Die israelische Armee stößt nach eigenen Angaben weiter in Rafah im Süden des Gazastreifens gegen die islamistische Hamas vor. Die eigenen Bodentruppen hätten nun das Gebiet Schabura erreicht, von wo aus die Hamas-Terroristen vorgingen, gab der israelische Armeesprecher Daniel Hagari bekannt.

Heute entscheidet der Internationale Gerichtshof (IGH) über die Forderung Südafrikas, dass sich Israels Militär sofort aus Rafah wieder zurückzieht. Entscheidungen des Weltgerichts sind bindend. Allerdings besitzen die UN-Richter keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen.

Sie können aber den UN-Sicherheitsrat aufrufen, in der Sache tätig zu werden. «Wir stürmen Rafah nicht, sondern wir gehen vorsichtig und präzise vor», betonte Hagari. Israel will in Rafah die letzten dort verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen.

Israels Armee: Dutzende Terroristen in Rafah getötet

«Bislang haben wir mehr als 180 Terroristen in Rafah eliminiert», sagte Hagari. Die Armee habe außerdem Abschussvorrichtungen und Raketen zerstört, die auf israelisches Gebiet abgefeuert werden sollten. Zudem seien unterirdische Tunnel der Hamas und Schächte ausgehoben worden. Man arbeite daran, weitere zu lokalisieren. «Die Operation vor Ort ist intensiv und entschlossen, mit schwierigen Gefechten in komplexen Gebieten», erläuterte der Sprecher.

Es hätten nach Israels Evakuierungsaufrufen inzwischen rund eine Million Zivilisten die Stadt verlassen. Vor dem Beginn des Einmarsches der israelischen Armee hatten mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens in Rafah Schutz gesucht. Südafrika argumentiert mit seinem Eil-Antrag, es gehe darum, einen Völkermord an Palästinensern zu verhindern. Zur Begründung hieß es, dass die bisherigen Maßnahmen des Gerichts im Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza nicht ausreichend seien.

Israels Vorstoß in Rafah hatte am 6. Mai im Osten der an Ägypten grenzenden Stadt begonnen. Die USA als Israels wichtigster Verbündeter hatten zuletzt erklärt, die Einsätze in Rafah hätten bislang nicht das Ausmaß erreicht, vor dem die US-Regierung gewarnt hat. Die USA lehnen eine große israelische Bodenoffensive in Rafah ab. Die bisherigen israelischen Einsätze «waren gezielter und begrenzter und umfassten keine größeren Militäroperationen im Zentrum dicht besiedelter städtischer Gebiete», hatte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, gesagt.

«Wir müssen nun abwarten, wie sich die Lage weiter entwickelt», fügte er hinzu. Mit dem Erreichen von Schabura kämpfe die Armee inzwischen in der Nähe des Stadtzentrums von Rafah, schrieb die «New York Times». Rafah ist nach fast acht Monaten Krieg die letzte halbwegs intakte Stadt im Gazastreifen.

Minister Gantz will Untersuchungskommission zum 7. Oktober

Auslöser des Krieges war ein beispielloses Massaker von Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen am 7. Oktober vergangenen Jahres im israelischen Grenzgebiet. Bei dem Terrorangriff wurden mehr als 1200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Im Zuge der anschließenden militärischen Offensive Israels in Gaza sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35.700 Menschen getötet worden. Benny Gantz, Minister in Israels Kriegskabinett, sprach sich derweil für eine Untersuchungskommission aus, um zu klären, wie es zu dem Terrorüberfall am 7. Oktober in Israel kommen konnte.

«Es reicht nicht aus, dass wir die Verantwortung übernehmen für das, was passiert ist – wir müssen die Lehren daraus ziehen und so handeln, dass es nie wieder passiert», sagte er in einer Videobotschaft auf der Plattform X. Regierungschef Netanjahu hatte zuvor in einer Stellungnahme bestritten, vom Militär Warnungen über einen möglichen Angriff aus dem Gazastreifen erhalten zu haben.

Dabei hatten Späherinnen an der Grenze zum Gazastreifen Medienberichten zufolge vor dem Überraschungsangriff der Hamas immer wieder vergeblich vor verdächtigen Vorgängen in dem abgeriegelten Küstengebiet gewarnt. 

Bericht: CIA-Direktor will Verhandlungen wiederbeleben

Fünf dieser Späherinnen, die bei am 7. Oktober erfolgten Überfall nach Gaza entführt wurden, sind in verstörenden Videoaufnahmen der Hamas zu sehen. Die Eltern der jungen Frauen hatten der Veröffentlichung in der Hoffnung zugestimmt, dass die schlimmen Bilder zur Freilassung ihrer Töchter und anderer Geiseln in einem Deal zwischen Israel und der Hamas beitragen könnten.

Nach Informationen des gewöhnlich gut unterrichteten israelischen Journalisten Barak Ravid wird CIA-Direktor Bill Burns in den nächsten Tagen zu einem Treffen mit dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, nach Europa reisen, um zu versuchen, die festgefahrenen Gespräche über eine Freilassung der Geisel und eine Waffenruhe wiederzubeleben. Katarische und ägyptische Beamte könnten an dem Treffen teilnehmen, schrieb Ravid auf X. Da Israel und die Hamas nicht direkt verhandeln, fungieren die USA, Ägypten und Katar als Vermittler.  

Bericht: USA erwägen nach Ende des Kriegs beratende Rolle

Gantz hatte mit dem Austritt aus der Regierung gedroht, falls Netanjahu nicht bis zum 8. Juni einen Plan für die Nachkriegsordnung im Gazastreifen vorlege. Die US-Regierung erwägt unterdessen für die Zeit nach dem Ende des Krieges, eine künftige Verwaltung und den Wiederaufbau des Küstengebietes in beratender Rolle von außen zu unterstützen.

Wie das Portal «Politico» unter Berufung auf vier namentlich nicht genannte US-Beamte berichtete, wird intern über einen Plan diskutiert, einer künftigen mehrheitlich palästinensischen Sicherheitstruppe in Gaza einen zivilen US-Beamten zur Seite zu stellen, der selbst jedoch nicht im Gazastreifen stationiert würde.  

Es werde zwar noch in Washington darüber debattiert, wie viel offizielle Befugnisse dieser Berater haben würde. Es sei jedoch Teil eines Plans, bei dem die USA eine «herausragende» Rolle bei der Überwindung der Folgen des andauernden Krieges in Gaza spielen würden. Netanjahu hatte in einem Interview gesagt, sobald die Hamas besiegt sei, müsse eine nachhaltige Demilitarisierung Gazas erreicht werden.

«Wir wollen eine zivile Verwaltung, die von Bürgern von Gaza geführt wird, die weder der Hamas angehören noch sich für sie engagieren». Die «Washington Post» hatte zuvor Verteidigungsbeamte in Israel zitiert, wonach deren Strategie eine palästinensische Sicherheitstruppe in Gaza vorsehe. 

Diese würde zum Teil aus Verwaltungspersonal der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland bestehen und von einem palästinensischen Regierungsrat beaufsichtigt werden – mit Unterstützung arabischer Staaten wie Ägypten, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien.

Netanjahu lehnt jedoch eine Beteiligung der Autonomiebehörde entschieden ab. «Ich bin klar dagegen, Hamastan gegen Fatahstan auszutauschen», sagte er dieser Tage. Im Westjordanland ist die vergleichsweise gemäßigte Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die führende Partei. 

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