Die Vorwürfe kurz vor den Kommunalwahlen in Thüringen wiegen schwer: Der Sonneberger AfD-Stadtrat Alexander Escher, der erneut kandidiert, soll mehrfach in einer Bar die NS-Parole „Sieg Heil“ gerufen haben. Das hatte der Bar-Besitzer Marcel Rocho samt eidesstattlicher Versicherung zuvor gegenüber FOCUS online erklärt.
„Es wurde eine Strafanzeige von Amts wegen erstattet und somit ein Ermittlungsverfahren gemäß Paragraph 86a des Strafgesetzbuches eingeleitet“, teilte eine Sprecherin der Landespolizeidirektion Saalfeld FOCUS online am Donnerstag auf Anfrage mit.
Der Paragraph ahndet das Verwenden von „Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“. Eine Verurteilung kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen.
Bar-Besitzer Rocho: „Rauswurf und Hausverbot nach zwei ‘Sieg Heil’-Rufen“
Doch was genau war passiert? Rocho sagt, dass Escher ihm an einem Abend im Frühjahr 2022 unter den Gästen sofort aufgefallen war. Der Stadtrat, der auch im Jugend- und Kulturausschuss der thüringischen Urlauberstadt sitzt, habe ein hellblaues Polo-Shirt mit AfD-Logo getragen.
Auf dem T-Shirt eines Begleiters sei der Spruch „I Love HTLR“ aufgedruckt gewesen, so der Inhaber der „Gewölbe Bar“ weiter. HTLR steht in der Rechtsextremen-Szene für „Hitler“.
Wenig später habe der AfD-Stadtrat dann direkt am Tresen die Nazi-Parole „Sieg Heil“ statt „Prost“ gerufen, erinnert sich Rocho, der nach eigenen Angaben an jedem Abend selbst am Tresen die Gäste bediente.
Eine weitere Person bestätigt Rochos Angaben
Er habe den AfD-Stadtrat sofort verwarnt und gesagt, dass solche Worte in seiner Bar unerwünscht seien. „Kurz darauf hat Escher erneut ‘Sieg Heil’ gerufen. Ich habe ihn rausgeworfen und ihm Hausverbot erteilt“, so Rocho.
Eine weitere Person, die das Geschehen an dem Abend ebenfalls mitbekam, bestätigte seine Angaben gegenüber FOCUS online.
Escher, der auch Beisitzer im AfD-Gebietsvorstand des Kreises Sonneberg ist und von FOCUS online mit den Vorwürfen des Bar-Besitzers konfrontiert wurde, ließ eine Anfrage der Redaktion unbeantwortet.
An anderer Stelle bezeichnete er die Behauptungen als „frei erfunden“ und bestritt, jemals „Sieg Heil“ gerufen zu haben, den Rauswurf aus der „Gewölbe Bar“ sowie das Hausverbot.
Sonneberger Kreistagsabgeordneter tanzte lachend auf Holocaust-Stelen in Berlin
Es ist nicht das erste Mal, dass Sonneberg in den Fokus der Berichterstattung rückt. Im Jahr 2022 war ein anderer AfD-Politiker durch geschmackloses Verhalten aufgefallen: Holger Winterstein.
Der AfD-Kreistagsabgeordnete sorgte im Oktober 2022 für Entsetzen, als er Bilder in sozialen Medien teilte, die ihn stehend mit ausgebreiteten Armen auf einer der Stelen des Holocaust-Mahnmals in Berlin zeigten. Auf einigen Aufnahmen lacht er sogar.
Selbst der AfD-Bundesvorstand tadelte Winterstein für dieses „äußerst respektlose Verhalten“. Winterstein trat daraufhin zwar als Vize-Chef des AfD-Gebietsverbandes Sonneberg zurück, behielt jedoch sein Kreistagsmandat.
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Nach AfD-Landesverband nun auch „Junge Alternative“ als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft
Der AfD-Landesverband in Thüringen wurde bereits vor mehreren Jahren vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Vier Tage vor der Kommunalwahl und etwas mehr als drei Monate vor der Landtagswahl in Thüringen wurde am Donnerstag auch der Landesverband der „Jungen Alternative“ als „gesichert rechtsextremistisch“ einkategorisiert.
Zuletzt geriet die Thüringer Stadt Sonneberg samt gleichnamigem Landkreis sogar international in die Schlagzeilen, nachdem mit Robert Sesselmann am 25. Juni 2023 zum ersten Mal in Deutschland ein Politiker der AfD zum Landrat gewählt wurde.
Anklage oder Einstellung des Verfahrens gegen Escher noch offen
Die zuständige Staatsanwaltschaft Meiningen ist bislang nicht mit dem Fall des AfD-Stadtrats aus Sonneberg beschäftigt, wie ein Sprecher auf Anfrage von FOCUS online am Donnerstag erklärte.
Ob es zu einer Anklage kommt oder das Verfahren eingestellt wird, ist derzeit noch offen. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für alle Betroffenen die Unschuldsvermutung.