Mit 31.000 Betroffenen allein in Deutschland liegt Blasenkrebs auf Platz 10 der häufigsten Krebsarten. Er betrifft mehrheitlich Männer und Menschen über 70 Jahre. Dies und die Tatsache, dass sich die Symptome häufig schwer zuordnen lassen, führt zu einer Reihe Fehldiagnosen, die im Zweifel sogar Leben kosten können.

In einer umfassenden Befragung der World Bladder Cancer Patient Coalition wurde deutlich, dass vor allem Frauen und Menschen unter 55 Jahren von diesen Fehldiagnosen betroffen sind. So ist die Wahrscheinlichkeit für Frauen doppelt so hoch, zuerst mit einer anderen Krankheit fehldiagnostiziert zu werden. Von den Befragten gaben 18 Prozent der Frauen mit Blasenkrebs an, mindestens fünfmal einen Arzt aufgesucht zu haben, bevor ihre Beschwerden ernst genommen und sie an einen Spezialisten weiterverwiesen wurden.

Auch junge Frauen betroffen

„Man geht davon aus, dass jüngere Frauen nicht an Blasenkrebs erkranken, aber ich habe viele Frauen behandelt, bei denen die Diagnose im Alter zwischen 20 und 30 gestellt wurde“, sagt Onkologin Alison Birtle, die sich auf urologische Krebserkrankungen spezialisiert hat, gegenüber der „Daily Mail“. Die pauschale Annahme, Frauen unter 45 Jahren würden nicht an Blasenkrebs erkranken, beruhe auf sehr alten Daten. Man müsse endlich berücksichtigen, dass jeder erkranken könne.

Doch zu häufig werden die Symptome verkannt, anstelle des Krebses eine Harnwegsinfektion diagnostiziert. So berichtet es auch Helyn Glover, die 2019 wegen Blut im Urin ihren Hausarzt aufsucht. „Ich erinnere mich, dass ich einmal meinem Hausarzt eine Urinprobe übergeben habe, die nur aus reinem Blut bestand“, sagt die heute 58-Jährige. Statt weitere Untersuchungen anzustreben, diagnostiziert ihr der Arzt eine post-menopausale Blutung. „Mir wurde gesagt, dass es kein Grund zur Beunruhigung sei.“

Erst drei Jahre später wird zufällig bei einer Untersuchung ihrer Gebärmutter der Krebs in ihrer Blase entdeckt. Im Januar 2022 erhält sie die Diagnose Blasenkrebs, unterzieht sich daraufhin einer Operation und Chemotherapie. Obwohl sie heute krebsfrei lebt, sagen die Ärzte ihr, der Krebs werde wahrscheinlich zurückkehren. „Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass das vielleicht anders wäre, wenn es früher erkannt worden wäre“, so Glover.

Blasenkrebs: Auf diese Warnzeichen sollten Sie achten

Insgesamt ist das Bewusstsein über die Symptome, die auf Blasenkrebs hinweisen, noch sehr gering. So stellt es auch die Studie der World Bladder Cancer Patient Coalition fest. 54 Prozent der Befragten gaben dort an, nicht über Anzeichen und Symptome Bescheid zu wissen. Hinzu kommt, dass typische Symptome des Frühstadiums laut Deutschem Krebsforschungszentrum recht unspezifisch sind.

  • Wer regelmäßig verstärkten Harndrang verspürt und/ oder Schmerzen beim Wasserlassen hat, sollte dies mit einem Arzt abklären.
  • Blut im Urin oder eine rötlich-bräunlichen Verfärbungen kann ein Anzeichen für Blasenkrebs sein.
  • Auch unerklärlicher Gewichtsverlust, Erschöpfung und Schmerzen im Unterbauch können Hinweise auf einen Tumor sein.

Für Onkologin Birtle ist klar, dass weitere Tests in die Wege geleitet werden müssen, sobald „ein einziger Tropfen Blut im Urin“ zu finden ist. Auch die Deutsche Krebshilfe nennt Verfärbungen im Urin das Anzeichen, „das immer ernst genommen werden sollte“.

Höhere Sterblichkeit bei Frauen

Ein Bewusstsein für Symptome kann die Wahrscheinlichkeit der Sterblichkeit senken. So postulieren die Ergebnisse der Befragung, dass eine verzögerte Diagnose eine vollständige Heilung erschwert. Gerade Frauen befänden sich häufig in einem gefährlichen Zyklus von Fehldiagnosen und verzögerten Behandlungen, sagt Lydia Makaroff, Geschäftsführerin der Wohltätigkeitsorganisation „Fight Bladder Cancer“.

Dies könnte auch eine Erklärung für die höhere Sterblichkeitsrate bei Frauen sein. Während Männer dreimal so oft von Blasenkrebs betroffen sind, haben Frauen eine niedrigere 5-Jahres-Überlebensrate: Diese liegt in Deutschland bei 46 Prozent. Zum Vergleich: Bei Männern liegt sie bei 58 Prozent. Das Team hinter der Befragung macht die späten Diagnosen und damit oft fortgeschritteneren Stadien des Krebses bei Frauen verantwortlich.

„Frauen warten länger auf eine Diagnose als Männer, wobei jüngere Frauen am längsten warten“, sagt Makaroff. Dies führt im Zweifel zu schweren Krankheitsverläufen, weshalb unbedingt den Symptomen entsprechende Tests durchgeführt werden müssten. So auch das Fazit der Befragung: Für Frauen braucht es eine dringende Verbesserung der Blasenkrebs-Diagnose.





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