Der wiedergewählte dominikanische Präsident Luis Abinader steht für Aufschwung durch Billigtourismus – und für Migrantenhass gegen Haitianer.

Ein Strassenverkäufer verkauft einem Autofahrer eine Zeitung mit einem Bild des wiedergewählten Präsident Luis Abinader

Zeitung mit einem Bild des wiedergewählten Präsident Luis Abinader Foto: Henry Romero/reuters

FRANKFURT taz | Wer verstehen will, wie heutzutage eine moderne Revolution aussieht, kann in die Dominikanische Republik schauen. Der am vergangenen Sonntag im ersten Wahlgang mit 57 Prozent der Stimmen wiedergewählte Präsident Luis Abinader vertritt nämlich die Partei der „modernen Revolution“.

Abinader ist die seriöse Form des argentinischen Präsidenten Javier Milei. Ausfällig wird er nur gegen haitianische Migranten, ansonsten predigt er den wirtschaftlichen Erfolg. Politik ist bei ihm geschrumpft zur Lobpreisung des Tourismus.

Diese Branche hat sich am schnellsten von der Corona-Krise erholt. In der Dominikanischen Republik macht sie mittlerweile den drittwichtigsten Posten in den Staatseinkünften aus. Im vergangenen Jahr kamen mehr Touristen, als das elf-Millionen Land Einwohner hat, und bescherten Rekordeinnahmen.

Von Deutschland aus kann man in zehn Stunden direkt nach Punta Canas an den Karibikstrand fliegen. 1.000 Euro für eine knappe Woche all inclusive – und im Resort trifft man dann die Mittelschicht aus Chile, China oder Ghana, die sich dort den Traum von der Karibik erfüllt.

Antihaitianischer Rassismus hat Tradition und Methode

2020 wurde offiziell festgestellt, dass die Dominikanische Republik nun zu den Staaten mit mittlerem Durchschnittseinkommen zählt. Abinader verkündete begeistert: „Wir gehören nicht mehr zur Dritten Welt!“ Seinen Wahlerfolg verdankt er allerdings insbesondere seiner harten Abschiebepolitik von haitianischen Migrantinnen und Migranten. Das vergangene Jahr verzeichnete ein Rekordhoch zwischen 170.000 und 250.000 Abschiebungen, darunter tausende Minderjährige und Schwangere, die auch nach dominikanischem Gesetz nicht deportiert werden dürfen.

Antihaitianische Xenophobie ist Teil des dominikanischen Selbstverständnisses geworden.

Nach internationalen völkerrechtlichen Standards sind die Abschiebungen ohnehin problematisch, weil in Haiti bewaffnete Gangs große Teile des Landes beherrschen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte deshalb die dominikanische Abschiebepraxis: Abinader reagierte empört und erklärte, er werde die Abschiebungen noch verschärfen. Unter seiner Präsidentschaft wurde der Bau einer Mauer entlang der 340 Kilometer langen Grenze zu Haiti begonnen, die eine vollständige Abriegelung auf dem Landweg gewährleisten soll.

In der Dominikanischen Republik hat der antihaitianische Rassismus traditionsreiche Methode. Obwohl ein Großteil der Bevölkerung selbst von Sklaven abstammt, hat es die weiße Oberschicht spätestens seit Diktator Trujillo (1930-1961) verstanden, mit antihaitianischem Ressentiment die eigene Bevölkerung „weißer“ zu machen.

Die Grundlage dafür legte Trujillo mit der Ermordung von 30.000 Haitianerinnen und Haitianern im Oktober 1937. Man nennt es auch das Perejil-Massaker. Erschossen oder erdolcht wurden die, die das R im spanischen Wort „Perejil“, Petersilie, nicht richtig aussprechen konnten.

Ausbeutung der Haitianer wichtig für Billigtourismus

Dabei tragen die haitianischen Migranten erheblich zum Wirtschaftserfolg bei. Erst arbeiteten sie unter sklavenähnlichen Bedingungen auf den Zuckerrohrplantagen. Heute sind viele in der Baubranche tätig, die wesentlich vom boomenden Tourismus lebt. Ihre prekäre Aufenthaltssituation macht sie beliebt, da man sie manchmal nicht einmal bezahlen muss, wenn sie nach einer Razzia oder nach Anruf des Arbeitgebers abgeschoben werden.

Der Billigtourismus in die Domrep verdankt sich wesentlich ihrer Ausbeutung. Die dominikanische Baubranche, deren Korruption sprichwörtlich ist, profitierte auch vom Erdbeben in Haiti 2010: Sie verdiente Unsummen an der Beseitigung des Schutts, den das Erdbeben hinterlassen hatte.

In seiner Siegesrede sprach Abinader zum ersten Mal nicht über das „Migrationsproblem“, das wesentlich seinen Wahlkampf bestimmte. Manche sahen darin ein Zeichen, dass er in dieser Frage einen Gang zurückschalten werde. Schließlich ist Haiti der zweitwichtigste Handelspartner des Landes, und es leben Hunderttausende, vielleicht sogar eine Million Haitianer zum Teil seit Generationen in der Dominikanischen Republik. Ihnen wurde allerdings 2013 in einem beispiellosen Vorgang die Staatsbürgerschaft mit der Begründung entzogen, wer zwischen 1929 und 2010 von nicht-dominikanischen Eltern geboren wurde, müsse sie erneut beantragen.

Antihaitianische Xenophobie ist Teil des dominikanischen Selbstverständnisses geworden. So schrieb Dan Foote, ehemaliger Sonderbotschafter der USA für Haiti, nicht unbegründet zum Wahlsieg Abinaders: „Jetzt kann man den Käfig über Haiti dichtmachen.“



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