Kiel. Es kostet schon ein wenig Überwindung, die Unterführung vom Vinetaplatz zum Parkhaus zu durchqueren. Der Boden ist voll mit Taubenkot. Eklig wird es, wenn man an die Decke blickt.

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Überall kleben Taubenfedern an Kot, und zwischendrin hängt der Flügel einer toten Taube aus der grünen Deckenverkleidung. Die Küken, die zwischen den Kadavern in dem Deckenhohlraum aufwachsen, zwitschern hoch. Dort, wo Deckenpaneele fehlen, sitzen aufgereiht die grauen Vögel und glotzen hinab. Hat man den Durchgang unversehrt passiert, wird es nicht besser: Im Hof liegt Dreck und Müll, dazwischen suchen die Tauben in Scharen nach Nahrung. Das Problem ist lange bekannt. Nun setzt sich der Ortsbeirat Gaarden für eine Lösung ein.

Der Ortsbeirat will von der Verwaltung wissen, „ob die Beregnung von Passanten mit Kot, Nistbaumaterial und den festen und flüssigen Überresten toter Tauben aus gesundheitlichen Gesichtspunkten zulässig ist“. Und ob dieses Taubenquartier überhaupt aus tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten haltbar sei. Außerdem verlangt der Ortsbeirat Aufklärung darüber, mit welchen Maßnahmen man die Situation möglichst schnell beenden könnte.

Die Maßnahmen der Vergangenheit, das kann jeder sehen, waren nicht zielführend. An sämtlichen Vorsprüngen des Gebäudes sind sogenannte Spikes angebracht. Diese zentimeterlangen Metalldornen sollen verhindern, dass sich die Tiere niederlassen. Teils nisten sie aber dazwischen. „Diese Vergrämungsmethoden bringen nichts“, meint Aytan Atas, Vorsitzende des Vereins der Taubenfreunde.

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Wenn man die Vögel an einer Stelle vergrämt, tauchen sie woanders geballt wieder auf. Normalerweise nisten sie verstreut. „In diesen Durchgängen konzentriert es sich jetzt, weil die Tiere woanders keinen Platz mehr haben – irgendwo müssen sie ja hin.“ Vor Jahren seien es nur wenige gewesen, inzwischen seien es allein in diesem Gebäudekomplex mehr als 300 Tauben.

Schlimme Zustände in Gaarden: „Die Jungtauben werden aufgespießt“

Eine Projektmitarbeiterin aus dem Vinetazentrum, deren Arbeitsplatz an den Gang angrenzt, berichtet, dass die Jungtauben bei ihren ersten Flugversuchen in den Metalldornen hängen bleiben und aufgespießt werden. Und wenn sie auf dem Boden landen, würden sie von den Ratten gefressen.

Die 40-Jährige, die ihren Namen nicht nennen will, berichtet auch, dass Hausbewohner aus den oberen Stockwerken regelmäßig Essensreste in den Hof schmeißen: „Neulich hat jemand seinen Nudeltopf ausgeleert. Die Leute denken sich wahrscheinlich, es sei besser, die Tiere zu füttern, als das Essen wegzuschmeißen. Aber es kommen nicht nur die Tauben, sondern auch die Ratten.“

Die Metalldornen, die die Tauben vergrämen sollen, nützen kaum etwas, die Tauben nisten sich trotzdem in den Durchgängen zu den Hinterhöfen ein. Verendete Tiere verwesen unter der Deckenverkleidung.

Die Metalldornen, die die Tauben vergrämen sollen, nützen kaum etwas, die Tauben nisten sich trotzdem in den Durchgängen zu den Hinterhöfen ein. Verendete Tiere verwesen unter der Deckenverkleidung.

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Die Stadt Kiel erklärt auf Nachfrage das Taubenproblem mit der beschädigten Deckenverkleidung: „Die Unterführung wird aufgrund von baulichen Schäden (beschädigte oder fehlende Paneele) von Stadttauben als Nistplatz genutzt.“ Für das Verschließen wären laut Stadt die Eigentümer verantwortlich. Dies „würde jedoch zu einem zusätzlichen Tierschutzproblem führen, da dadurch brütende Tauben und Nestlinge eingeschlossen würden und durch Wasser- und Nahrungsmangel verenden würden.“ Nach Informationen der Stadt plane die Eigentümergemeinschaft aber einen Abbau und eine Sanierung der Deckenverkleidungen. Die Taubennestlinge würden dabei artgerecht umquartiert.

Ein Taubenhaus auf dem Parkhausdach als Lösung für Kiel-Gaarden

In der Ortsbeiratssitzung wurde hingegen als Lösung die Errichtung eines Taubenhauses diskutiert. Während die Nistplätze unter der Deckenverkleidung für die ehrenamtlichen Taubenfreunde unerreichbar sind, wollen sie laut Aytan Atas in einem künftigen Taubenhaus alle neu gelegten Eier durch Gips- oder Plastikeier austauschen. „Wir gehen davon aus, dass wir so die Anzahl der Tauben extrem senken können“, versprach sie im Ortsbeirat.

Nils Horstmeyer vom Stadtplanungsamt bestätigte im Ortsbeirat, dass die Stadt über ein Taubenhaus im Innenhof nachdenke. Die Grünflächen im Innenhof kämen jedoch nicht infrage, da sie als Spielplätze ausgewiesen seien, was ein Taubenhaus ausschließe. Horstmeyer deutete aber an, dass über ein Taubenhaus auf dem Dach des alten Parkplatzes nachgedacht werde, wobei die Sicherungsfragen noch nicht ungeklärt seien.

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Auf Nachfrage heißt es seitens der Gebäudeeigentümerin, der Inspiration Group aus Berlin, dass diese ein Taubenhaus auf dem Dach des Parkhauses begrüße. Die Inspiration Group ist Hauptanteilseigner des Parkhauses.

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Die Ortsbeiratsvorsitzende Edina Dickhoff kommentierte die Diskussion um den Standort mit den Worten: „Mir ist völlig egal, wo so ein Taubenhaus steht. Hauptsache, die Situation verbessert sich.“ Der jetzige Ort unten im Durchgang, sagt sie, sei jedenfalls „kein Taubenhotel, sondern die Taubenhölle“.

KN



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