Kiel. Die 16 600 Mitarbeiter der Universitätskliniken (UKSH) Kiel und Lübeck sollen künftig wieder nach einem einheitlichen Tarifvertrag bezahlt werden. Seit 2008 besteht dort eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die 2100 Angestellten der UKSH-Tochtergesellschaft Service Stern Nord, zuständig zum Beispiel für die Reinigung, den Sicherheitsdienst, die Telefonzentralen, die Sterilisation von Medizinprodukten, die Logistik und Verpflegung, erhalten ihr Gehalt derzeit nach einem etwa 20 Prozent niedrigeren Haustarif. Mancher arbeitet knapp über dem Mindestlohn. Das soll sich ändern: Am Donnerstag beschloss der Landtag einstimmig, bis 2027 den Haustarifvertrag schrittweise dem Tarifvertrag der Länder (TVL) anzugleichen und die Tochtergesellschaft aufzulösen.

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Die Umsetzung könnte allerdings kompliziert werden, und das liegt hauptsächlich an den Mehrkosten. 2008 war das Land schon einmal extrem knapp bei Kasse und hatte erwogen, das komplette UKSH zu privatisieren. Um das zu verhindern, hatten die Gewerkschaften der Ausgliederung von Service-Kräften zähneknirschend zugestimmt. Wird diese Konstruktion nun zurückgedreht und zahlt man den Mitarbeitern wieder höhere Gehälter, steigen die Ausgaben nach Einschätzung von Finanzpolitikern um bis zu 17 Millionen Euro. Für diese Summe wird zunächst das UKSH aufkommen müssen – dabei schreibt man dort seit Jahren tiefrote Zahlen.

Heinold: Defizit am UKSH wird sich vergrößern

„Die Defizite am UKSH werden sich damit vergrößern“, sagte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) am Donnerstag. Laut EU-Recht dürfe das Land den entstehenden Fehlbetrag nicht übernehmen. „Auch deshalb ist es so wichtig, dass der Landtag seinen Beschluss heute in größtmöglicher Geschlossenheit getroffen hat.“

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CDU, Grüne, SPD, FDP und SSW hatten in einem gemeinsamen Antrag die Landesregierung gebeten, sich in den entsprechenden Gremien für dieses Ziel einzusetzen. Doch da beginne die Schwierigkeit, sagte Heinold: „Im Aufsichtsrat des UKSH können wir einem solchen Beschluss nicht zustimmen, weil der Aufsichtsrat dem Unternehmenswohl und damit der Wirtschaftlichkeit verpflichtet ist.“ Auch sei man dem UKSH-Vorstand gegenüber nicht weisungsbefugt. Deshalb prüfe die Landesregierung derzeit eine Änderung des Hochschulgesetzes.

Heinold zeigt Oppositionsführerin Midyatli einen Vogel

Vor allem bei der SPD, auf deren Initiative der Antrag zustande gekommen war, herrschte daraufhin eine Mischung aus Ratlosigkeit und Zorn. „Sie haben alle 2100 Beschäftigten wieder verunsichert“, warf Fraktionschefin Serpil Midyatli der Ministerin vor und redete sich so in Rage, dass Heinold ihr von der Regierungsbank einen Vogel zeigte. Dafür kassierte Heinold vom Präsidium eine Ermahnung, entschuldigte sich umgehend und versprach: „Wir wollen eine Lösung finden. Und wir werden eine Lösung finden.“ Auch an der Berliner Charité habe man sich eine solche Zielsetzung der Tarifangleichung gegeben. „Es ist gut, wenn wir uns mit anderen austauschen.“

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Bei den Angestelltenvertretern der Service Stern Nord, die im Landtag auf der Besuchertribüne saßen, herrschte Zuversicht. „Diese Zwei-Klassen-Gesellschaft muss aufhören“, sagte Betriebsrat Mariusz Godlewski. Andere UKSH-Mitarbeiter erhielten Weihnachtsgeld und hätten einen Inflationsausgleich bekommen. „Unsere Mitarbeiter sind bisher leer ausgegangen“, und die Geschäftsführung verbreite schlechte Stimmung. Der Tarifkampf gehe also weiter.

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Gewerkschaft fordert Stärkung der Belegschaft

„Die Umsetzung mag schwierig sein“, räumte Steffen Beckmann von der Gewerkschaft der Servicekräfte ein. Aber Fakt sei, dass die Belegschaft gestärkt und unbesetzte Stellen wiederbesetzt werden müssten, auch müsse der Krankenstand endlich wieder niedriger werden. „Deshalb kommt der Aufsichtsrat um eine Zustimmung nicht herum.“

Ob das konfliktfrei funktioniert, darf schon jetzt bezweifelt werden. Der UKSH-Vorstand hüllte sich am Donnerstag in Schweigen. Man werde sich vorerst nicht äußern, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.

KN



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