffwechsel, viele kardiovaskuläre Risikofaktoren und Krankheiten wie Diabetes und Krebs – und senkt damit die Mortalitätsrate. Wenn Sie nicht beides trainieren können oder wollen, also Ihre Ausdauer und Ihre Muskelkraft – das wäre optimal! –, dann empfehle ich Ihnen: Entscheiden Sie sich aufgrund des größeren Spektrums an umfassenden und weitreichenderen positiven Effekten für das Krafttraining.
Je älter wir werden, umso intensiver müssen unser muskuläres Training und die Belastung sein, um die Qualität und die Quantität der Muskelkraft und -masse überhaupt erhalten zu können. Unsere Muskulatur ist überaus belastbar, trainierbar und kann sich in jedem Alter positiv entwickeln! Einfaches Bewegen im Alltag oder ausschließlich Ausdauertraining greifen gerade ab dem 50. Lebensjahr deutlich zu kurz. In beiden Fällen sind die Reize viel zu niedrig, um die schnellen weißen Muskelfasern zu erreichen. Sie stehen bei der Sarkopenie im Mittelpunkt, und dies bedeutet immer ein gezieltes Training mit höheren beziehungsweise hohen und intensiven Kraftbelastungen. Dafür können wir zwei unterschiedliche Trainingsformen nutzen:
• Volumentraining: Sie wählen 2 bis 3 Belastungen mit hoher Wiederholungszahl (8 bis 15) in zwei bis drei Sätzen und mittlerer Belastung (60 bis 75 Prozent der maximalen Kraft), trainieren aber bis zur maximalen Erschöpfung Ihrer Muskeln. Für ein schnelles und effektives Muskelwachstum ist der wichtigste Reiz die energetische Ausbelastung der Muskeln bis zur maximalen Erschöpfung der Muskulatur. Die erkennen Sie daran, dass Ihre Muskeln “brennen“. Das ist meist dann der Fall, wenn Sie bei einer Übung denken: “Das war ganz schön anstrengend, jetzt reicht’s“ und dann noch ein bis drei Wiederholungen mehr machen. Mit dieser Trainingsform sind Ungeübte gut beraten sowie all jene, deren Muskeln bereits schwächeln.
• High Intensity Training (HIT): Sie setzen beim Training auf eine geringe Anzahl von ein bis sechs Wiederholungen, dafür aber auf hohe bis höchste Intensität – das bedeutet Belastungen über 75 Prozent beziehungsweise bis zu 100 Prozent der Muskelkraft. Mit dieser Trainingsform erreichen Sie, dass sich besonders das Zusammenspiel von Nerven und Muskelfasern verbessert.
Egal, für welche Trainingsform Sie sich entscheiden: Sie sollten mindestens zweimal, besser dreimal pro Woche trainieren. Falls Sie ein 30-minütiges Workout tatsächlich nicht in Ihren Alltag integrieren können, versuchen Sie, als unterstes Minimum zwei Trainingseinheiten in zehn Tagen zu schaffen.
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Welche Ernährung ist optimal für den Muskelaufbau im Alter?
Damit unser Organismus Muskeln aufbauen kann, benötigt er nicht nur die richtigen intensiven Trainingsreize, sondern auch „Baumaterial“, und zwar die passenden Aminosäuren. Diese Eiweißstoffe müssen wir über die Nahrung in ausreichender Menge zu uns nehmen. Da der Organismus Protein aber mit zunehmendem Alter nicht so gut verwerten kann wie in jungen Jahren, benötigt er ab 50 sowieso schon mehr und erst recht, wenn er Muskulatur bilden soll.
Deswegen ist eine proteinbasierte Ernährung eine wichtige Grundlage zur Vermeidung oder Aufhebung der Sarkopenie. Nehmen Sie daher etwa 30 bis 40 Gramm Proteine mit jeder Hauptmahlzeit zu sich. Wenn Sie das übers Essen nicht schaffen, können Sie auch zu Protein-Shakes greifen. Speziell die essenzielle Aminosäure Leucin sollte täglich dabei sein, weil diese das Wachstumshormon mTOR anregt und so den Muskelaufbau begünstigen.
Vertiefende Fragen & Antworten zum Thema:
Für Anfänger mit wenig Kondition, die mit dem Joggen beginnen möchten, ist es wichtig, langsam anzufangen und kleine Ziele zu setzen. Intervalltraining ist eine gute Möglichkeit, um das eigene Tempo zu finden und Fortschritte zu erzielen. Dabei wechselt man zwischen langsamen Joggen und Walken. Es ist wichtig, nur so schnell zu laufen, dass man dabei noch sprechen könnte, um die Belastung zu dosieren. Das Prinzip der subjektiven Unterforderung besagt, dass man nach dem Training das Gefühl haben sollte, gleich wieder loslaufen zu können. Das Wichtigste ist, Spaß beim Laufen zu haben und realistisch mit seinen Ressourcen umzugehen.
Dr. Ingo Froböse
Sportexperte
Gerade bei Übergewicht sollten Sie sich nur ganz langsam steigern. Bei starkem Übergewicht empfehle ich statt des Lauftrainings zunächst mit gelenkschonenden Alternativen einzusteigen. Dazu eignen sich Ausdauersportarten wie Nordic Walking oder Schwimmen, diese trainieren ebenso sowohl das Herz-Kreislauf-System als auch die Muskulatur.
Dr. Ingo Froböse
Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung der Deutschen Sporthochschule Köln
Generell ist es besser häufiger kürzere Strecken zu laufen, als sich mit seltenen, längeren Einheiten zu quälen. Denn durch Regelmäßigkeit kann sich der Körper an die Belastung gewöhnen. Sie geben Ihrem Herz-Kreislauf-System und Ihren Muskeln so die Möglichkeit sich anzupassen.
Dr. Ingo Froböse
Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung der Deutschen Sporthochschule Köln
Ein Trainingsplan für Anfänger beim Joggen sollte kleine Etappenziele beinhalten, um motiviert zu bleiben. Intervalltraining ist eine gute Möglichkeit, um das eigene Tempo zu finden und Fortschritte zu erzielen. Es ist wichtig, langsam zu steigern und sich genügend Zeit für die Regeneration zu lassen. Ein gleichmäßiger Atemrhythmus und das Dehnen der beanspruchten Muskulatur nach dem Laufen tragen zu einem erfolgreichen Training bei. Eine ausgewogene Ernährung und genügend Schlaf sind ebenfalls wichtige Faktoren, um Fortschritte zu erzielen.
Dr. Ingo Froböse
Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung der Deutschen Sporthochschule Köln