Die wechselhafte Wetterlage mit Starkregen und Hagel, die bereits in der vergangenen Woche Teile Bayerns traf, soll sich nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auch in dieser Woche fortsetzen. Es wird wieder mit Gewittern gerechnet, die von Schwaben über Oberbayern nach Niederbayern und in die Oberpfalz ziehen sollen. Dabei soll es zu heftigem Starkregen, Hagel und Böen mit bis zu 80 Kilometer pro Stunde kommen. Laut dem Hochwassernachrichtendienst Bayern seien am Montag vor allem im Südwesten des Landes Hochwasser und extreme Sturzfluten möglich.

Die Einsatzkräfte mussten in der vergangenen Woche Menschen und Fahrzeuge bergen, die sich nicht mehr aus überschwemmten Gebäuden oder Unterführungen befreien konnte. Ernsthaft zu Schaden gekommen sei dabei niemand, heißt es von der Polizei. Doch einige Einsätze hätten wohl vermieden werden können: „Die meisten geretteten Menschen haben die Gefahr unterschätzt und dadurch selbst zu ihrer Lage beigetragen“, sagt Matthias Ott, Sachgebietsleiter für den Einsatz der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes im Innenministerium.

Er rät Autofahrern, in keine unbekannten, überschwemmten Gebiete zu fahren, denn, „wenn das Wasser 30 Zentimeter hoch steht, ist das Auto in jedem Fall kaputt“. Bei Starkregen-Warnungen solle man sich zudem nicht in Keller- oder Souterrain-Räumen oder in Gewässernähe aufhalten. „Es gibt Menschen, die bei Hochwasser Kanu fahren. Das ist eine unnötige Gefährdung, auch für die Einsatzkräfte.“

Trotz der vermehrten Alarmierungen seien die Feuerwehren aber gut zurechtgekommen, sagt Ott. „Im Freistaat haben wir eine hohe Dichte an Feuerwehrwachen und sind auch bei der Anzahl der Einsatzkräfte gut aufgestellt.“ Zwar könnte immer wieder vereinzelt Spezialgeräte fehlen, doch das lasse sich durch den Austausch von Material untereinander kompensieren.

„Richtig gutes Wachswetter“, sagt der Landwirtschaftsexperte

Auch Johann Graf vom Bayerischen Bauernverband zeigt sich zuversichtlich: „An den meisten Orten hat es nicht übermäßig stark geregnet.“ Der Boden habe das Wasser deshalb gut aufnehmen können und habe nun eine gute Struktur. Da es bereits im April warm geworden war, konnten die Landwirte außerdem Kartoffeln und Zuckerrüben früh aussäen. Nach einer kurzen Regenpause Ende April folgten Mais und andere Nutzpflanzen. Momentan herrsche laut Graf zudem „richtig gutes Wachswetter“, da sich regnerische Tage mit sonnigen abwechseln. Trotzdem war es in der vergangenen Woche stellenweise zu starken Regenfällen gekommen. „Wie sich das dort auf die Ernte auswirkt, wird sich zeigen“, sagt der Referent für Ackerbau.

Dass die Extremwetter-Ereignisse im Freistaat recht punktuell sind, zeigt sich auch statistisch: Betrachtet man im Freistaat den Mai insgesamt, liegt die Niederschlagsmenge unter dem Durchschnitt der Referenzperiode von 1961 bis 1990. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Mai mal nass wird“, sagt Dirk Mewes vom DWD. Bemerkenswert sei dagegen, dass es lokal zu so hohen Niederschlagsmengen kam. An einigen Orten regnete es zuletzt vor mehr als 50 Jahren so stark.

In Kastl in der Oberpfalz hat der Gemeinderat vor 20 Jahren ein Schutzkonzept gegen Hochwasser abgelehnt. Trotz der Wassermassen, die vergangene Woche durch Kastl geströmt sind, steht der Bürgermeister auch heute noch zu dieser Entscheidung. (Foto: vifogra/dpa)
Die Extremwetterereignisse, wie hier der Hagel im oberbayerischen Bad Tölz, werden sich nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes mehren. (Foto: dpa)

Mewes rechnet damit, dass sich solche Ereignisse in Zukunft mehren werden. „Wir erwarten, dass sich die Atmosphäre nach und nach erwärmt und damit mehr Wasser speichern kann.“ Bilden sich aus den gesättigten Luftmassen dann Wolken, die anschließend abregnen, sind auch die Niederschlagsmengen größer.

Um sich vor möglichen Überschwemmungen zu schützen, haben Kommunen und Städte unterschiedliche Ansätze. Der Gemeinderat von Kastl in der Oberpfalz beispielsweise hat vor mehr 20 Jahren ein Schutzkonzept abgelehnt. Auch einige Tage nachdem die Wassermassen Autos über den Marktplatz im Landkreis Amberg-Sulzbach gespült haben, steht Kastls Bürgermeister Stefan Braun zu dieser Entscheidung: „Bei uns wären Rückhaltungen nötig, die bis zu 23 Quadratkilometer Wasser aufhalten müssten. Das wäre ein zu großer Eingriff in die Natur.“ Die von Hochwasser gefährdeten Gebäude seien zudem nicht unterkellert, bei kleineren Überschwemmungen passiere nichts. Und selbst nach dem Extremereignis der vergangenen Woche halte sich der Schaden in Grenzen.

Anstatt Staustufen zu bauen, behilft man sich in der Marktgemeinde mit einer Warn-App. Auch am Dienstag der vergangenen Woche habe diese 40 Minuten vor dem Hochwasser Alarm geschlagen. „Ich glaube, viele Leute haben die Nachricht nicht ernst genommen oder sind gar nicht im System“, sagt der Rathauschef. Man werde nun erneut die Anwohner kontaktieren, um für den freiwilligen Service zu werben. „Auf uns sind schon ein paar Leute zugekommen. Nach letzter Woche sind auf jeden Fall alle sensibilisiert“, so Braun.

Auch beim Versicherungsschutz ist man in Bayern nachlässiger als andernorts. Laut einer Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) waren 2023 zwar fast alle Häuser gegen Sturm und Hagel abgesichert, wie eine Sprecherin des GDV am Montag in Berlin mitteilte. Über eine Versicherung gegen sogenannte Elementarrisiken wie Starkregen und Hochwasser verfügten dagegen nur 47 Prozent der Hausbesitzer. Im Bundesdurchschnitt betrage der Anteil dagegen 54 Prozent.

Die Häufigkeit der Schäden an Wohngebäuden hat sich dabei erhöht. Von 1000 Versicherungsverträgen für Wohngebäude waren im Schnitt 27,3 von einem Sturm- und Hagelschaden betroffen (2022: 17,7). Schäden durch Starkregen und Hochwasser wurden im vergangenen Jahr 9,5 gemeldet (2022: 4,5).

Damit ist nach Angaben der Versicherungsgesellschaft auch die Summe der Unwetterschäden in Bayern deutlich gestiegen. Während sie 2022 noch 700 Millionen Euro betrug, waren es ein Jahr später bereits rund zwei Milliarden Euro. Auf Schäden an Häusern, Hausrat, Gewerbe- und Industriebetrieben entfielen den Angaben zufolge rund 1,2 Milliarden Euro. Dazu kamen rund 830 Millionen Euro bei den Kfz-Versicherern.



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