Man muss gar nicht erst auf die Überreste der Antike blicken, um zu erkennen, dass die Römer ganz grundsätzlich keine Anhänger allzu großer Veränderungen sind. Eindrucksvoll unverändert steht das Kolosseum da, der Marmor und Kalkstein auf der spanischen Treppe ist ebenfalls derselbe wie immer, genauso das Stadio Olimpico, das einst den Faschisten und später den Olympischen Spielen 1960 eine Heimat war – und an dem man am Donnerstagabend dennoch erkennen konnte, was sich innerhalb von zwölf Monaten alles verändern kann.

Zu einer Art Rückspiel gegen die AS Rom fand sich, erneut im Halbfinale der Europa League, die Mannschaft von Bayer Leverkusen im frühlingshaften Olimpico ein, allerdings unter völlig veränderten Vorzeichen. Ein unheimliches Talent hatte man ihr und ihrem Trainer Xabi Alonso im April 2023 zugesprochen, aber eben auch eine gewisse juvenile Leichtfüßigkeit, die die Römer damals unter der Leitung von Trainer José Mourinho mit einem brutalen Abwehrspektakel bezwangen. Nun, ein Jahr später, sind Mourinho und seine antike Herangehensweise Geschichte, dafür sind Alonso und Leverkusen deutscher Meister, Pokalfinalist und die am längsten ungeschlagene Mannschaft in der Geschichte der großen europäischen Fußballligen – bei Spiel Nummer 47 ohne Niederlage sind sie mittlerweile angekommen.

Florian Wirtz bringt Leverkusen mit Fortuna in Führung

Und weil sie an dieser Statistik in Leverkusen so viel Freude gefunden haben, dass sie sich auf fast schon römische Art und Weise einer Veränderung in Form einer Niederlage widersetzen, blieb es auch am Donnerstagabend dabei: Mit 2:0 gewann Bayer das Hinspiel gegen Rom und hat somit beste Chancen auf ein weiteres Finale.

Knappe 20 Minuten lang erging es der AS Rom dabei so wie schon vielen Mannschaften vor ihr in dieser Saison. Ausgeglichen wirkte das Spiel, Leverkusen entglitt gar kurzzeitig die geliebte Spielkontrolle, Stürmer Romelu Lukaku hatte mit einem Kopfball an die Latte die beste Chance der Partie. Dann allerdings spielte die offenbar unter dem Bayer-Kreuz agierende römische Göttin Fortuna die Rolle, die sie schon die gesamte Saison über spielt: Roms Außenverteidiger Rick Karsdorp lieferte unbedrängt einen katastrophalen Rückpass am eigenen Strafraum in die Füße von Alejandro Grimaldo, in der Mitte schob Florian Wirtz zum 1:0 ein (28. Minute).

Bevor man den Leverkusenern allerdings Glück unterstellen konnte, war Xabi Alonsos Mannschaft schon zur Stelle und bewies ihre Qualität: Schenkt ein Gegner dieser Mannschaft in irgendeiner Form einen Weg in das Spiel, bestraft Leverkusen das mit großer Unnachgiebigkeit. Eine Großchance reihte sich an die nächste, Bayer hätte wesentlich höher führen müssen, doch Jeremie Frimpong, Wirtz und der als Stürmer agierende Amine Adli verpassten aus teils kurzer Distanz.

Doch gerade als es in Bereich der Fahrlässigkeit überging, wie Leverkusen seine Chancen ausließ, fiel der Ball nach einem Konter Robert Andrich an der gegnerischen Strafraumgrenze vor die Füße. Leverkusens Sechser hatte sich im vergangenen Jahr an Ort und Stelle noch schwer verletzt – und vielleicht auch deshalb versuchte er diesmal so oft wie möglich mit wuchtigen Distanzschüssen, seine eigene Geschichte neu zu erzählen. Und so wie Bayer Leverkusen in dieser Saison schlichtweg alles gelingt, gelang ihm auch das: Andrich entschied die Partie in der 73. Minute mit einem traumhaften Schlenzer zum 2:0.



Source link www.sueddeutsche.de