Washington. Erst ging es um trockene Bilanzen, dann um die Lügenkampagnen der amerikanischen Regenbogenpresse und schließlich um einen detailliert geschilderten One-Night-Stand ohne Kondom. Doch kurz vor seinem Ende mutiert Trumps Schweigegeldprozess, der seit fünf Wochen vor dem New Yorker Kriminalgericht läuft, von einer pikanten Seifenoper zum atemberaubenden Mafia-Thriller.

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Am Montag erschienen im Saal 1530 des Justizgebäudes zwei Anwälte aus dem engeren Trump-Kosmos. Der eine, Michael Cohen, hatte für den Milliardär einst als „Fixer“ gearbeitet, also als Ausputzer in schwierigen Fällen. Der andere, Robert Costello, hat beste Beziehungen zu Trumps Vertrautem Rudy Giuliani. Cohen ist der Kronzeuge der Anklage. Costello wurde kurzfristig von der Verteidigung vorgeladen. Einst hatte Cohen bei Costello Rat gesuch. Inzwischen haben sich die beiden Männer über unbezahlte Rechnungen zerstritten und sind sich inzwischen in herzlicher Feindschaft zugetan.

Augenrollen und Fluchen

Der 76-jährige Costello, ein Mann mit weißen Haaren und heftigem Temperament, versuchte den wichtigsten Belastungszeugen Cohen nicht nur als opportunistischen Lügner darzustellen. Er provozierte mit dem Zwischenruf „Jeez“ – zu deutsch etwa: Herrje! – und bösen Blicken auch den Richter Juan Merchan so, dass dieser kurz den Saal räumen ließ. Bei der anschließenden Belehrung nannte er Costellos Verhalten „verächtlich“ und drohte ihm mit der Entfernung aus dem Zeugenstand. Die zwölf Geschworenen, die über die mögliche Verurteilung von Ex-Präsident Donald Trump entscheiden müssen, hatten nach Augenzeugenberichten bis dahin das chaotische Spektakel gebannt verfolgt. Trump aber wütete draußen vor der Tür: „Das war eine unglaubliche Darbietung!“. Den Richter nannte er einen Tyrannen.

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Die Zeichnung aus dem Gericht zeigt Donald Trump (l) beim zusehen, wie Verteidiger Emil Bove den Zeugen Robert Costello (r) befragt.

Die Zeichnung aus dem Gericht zeigt Donald Trump (l) beim zusehen, wie Verteidiger Emil Bove den Zeugen Robert Costello (r) befragt.

Vor dem Eklat schien die Beweisaufnahme eher unspektakulär auszulaufen. Es zeichnete sich ab, dass Trump als Angeklagter entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung doch nicht selbst aussagen will. Die Anklage wirft ihm vor, eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar an seine Ex-Affäre Stormy Daniels bewusst in den Geschäftsunterlagen falsch verbucht zu haben, um so Negativfolgen für seine Wahlkampagne im Herbst 2016 zu vermeiden. Von einer Aussage dürften Trumps Anwälte ihrem Mandanten dringend abgeraten haben, weil er dann unter Eid auch Fragen der Anklage zu der von ihm bestrittenen Affäre beantworten müsste.

Ein Zeuge mit Gefängnis-Erfahrung

Trumps einstiger „Fixer“ Cohen hatte seinen früheren Chef schon in der vergangenen Woche schwer belastet. Nach seiner Darstellung wusste der Präsidentschaftskandidat nicht nur über die Zahlungen an Stormy Daniels Bescheid, sondern hatte sie selbst veranlasst, weil er bei einem Bekanntwerden des Seitensprungs kurz nach der Geburt seines Sohnes Barron fürchtete, weibliche Wählerstimmen zu verlieren. Allerdings ist Cohen, der zeitweise mit mehr oder weniger krummen Geschäften vier Millionen Dollar verdiente, kein idealer Hauptbelastungszeuge: Immerhin hat der 57-Jährige lange für Trump gelogen und saß schon einmal für mehr als ein Jahr im Gefängnis.

Am Montag musste Cohen einräumen, dass er seinen ehemaligen Arbeitgeber auch bestohlen hat. In Trumps Auftrag hatte er nämlich eine Online-Umfrage über die „berühmtesten Geschäftsmänner der vergangenen 50 Jahre“ zu manipulieren versucht. Der Firma, die den Algorithmus verfälschen sollte, waren 50.000 Dollar versprochen worden. Cohen erhielt das Geld in bar, leitete aber laut eigenem Eingeständnis aus Verärgerung über die Kürzung seines Jahres-Bonus durch Trump nur 20.000 Dollar in einer braunen Papiertüte weiter. Für Trumps Anwälte belegt der Vorgang, das der Ex-„Fixer“ ein Betrüger ist. Allerdings wurde die Zahlung wie das Schweigegeld von der Trump-Organisation als „Anwaltskosten“ verbucht, was man durchaus als Beleg für die gezielte Verschleierungstaktik sehen kann, um die es in dem Prozess geht.

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Robert Costello soll nun als Zeuge der Verteidigung Cohens Glaubwürdigkeit endgültig untergraben. Der Anwalt berichtete vor Gericht, wie sich Cohen 2018 angeblich verzweifelt hilfesuchend an ihn wandte. Das FBI hatte kurz zuvor das Büro des „Fixers“ durchsucht. Mutmaßlich fürchtete dieser, von Trump fallen gelassen und zum Schuldigen gestempelt zu werden. Jedenfalls soll er Costello nach dessen Worten um Hilfe gebeten und versichert haben, dass Trump von den Schweigegeldzahlungen nichts wisse und er für diesen keine Gefahr darstelle: „Ich schwöre zu Gott: ich habe nichts gegen Trump in der Hand.“

Die Verteidigung drängte Richter Merchan nach dieser Aussage, den Prozess einzustellen. Eine Entscheidung steht noch aus. Nach bisheriger Planung sollen am kommenden Dienstag Anklage und Verteidigung ihre Schlussplädoyers vortragen. Danach wird Merchan die zwölf Geschworenen einweisen. Anschließend muss die Jury zu einem einstimmigen Urteil kommen. Wenn nur ein einziges Mitglied ausschert, ist das Verfahren gescheitert.



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