Teheran. Im Iran hat nach dem Tod von Präsident Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz der oberste geistliche Führer den Ersten Vizepräsidenten Mohammad Mochber zum Interimsnachfolger ernannt. Dies teilte Ajatollah Ali Chamenei in einer Beileidsbekundung mit. Er kündigte außerdem fünf Tage Staatstrauer an.
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Bei dem Unglück mit dem Präsidenten-Hubschrauber kamen nach Informationen staatlicher Medien alle Insassen ums Leben. Unter den insgesamt neun Toten befinden sich demnach auch Raisi und Außenminister Hussein Amirabdollahian, wie die Nachrichtenagentur Irna und das Staatsfernsehen am Montagmorgen berichteten.
An der Absturzstelle hatten die Rettungskräfte bereits zuvor keine Anzeichen für Überlebende gefunden, hieß es. Von offizieller Seite hatte es zunächst keine Bestätigung zum Schicksal der neun Insassen gegeben. Später kam nach Darstellung der Staatsmedien des Landes dann die Bestätigung, dass Raisi und Amirabdollahian unter den Toten seien.
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Bilder von der mutmaßlichen Absturzstelle veröffentlicht
Die Agentur Irna hatte zuvor schon von einer Drohne aufgenommene Bilder veröffentlicht, die Trümmerteile eines völlig zerstörten Helikopters an einem Berghang zeigen. Weitere iranische Medien zeigten Bilder eines ausgebrannten Wracks.
Die türkische Luftwaffe hatte eine verdächtige Hitzequelle ausgemacht und die Koordinaten des entsprechenden Ortes übermittelt. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu verbreitete ein Luftbild mit einem schwarzen Fleck, der sich deutlich von seiner Umgebung abhebt.
Witterungsbedingungen erschweren Rettungseinsatz
Raisi war am Sonntagnachmittag zusammen mit Außenminister Amirabdollahian auf der Rückreise von einem Treffen mit dem Präsidenten von Aserbaidschan, Ilham Aliyev, als ihre Maschine bei dichtem Nebel vom Radar verschwand. Gemeinsam hatten sie im Nachbarland einen neuen Staudamm eingeweiht. Mit insgesamt drei Hubschraubern machte sich der Tross danach auf den Rückweg in den Iran – doch die Präsidentenmaschine kam nicht an ihrem Bestimmungsort an.
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Der Helikopter verunglückte laut den Berichten staatlicher iranischer Medien im Westen des Landes. Die Retter suchten aufgrund des widrigen Terrains die Unglücksstelle erst zu Fuß ab. Sie vermuteten sie bereits am späten Sonntagabend (Ortszeit) in bergigem Terrain, wie ein Reporter im Staatsfernsehen sagte. Die Route sei matschig und fernab von Straßen. Auch das Wetter habe den Zugang zum Absturzort erschwert. Ein Journalist des iranischen Fernsehens stand während einer Liveschalte aus der Provinz mitten in dichtem Nebel.
Am Abend hatte es noch geheißen, Retter hätten Kontakt zu zwei Insassen herstellen können. In einem Interview des Staatsfernsehens sagte der Vizepräsident für Exekutivangelegenheiten, Mohsen Mansuri, dass mehrfach bereits eine Verbindung mit der Besatzung aufgenommen worden sei. Nähere Details gab der Politiker am späten Sonntagabend nicht bekannt. Ob seine Behauptung zutraf, war zunächst unklar.
Kabinett hält Notsitzung ab – politische Krise droht
Irans Kabinett kam am Montagmorgen erneut zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, wie Medien des Landes übereinstimmend berichteten. Bereits am Sonntagabend hatte es eine Notsitzung abgehalten. Der erste Vizepräsident Mohammed Mochber hatte diese geleitet, wie Irna berichtete. Er hatte weitere Maßnahmen für die Rettungsaktion eingeleitet. Mochber ist gemäß Protokoll nun übergangsweise Regierungschef.
Der oberste religiöse Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, versicherte, dass der Vorfall die Regierungsgeschäfte nicht beeinträchtigen werde. „Die iranische Nation sollte sich keine Sorgen machen. Es wird keine Unterbrechung der Aktivitäten des Landes geben”, sagte er laut Irna.
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Der Religionsführer übertrug die Amtsgeschäfte an Mochber und beauftragte ihn, gemeinsam mit der Spitze der Justiz und des Parlaments innerhalb von 50 Tagen Neuwahlen zu organisieren. Chamenei drückte Raisis Familie und den Angehörigen der weiteren Opfer des Helikopterunglücks sein Beileid aus.
Diese vom iranischen Präsidialamt verbreitete Aufnahme zeigt Ebrahim Raisi, Präsident des Irans, bei einem Besuch in einem von Überschwemmungen betroffenen Gebiet (Archivbild aus dem Juli 2022).
Quelle: Iranian Presidency/ZUMA Press Wi
Vizeaußenminister Ali Bagheri, der zuletzt eine führende Rolle als Unterhändler bei den Atomverhandlungen mit dem Westen hatte, wurde zum geschäftsführenden Außenminister ernannt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna weiter berichtete.
Chamenei bezeichnete Raisi als „unermüdlich“. Das iranische Volk habe einen „wertvollen und aufrichtigen Menschen verloren“, wurde er weiter zitiert.
Irans oberster religiöser Führer, Ajatollah Ali Chamenei
Quelle: IMAGO/ZUMA Press Wire
Beileidsbekundungen aus mehreren Ländern
Aus verschiedenen Staaten erhielt die Führung in Teheran am Morgen Beileidsbekundungen. Der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif etwa rief einen Tag der Trauer für sein Land aus. Auf der Plattform X schrieb er, Raisi und Amirabdollahian seien enge Freunde Pakistans gewesen. Auch der pakistanische Staatspräsident Asif Ali Zardari äußerte sich bestürzt über den Tod Raisis. Indiens Premier Narendra Modi erklärte bei X, er habe die Nachricht vom Tod Raisis mit tiefer Trauer aufgenommen. Indien stehe „in dieser Zeit des Schmerzes“ an der Seite des Iran.
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Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev gab sich ebenfalls entsetzt: „Mit Ebrahim Raisi hat das iranische Volk einen herausragenden Staatsmann verloren, der seinem Land sein ganzes Leben lang mit Hingabe und Einsatz gedient hat“, hieß es in einem in Baku veröffentlichten Beileidstelegramm. „Sein Andenken wird immer in unseren Herzen weiterleben.“
Der irakische Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani, dessen Regierungskoalition Teheran nahe steht, sprach von „großer Trauer“ über den Tod Raisis. Er wolle „dem brüderlichen iranischen Volk“ sein Mitgefühl ausdrücken, ergänzte er. Ähnlich äußerte sich ein Führer der Huthi-Miliz im Jemen, die in ihrem seit Jahren andauernden Kampf gegen die international anerkannte jemenitische Regierung vom Iran unterstützt wird.
Droht ein innenpolitischer Machtkampf?
Das Unglück könnte die Islamische Republik in eine politische Krise stürzen. Mangels Alternativen dürfte sich die Suche nach einem langfristigen Nachfolger für Raisi schwierig gestalten. Insbesondere Amirabdollahian war als Außenminister seit dem Beginn des Gaza-Kriegs verstärkt in die Öffentlichkeit gerückt und hatte zahlreiche Reisen zu Verbündeten unternommen.
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Sollte das Präsidentenamt neu besetzt werden müssen, könnte in Teheran ein Machtkampf ausbrechen, schrieb der Iran-Experte Arash Azizi in einer Analyse für die US-Zeitschrift „The Atlantic“. Raisis Passivität habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt. Diese würden seine schwache Präsidentschaft jetzt umso mehr als Chance sehen, schrieb Azizi. „Der Tod von Raisi würde das Machtgleichgewicht zwischen den Fraktionen innerhalb der Islamischen Republik verändern.“
Türkei und Russland bieten Hilfe an
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bot dem Iran Hilfe an. Sein Land sei bereit, „jede notwendige Unterstützung zu leisten“, schrieb Erdogan am Sonntag auf der Plattform X. Aus Russland kam am selben Abend ein ähnlich lautendes Hilfsangebot: Man sei bereit, jede Unterstützung bei der Suche nach dem Hubschrauber und der Untersuchung der Ursachen des Vorfalls zu leisten, so eine Sprecherin in Moskau.
In Raisis Heimatstadt Maschhad im Nordosten des Landes versammelten sich Dutzende Gläubige in dem zentralen Pilgerschrein, wie der staatliche Rundfunk berichtete. Auch in anderen Landesteilen wie der religiösen Hochburg Ghom strömten Anhänger in die Moscheen. In den sozialen Medien hingegen gab es auch viele Iranerinnen und Iraner, die sich über das Unglück freuten. Raisis Regierung steht seit Jahren wegen ihrer erzkonservativen Wertvorstellungen, der Unterdrückung von Bürgerrechten und der schweren Wirtschaftskrise unter Druck.
Krisen-Radar
RND-Auslandsreporter Can Merey und sein Team analysieren die Entwicklung globaler Krisen im wöchentlichen Newsletter zur Sicherheitslage – immer mittwochs.
Viele Flugzeuge und Hubschrauber gelten als veraltet
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Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran. Viele der Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.
Menschen beten für Präsident Ebrahim Raisi bei einer Zeremonie auf dem Vali-e-Asr-Platz im Zentrum von Teheran.
Quelle: Vahid Salemi/AP
Israelische Medien: Land hat nichts mit dem Absturz zu tun
Die Regierung in Israel äußerte sich bislang nicht offiziell zu den Ereignissen im verfeindeten Iran. Medien berichteten jedoch unter Berufung auf namentlich nicht genannte Kabinettsvertreter, dass Israel nichts mit dem Absturz zu tun habe. Nach Einschätzung der Zeitung „Jediot Achronot“ erwartet die politische Führung keine größeren Auswirkungen durch den Tod von Raisi und Amirabdollahian auf den jüdischen Staat: Man gehe nicht von einer Änderung der Politik der Islamischen Republik gegenüber Israel aus.
Die einzige Frage sei nun, wer den iranischen Präsidenten ablösen werde. „Ranghohe Regierungsvertreter in Jerusalem gehen abgesehen von Veränderungen innerhalb des Iran nicht davon aus, dass es Auswirkungen für Israel geben wird, weil die Person, die Entscheidungen über das iranische Atomprogramm und die antiisraelische Terrorkampagne trifft, Ajatollah Ali Chamenei ist“, schrieb das Blatt. „In dem Bereich wird Raisis Tod keinen Unterschied machen, weder zum Guten noch zum Schlechten.“
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Quelle: RND
Raisi gewann letzte Präsidentenwahl nur mit 62 Prozent
Raisi wurde im August 2021 als neuer Präsident des Iran vereidigt. Der erzkonservative Kleriker wurde damit offiziell Nachfolger von Hassan Ruhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Als Spitzenkandidat der politischen Hardliner sowie Wunschkandidat und Protegé des obersten Führers Chamenei hatte Raisi die Präsidentenwahl dann mit knapp 62 Prozent der Stimmen gewonnen.
Der 1960 in Maschad im Nordosten des Iran geborene Raisi galt innerhalb des islamischen Systems als sehr einflussreich. Er pflegte auch ein enges Verhältnis zu Chamenei. Raisi war über drei Jahrzehnte in der Justizbehörde tätig, 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. Ihm wurde nachgesagt, dass er in seiner früheren Funktion als Staatsanwalt auch für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sei. Laut Verfassung war Raisi nur die Nummer zwei im Land, weil Chamenei das eigentliche Staatsoberhaupt ist und das letzte Wort in allen strategischen Belangen hat.
RND/AP/dpa/bab/sth/janp