Einige Thyssen-Krupp-Mitarbeiter waren ziemlich wütend auf Konzernchef López.

Einige Thyssen-Krupp-Mitarbeiter waren ziemlich wütend auf Konzernchef López.

Foto: Bernd Thissen

Thyssen-Krupp ist in der Krise. Das ist keine neue Meldung. Seit Jahren versucht der Mischkonzern, sich umzubauen. Ein besonderes Problem beim Umbau ist die Stahlsparte. 27 000 Menschen produzieren für Thyssen-Krupp Stahl, 13 000 davon in Duisburg. Und das ist ein Problem für den Konzern. In Deutschland wird zu viel und zu teuer produziert. Wenn der Stahl auch noch klimaneutral werden soll, dann wird er deutlich teurer. Fördermittel hat Thyssen-Krupp dafür schon bekommen. Eine Direktreduktionsanlage soll in Duisburg entstehen. Mit ihr soll Stahl mit Strom, am besten aus grünem Wasserstoff, hergestellt werden. Sie soll einen der sechs alten Hochöfen ablösen, die mit Kokskohle betrieben werden. Aus der öffentlichen Hand wird das Projekt mit zwei Milliarden Euro gefördert. Thyssen-Krupp soll eine Milliarde beisteuern.

Für den Umbau des Konzerns reicht das nicht. Einen starken Energiepartner wollte Thyssen-Krupp-Chef Miguel López gewinnen. Mit der EPCG Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky glaubt López einen solchen Partner gewonnen zu haben. EPCG ist in erster Linie ein Energieunternehmen – günstige Energie gleich günstigerer Stahl. Dadurch würde Wettbewerbsfähigkeit entstehen. So die Idee der Thyssen-Krupp-Chefetage. Kretinsky soll in einem ersten Schritt 20 Prozent der Stahlsparte des Ruhrgebietskonzerns übernehmen. Perspektivisch soll der Tscheche die Hälfte der Sparte von Thyssen-Krupp bekommen.

Wie der neue Stahlkonzern aussehen soll, darüber herrscht Unklarheit, die an den Nerven der Mitarbeiter*innen von Thyssen-Krupp zehrt. Seit Jahren soll sich etwas mit der Stahlsparte ändern. Ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem indischen Stahlkonzern Tata scheiterte vor fünf Jahren an der EU-Kommission. Danach gab es viel Unklarheit. Der Zusammenschluss mit EPCG sollte nun die Lösung bringen. Doch er wurde schlecht kommuniziert. Was die Pläne für die Arbeitsplätze und bestehende Tarifverträge bedeuten, ist unklar. Einer vom Konzernvorstand anberaumten Betriebsversammlung blieben die Beschäftigten Ende April in Duisburg fern, sie folgten lieber einem Protestaufruf der IG Metall.

An diesem Donnerstag dann der erneute Showdown: vor der Konzernzentrale in Essen Protest von etwa 4000 Beschäftigten. In der Zentrale tagte der Aufsichtsrat. Die 20-prozentige Übernahme der Stahlsparte durch Daniel Kretinsky stand auf der Tagesordnung. Vor der Kundgebung hatte es ein Hin und Her zwischen IG Metall und Konzernzentrale über einen Auftritt des Vorstandschefs Miguel López gegeben. Die Gewerkschaft ärgerte sich darüber, von López Angebot nur aus der Presse erfahren zu haben. Am Ende sprach der Konzernchef auf der Kundgebung zu den Beschäftigten. Vorher musste er sich aber einiges anhören.

Nicht nur die bei Arbeitskämpfen in der Großindustrie des Ruhrgebiets unvermeidliche MLPD erinnerte vor der Werkszentrale an den Streik gegen die Schließung des Stahlwerks in Duisburg-Rheinhausen 1987. Auch Auszubildendenvertreter wie Mehmet Barlas sprachen von Rheinhausen: Was in den vergangenen Monaten passiert ist, sei »ein Angriff auf unsere Mitbestimmung«. Miguel López habe in einem Jahr im Konzern nicht die Betriebskultur verstanden. Ein Kollege von Barlas pflichtete ihm bei, erklärte, was der Konzernchef mache, möge »gesetzlich korrekt« sein, entspreche aber nicht den Gepflogenheiten. Er warnte, noch gehe es darum, die eigenen Arbeitsplätze zu »verteidigen«, man könne aber auch zum Angriff übergehen.

Angst vor Angriffen hatte man offenbar in der Konzernzentrale. Zumindest waren auf dem Konzerngelände zahlreiche Sicherheitsleute präsent. Das Gebäude, in dem der Aufsichtsrat tagte, wurde von Polizist*innen bewacht. Für Tekin Nasikkol, den Betriebsratschef von Thyssen-Krupp, war das ein beschämendes Zeichen. Er stellte die rhetorische Frage, ob sich der Vorstand etwa vor der Belegschaft fürchte. Auch Nasikkol beklagte den schlechten Umgang mit der innerbetrieblichen Mitbestimmung, der Ende vergangenen Jahres begann, als Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm sein doppeltes Stimmgewicht ausnutzte, um eine Vergrößerung des Vorstands durchzusetzen. Für den Betriebsratschef ist dies ein Unding. Bei Thyssen-Krupp verlaufe so etwas üblicherweise einvernehmlich.

Viele Fragen und Vorwürfe, auf die Miguel López – begleitet von Pfiffen, Buhrufen, dem Vorwurf, ein »Lügner« zu sein, und der Forderung »López raus!« – schmallippig antwortete. Seine Botschaft: Das Unternehmen müsse sich jetzt verändern. Sonst sei es zu spät. Seine Botschaft an die Beschäftigten: Es »soll« keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Zu wenig für die beiden letzten Redner, Jürgen Kerner von der IG Metall und Karl-Josef Laumann (CDU), Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen. Kerner beharrte auf einem Ausschluss von Kündigungen »schwarz auf weiß« und nannte das Verhalten der Unternehmensführung eine »Unkultur«, die Thyssen-Krupp nicht würdig sei. Laumann erinnerte an die großen Förderungen von Land und Bund für den Konzern. Dessen Umbau müsse partnerschaftlich erfolgen. Dafür sei Transparenz notwendig. Die »soziale Partnerschaft gehört in Nordrhein-Westfalen zur Staatsräson«, erklärte Laumann klar an López gerichtet. Betriebsbedingte Kündigungen, so die Forderung des CDU-Politikers, müssten ausgeschlossen werden.





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