München – Über Andreas Grünwald hoch oben in der Luft fliegt ein Falke. Der 32-Jährige Landwirt steht in seinem Gerstenfeld im Münchner Norden, dort wo der Spruch, dass diese Stadt ein Dorf ist, noch stimmt: Nur einzelne Häuser gibt es, drum herum sind Felder, die Straßen sind so schmal, dass zwei Autos Schwierigkeiten haben dürften, aneinander vorbeizukommen.

Wenn hier auf seinem Feld etwas über ihm schwebt, sind es nicht immer Vögel. Seit letztem Jahr überfliegen EU-Satelliten alle fünf bis sieben Tage seine Äcker. Sie machen Bilder und kontrollieren so, ob er das anbaut, was er in seinem Antrag für Agrarsubventionen angegeben hat. “Oft erkennt der Satellit es aber nicht richtig”, sagt der Landwirt. Dann müsse er aus verschiedenen Perspektiven Fotos in eine App hochladen. Aufwendig sei das.

Sein Traum: Landwirt sein

Grünwald trägt Latzhose, dicke Arbeitsschuhe, er wirkt wie einer, der nicht immer in der ersten Reihe stehen muss. “Ich mach’ meinen Job wirklich gern”, sagt er. “Nach der Schule bin ich immer gleich mit dem Papa auf den Bulldog drauf.” Immer sei klar gewesen, dass er nichts anderes machen will als sein Vater und dessen Vorfahren: Landwirt sein. 1886 steht über der Haustür seines Bauernhauses.

Sein Papa Franz Grünwald (64) bewirtschaftet den Hof mit ihm zusammen.
Sein Papa Franz Grünwald (64) bewirtschaftet den Hof mit ihm zusammen.
© Bernd Wackerbauer
Sein Papa Franz Grünwald (64) bewirtschaftet den Hof mit ihm zusammen.

von Bernd Wackerbauer

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“Ich wünsche mir von der EU  mehr Beständigkeit”

Doch, wie das ist bei Geschichten, die schön anfangen, folgt auch bei Grünwald ein Aber. “Vor fünf Jahren hat es noch mehr Spaß gemacht”, sagt er. “Da gab es noch nicht so viele Vorschriften.” Ein Beispiel: “Letztes Jahr hieß es, wir sollen vier Prozent der Fläche aus der Produktion nehmen – wegen der Natur hat’s geheißen.” Er habe sich darauf eingestellt. “Anfang dieses Jahres hieß plötzlich: stopp – doch wieder nicht.” Eigentlich plane er immer ein Jahr voraus, was er anbaue, um rechtzeitig genug Dünger zu kaufen.

Dieses Frühjahr musste plötzlich alles ganz schnell gehen. “Ich wünsche mir von der EU vor allem mehr Beständigkeit”, sagt er. Ein Landwirt – so schildert es Grünwald – plane für Jahrzehnte im Voraus, nicht nur bis zur nächsten Wahl. “Es kann passieren, dass ich für ein oder zwei Millionen einen neuen Stall baue und nach zehn Jahren sagt die EU: Das ist nicht mehr Tierwohl-gerecht.” Solche Regeln müssten aus seiner Sicht für 20 Jahre bestehen.

“Ohne die Direktzahlungen könnte ich zusperren”

Grünwald ist bewusst, dass er sich auch deshalb an so viele Regeln halten muss, weil von der EU so viel Geld bekommt. “Ohne die Direktzahlungen könnte ich zusperren”, sagt Grünwald. Lieber wäre ihm ein “gescheiter” Marktpreis als eine Förderung. Aber das hätte zur Folge, dass alle für Lebensmittel mehr bezahlen müssten, meint er. W ie viel an Subventionen er genau bekommt, will er nicht verraten. Das Geld sei ein “Durchlaufposten”, von dem er die Pacht bezahlt. 100 Hektar bewirtschafte er, das meiste habe er gepachtet. 350 Euro pro Hektar zahle er.

Als öffentlich wurde, dass die Stadt ihn womöglich enteignet, um ein Neubaugebiet zu bauen, hat Grünwald seine Kühe und Bullen verkauft.
Als öffentlich wurde, dass die Stadt ihn womöglich enteignet, um ein Neubaugebiet zu bauen, hat Grünwald seine Kühe und Bullen verkauft.
© Bernd Wackerbauer
Als öffentlich wurde, dass die Stadt ihn womöglich enteignet, um ein Neubaugebiet zu bauen, hat Grünwald seine Kühe und Bullen verkauft.

von Bernd Wackerbauer

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Zieht er Pacht, Diesel- und Düngekosten ab, würden bei einem Weizenfeld pro Hektar rund 200 Euro übrigbleiben. “Mit einer richtigen Arbeit würde ich mehr verdienen”, ist sich Grünwald sicher. Denn er müsse außerdem in seinen Betrieb investieren. Zum Beispiel habe er vor Kurzem einen neuen Düngerstreuer für 30.000 Euro gekauft. “Mit einer Einwegkamera könntest du auch keine gscheiten Bildl machen”, sagt er zum Fotografen der AZ, noch bevor jemand gefragt hat, ob so ein teures Gerät sein muss.

Seine 150 Tiere hat der Bauer verkauft – wegen der Stadt

Es gibt aber auch Investitionen, die sich Grünwald momentan spart. Das liegt nicht an der EU, sondern an der Stadt. Sein Bauernhof und seine Felder befinden sich in Feldmoching, dort wo das Rathaus über eine große Neubausiedlung nachdenkt. Weil der Stadt der Grund jedoch nicht gehört – hat sie die ersten Schritte für eine “Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme” eingeleitet. Dieses Instrument macht es möglich, Grundbesitzer zu enteignen.

Vor gut sieben Jahren wurden diese Pläne öffentlich. Bis dahin hatte Grünwald 150 Kühe und Bullen. Er hätte sich damals, sagt er, für rund eine halbe Million einen neuen Melkroboter kaufen müssen. Er war 25 Jahre alt. Für den Rest des Lebens Schulden abbezahlen, wenn man gar nicht weiß, wie lange es noch weiter geht? Grünwald verkaufte seine Tiere.

Jetzt setzt er auf einen anderen Plan 

2019 gründete er mit zwei anderen Münchner Landwirten eine Bauerngenossenschaft. Gemeinsam bauen sie Quinoa an. Eigentlich wächst Quinoa vor allem in den Anden, in Bolivien, Peru oder Ecuador auf über 4000 Metern Höhe. Aber Grünwald hat die Erfahrung gemacht, dass die Pflanze auch hier gedeiht. Noch ist Quinoa für ihn eine Nische: 20 Tonnen erntet er im Jahr – und 200 Tonnen Weizen. Kaufen kann man den Quinoa aus Feldmoching nur im Feinkost- und in Unverpackt-Läden. Denn er ist mit sechs Euro pro Kilo teurer als die aus Südamerika. “In der freien Marktwirtschaft zählt nur der Preis. Wir brauchen Kunden, die es wertschätzen, dass der Quinoa hier angebaut wurde”, meint er.

Auf diesem Feld hat Andreas Grünwald Quinoa ausgesät. In der Ferne ragt der Olympiaturm in den Himmel.
Auf diesem Feld hat Andreas Grünwald Quinoa ausgesät. In der Ferne ragt der Olympiaturm in den Himmel.
© Bernd Wackerbauer
Auf diesem Feld hat Andreas Grünwald Quinoa ausgesät. In der Ferne ragt der Olympiaturm in den Himmel.

von Bernd Wackerbauer

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Zu seinem Quinoa-Feld muss Grünwald ein paar Minuten mit dem Auto fahren. Noch sieht man dort nicht viel mehr als ein frisch gepflügtes Feld. In der Vorwoche hat Grünwald die Samen eingesetzt. Er streicht über die Erde, um zu sehen, ob sie schon aufgegangen sind. An seinem Beruf mag er besonders, dass man sehen kann, wie eine Kultur heranwächst, sagt er. Jetzt muss Grünwald aber erst mal das machen, was ihm nicht so viel Spaß macht: seinen Antrag für die Agrarsubventionen. Die nächsten vier Stunden werde er damit bestimmt beschäftigt sein.





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