Mark Wahlberg war einst ein Unterwäschemodell. Bis er durch Alex Christensen als Marky Mark zum Star wurde. Seit über 30 Jahren ist der DJ, der einst mit der Gruppe U96 auf der Technowelle surfte, erfolgreich im Geschäft. Nach Produzentenjobs für so unterschiedliche Interpreten wie Right Said Fred, Tom Jones oder Helene Fischer ist der Hamburger seit Jahren mit seinen Greatest-Techno-Hits auf Tour. Sein Konzept die Hits von einst live von einem Orchester begleiten zu lassen, hat sich beim Publikum bewährt.

AZ: Herr Christensen, Sie hatten Ihre größten Erfolge in den 90er Jahren mit Techno-Musik. Wie blicken Sie heute auf diese von Kritikern oft belächelte Zeit?

ALEX CHRISTENSEN: Ich bin kein Nostalgiker, sondern lebe im Hier und Jetzt. Für mich ist Musik aber auch wie guter Wein. Die wird im Alter immer besser. In diesem Zusammenhang finde ich es schon schade, dass die Hits aus den 90ern so lange unter dem Radar liefen. Heute wendet sich aber das Blatt, das sieht man bereits an der großen Nachfrage nach der Musik dieser Zeit.

Ihre Tourneen firmieren als “Classical 90s”. Wie wählen Sie als Geschichtslehrer in Sachen elektronischer Musik die einzelnen Titel aus?

Ich bin da egoistisch. Zum einen muss ich eine Beziehung zu dem jeweiligen Song haben. Zum anderen funktionieren einige Arrangements mit Orchester einfach nicht. Bestes Beispiel dafür ist “Cotton Eye Joe” von Rednex. Der Song hätte etwas von einer Operette und wäre mit einem Orchester lächerlich überzogen.

Gibt es denn Erfolge, für die Sie sich heute schämen? Wie zum Beispiel “Du hast den schönsten Arsch der Welt”.

Nein. Ich bin sogar stolz auf diesen Titel. Wenn ein Mann ihn singen würde, wäre er sexistisch. Aber das ist nicht der Fall. Hier singt, und das ist der Bruch, eine Frau, die sich mit einem männlichen Körperteil beschäftigt. Für mich ist das eine Hymne der weiblichen Emanzipation. Der Song wird auch auf LGBT-Veranstaltungen rauf und runter gespielt.

Es gab bereits viele Versuche Heavy Metal oder HipHop mit klassischer Musik zu mixen. Warum bietet sich dieses Arrangement für Techno an?

Ganz simpel erklärt: Du machst die Tür einer Garage auf und findest dort zehn verrostete Ferraris. Und dann komme ich und verwandle die alten Autos in Neuwagen. Heißt, dass die Songs sich jetzt wieder frisch anhören, aber von mir noch mit einem Orchester aufpoliert werden. So verschwindet auch die Patina der alten, manchmal sperrigen Arrangements. Dieses Herausarbeiten, um die musikalischen Ferraris von einst wieder zum Glänzen zu bringen, ist eine meiner Stärken.

Wie setzt sich das Publikum bei ihren Konzerten zusammen?

Die meisten Tickets werden von Frauen bestellt. Sie entscheiden also auch, wo man hingeht und wer sie begleitet. Häufig sind das ihre Kinder, die mit der Musik der Eltern sozialisiert wurden. Für mich sind diese Familienbesuche genial, weil ich denke, dass ich mit meiner Musik doch in Würde altern kann.

Viele Musiker arbeiten auf ihren Tourneen mit festen Setlists. Wie überraschen Sie sich und ihr Publikum?

Unser Repertoire besteht aus 100 Songs, die wir jederzeit abrufen können. Und ich bringe mein Orchester dann auch gerne mal ins Schwitzen, wenn ich ins Publikum frage: “Was wollt ihr hören aus den 90ern?” Diese Spontaneität ist natürlich nur möglich, weil ich mit exzellenten und auch jederzeit flexiblen Musikern auf der Bühne stehe.

Stichwort Musiker. Viele Ihrer Solisten spielen regulär bei den Berliner Symphonikern. Wo besteht für diese Künstler der Reiz, bei einer Technoveranstaltung aufzutreten?

Stellen Sie sich mal vor, wie das ist, wenn sich das eigene Leben auf 45 Zentimeter abspielt. Ein Stück Holz mit ein bisschen Metall. Und du trainierst zwischen 12.500 und 21.000 Stunden mit diesem Instrument, um bestimmte Sachen zu spielen. Und nachdem du das zehn Jahre lang mit den immer gleichen Stücken exerzierst hast, kommt ein beknackter DJ vorbei und erklärt dir, dass du jetzt etwas völlig anderes machen sollst und bitte “Sandstorm” von Darude einübst. Dann ist das wie ein Sport, richtig harte physische Arbeit. Aber nur so kommt man aus seiner Komfortzone und wächst an neuen Herausforderungen.

Einen klassischen Orchestergraben findet man auf ihren Konzerten nicht.

Bei mir ist ein Orchester keine Tapete. Die Musiker müssen tanzen, singen, sich bewegen und auch nach vorne kommen, wenn ich Sie vor dem gesamten Publikum ausrufe.

DJ statt Dirigent. Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit den Musikern vorstellen?

Ich versuche der liebe Herbergsvater zu sein. Es hat aber auch seinen Reiz aus der Anonymität des Orchesters herauszutreten. Mein Anspruch ist es Stars aus meinen Musikern zu machen, indem ich ihre Namen sage und ihnen Soloauftritte gebe. Mittlerweile sind sie so bekannt, dass bereits gejubelt wird, wenn ich sie bloß erwähne.

Von vielen Stars der Techno-Szene hört man nichts mehr. Waren Sie immer so diszipliniert wie René Baumann alias DJ Bobo?

Ich muss zugeben, dass die 90er Jahre bei mir ziemlich vernebelt waren. Wir haben extrem viel gefeiert. Das hat sich erst später gebessert. Ganz anders René. Der hat früh seine Marke gepflegt und erkannt, dass die Musik irgendwann nicht mehr angesagt ist. Sein geniales Konzept war es dann ein Konzept für eine Familienshow zu entwickeln. Ich bin ihm – bezogen auf Erfolge – aber auf den Fersen.

Alex Christensen & The Berlin Orchestra, 11. Juni im Circus Krone





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