Nachdem am Wochenende bereits eine Entscheidung über den Landesvorsitz der SPD gefallen war, wurden nun auch die Weichen in der Fraktion im Abgeordnetenhaus personell gestellt. Es ändert sich wenig. Raed Saleh, der die Fraktion bereits seit 2012 anführt, wurde erneut gewählt. 25 der 33 abstimmenden SPD-Abgeordneten gaben ihm seine Stimme. Das entspricht 76 Prozent der abgegebenen Stimmen. Auf den Ex-Finanzsenator Matthias Kollatz, der sich spontan zu einer Kandidatur entschlossen hatte, entfielen acht Stimmen.
Mit der Wahl gelingt dem Taktiker Saleh erneut ein Schachzug, um seine Macht zu sichern. Eigentlich galt er schon als abgeschrieben: Im ersten Wahlgang beim SPD-Mitgliederentscheid für den Landesvorsitz kam er auf gerade mal 15,7 Prozent. Saleh, der als gemäßigter Linker gilt, hatte sich zudem zuletzt bei beiden Flügeln unbeliebt gemacht. Der linke Parteiflügel trägt ihm weiter nach, die SPD nach der verlorenen Abgeordnetenhauswahl in eine Koalition mit der CDU geführt zu haben. Der rechte Flügel wiederum hält Salehs Kerninhalte – die Gebührenfreiheit weiter Teile der städtischen Infrastruktur – für nicht finanzierbar.
Um am Ende doch noch zu triumphieren, setzte Saleh die Fraktion unter Zugzwang. Die eigentlich erst für Juni vorgesehene Vorstandswahl zog er auf Dienstag vor. Die Überrumpelungstaktik zog viel Kritik auf sich. Der beim SPD-Mitgliederentscheid erfolgreiche Martin Hikel verwies gegenüber dem »Tagesspiegel« darauf, dass sich die SPD-Mitglieder für einen »klaren Neustart« ausgesprochen hätten. »Davon losgelöst kann man keine Entscheidung treffen«, so der designierte Landesvorsitzende. Noch deutlicher wurde Kian Niroomand, der unterlegene linke Kandidat für den Landesvorsitz. »Das ist genau der Stil, den viele Parteimitglieder nicht mehr wollen«, sagte er am Samstag bei der Vorstellung des Ergebnisses des Mitgliederentscheids.
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Angekommen ist diese Kritik offenbar nicht. Auch eine Doppelspitze als Kompromisslösung wurde bei der Fraktionssitzung am Dienstag abgeschmettert. Stattdessen soll eine Arbeitsgruppe über das Modell beraten, das damit frühestens 2026 eingesetzt werden könnte. Bis dahin darf Saleh alleine durchregieren.
Auch ein anderer SPD-Politiker, der seine Halbwertszeit schon länger überschritten hat, durfte sich am Dienstag über seine Wiederwahl freuen. Als einer der vier Stellvertreter Salehs wurde der Reinickendorfer Abgeordnete Jörg Stroedter wiedergewählt. Stroedter war zuletzt innerparteilich in Kritik geraten. Der Wirtschaftspolitiker nahm einst zu Zeiten des rot-roten Senats eine wichtige Rolle ein, inzwischen gilt er als inhaltlich schwach. Im April musste er auf den Kreisvorsitz der SPD in Reinickendorf verzichten, nachdem sich abzeichnete, dass er nicht wiedergewählt werden würde. Stattdessen führt nun der Parteilinke Gilbert Collé den Verband. Für den Fraktionsvorstand reichte es für Stroedter trotzdem.
Mit Spannung wird nun auf den Höhepunkt dessen geblickt, was von Medien bereits die »Schicksalswoche« der Berliner SPD genannt wurde. Am Samstag kommen die Sozialdemokraten zu ihrem Landesparteitag zusammen. Das im Mitgliederentscheid erfolgreiche Kandidatenduo Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini soll dort formal bestätigt werden. Der scheidende Landesvorsitzende Saleh soll den Parteitag eröffnen.