Übersee – Ist das schon richtig? Wer sich auf den Weg zum Restaurant “June” in Übersee am Chiemsee macht, der ist zwangsläufig verwirrt. Die AZ-Redakteurin steht irgendwo zwischen FKK-Badestelle und Campingplatz und darf nicht mehr weiterfahren auf dem Feldweg neben der Autobahn. Versteckt sich hier draußen tatsächlich Rico Birndt, der bereits einen Michelin-Stern in München bekommen hat?

Ja, tatsächlich. “Eigentlich wollte ich am liebsten ein Restaurant mitten im Nirgendwo eröffnen”, sagt Rico Birndt der AZ und grinst. Den ehemaligen Koch des Mural Farmhouse in Sendling hat es wieder zurück in die Heimat gezogen, wenn auch nicht ganz.

Neues Restaurant am Chiemsee: Zuvor Stationen in Neuseeland und Dänemark

Ursprünglich stammt er aus Kirchanschöring im Rupertigau, nun hat es ihn in den Chiemgau verschlagen. Das Kochen hat ihn auch schon nach Salzburg, Hamburg, Bornholm und Neuseeland gebracht.

Das “June” in Übersee hat er vor gut zwei Monaten eröffnet und ist seitdem jeden Abend sehr gut gebucht. Ähnlich wie im Mural Farmhouse kocht Birndt mit regionalen Zutaten. “Bis auf Reis kommt alles aus Bayern”, erklärt Birndt. Den Reis braucht er zum Fermentieren, Weizen und Sojabohnen bekommt er aber aus Anbau im Freistaat. “Wir machen so viel im Hintergrund, das man eigentlich gar nicht sieht”, sagt der Küchenchef.

Von der Terrasse auf den Teller

Denn Sojasoße wird nicht etwa zugekauft, sondern selbst gemacht. Und nicht nur das: Auf der Terrasse stehen Hochbeete und ein Gewächshaus. Die Radieschen für das Saiblings-Sashimi kommen von dort.

Oder auch der profane Schnittlauch. Der hat’s aber in sich: “Wir können drei Phasen nutzen: den ganz jungen, die Blüte, die wir zum Teil einlegen, und den härteren älteren.” Kosten kann man die Blüten dann mit Kopfsalat und Schottenkäse als Vorspeise.

Kopfsalat mit Schottenkäse und Schnittlauchblüten.
Kopfsalat mit Schottenkäse und Schnittlauchblüten.
© Juni Fotografen
Kopfsalat mit Schottenkäse und Schnittlauchblüten.

von Juni Fotografen

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Spargel im Dezember

Am liebsten würde Birndt alles selbst machen. Das geht schon bei der Einrichtung los: Die Tische hat Birndt vom Vorgänger übernommen und selbst sechs Tage lang abgeschliffen, den Holzboden mit seiner Familie verlegt. “Aber alles ging nicht. Dafür braucht man sehr viel Zeit”, sagt Birndt.

Die Tische hat Birndt mit seinem Team abgeschliffen.
Die Tische hat Birndt mit seinem Team abgeschliffen.
© Juni Fotografen
Die Tische hat Birndt mit seinem Team abgeschliffen.

von Juni Fotografen

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In der Küche gilt das Prinzip hingegen schon. Da wird beispielsweise derzeit kiloweise weißer Spargel fermentiert. “Den gibt’s dann im Dezember, wenn ihn keiner erwartet”, sagt Birndt.

Starkoch Rico Birndt bietet die Gerichte zu fairen Preisen an

Wie viel Spaß ihm solche Kniffe machen, ist ihm anzusehen. Aber schon jetzt kann man Gnocchi mit fermentierter Spargelsauce, Salbei und Buchweizen probieren. Die Preise sind fair: 22 Euro kostet das vegetarische Gericht, beim gebackenen Schweinerücken mit Blauschimmel und Rhabarbersalsa ist man mit 28 Euro dabei. Das Vier-Gänge-Menü kostet 50 Euro, sechs Gänge liegen bei 70 Euro.

Improvisation ist ein Grundprinzip bei Birndt. Wenn er Eigelb räuchern will, nutzt er keine teure “Smoking Gun” für die Profiküche, sondern nimmt einfach Späne, ein kleines Schiffchen aus Alufolie und lässt es über der Kohle eine halbe Stunde stehen.

Restaurant June in Übersee: Grüne Erdbeeren statt roter

Oder auch unkonventionelle Zutaten wie grüne Erdbeeren. Wie bitte? Unreife Erdbeeren? “Ja, die Erdbeerbauern haben uns angeschaut!”, sagt Birndt und lacht. Letztlich hat er die Erdbeeren mit seinen Mitarbeitern gezupft, mit entsprechenden Blicken der Verkäufer. Tatsächlich, über der Bar steht ein Glas eingelegte grüne Erdbeeren. Manchmal fliegt ihn Inspiration wortwörtlich an.

Etwa als er mit seinem Mitarbeiter auf der Terrasse saß und es roch plötzlich so gut. Eine Traubenkirschblüte steht ums Eck, stellt sich heraus. 80 Liter Sirup hat er mit seinem Team daraus gekocht. Sein Personal hat er nahezu komplett aus München mitgenommen. Sie sind sogar in den Chiemgau gezogen. “Wir sind ein eingeschworenes Team”, sagt Birndt. Ein Drachen in der Küche scheint er nicht zu sein, während des Gesprächs mit der AZ ruft seine frühere Auszubildende in München an.

Derzeit bietet das June À-la-carte-Küche an, mittelfristig soll aber noch Fine Dining dazukommen als Ergänzung. Denn den einen Stern mit dem eigenen Restaurant zu erobern, das würde Birndt schon noch jucken, gibt er zu. Für die vielen Radler, die auf dem Chiemsee-Radlweg direkt am “June” vorbeifahren, soll es freitags und samstags auch Kaffee und Kuchen geben. Und warum der Name “June”? “Weil der Juni der schönste Monat ist!”, sagt Birndt.


Restaurant June, Seestraße 10, 83236 Übersee; geöffnet Montag bis Samstag ab 18 Uhr; Reservierung ausschließlich online unter june.restaurant





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