Der US-Schriftsteller Paul Auster ist tot, wie unter anderem die New York Times und der britische Guardian berichten. Beide Zeitungen berufen sich auf Informationen von Austers Vertrauter Jacki Lyden. Demnach starb Auster in seinem Haus in Brooklyn am Dienstagabend an Lungenkrebs. Er wurde 77 Jahre alt.

Auster avancierte in den 80er-Jahren mit den postmodernen Krimis seiner “New-York-Trilogie” zu einem Kultautor. Zudem schrieb er über ein Dutzend weitere Romane sowie Essays und Drehbücher. Zentrale Themen seiner Arbeit waren sonderbare Zufälle und traumatische Verluste. Obwohl er aus New Jersey stammte, war ein wiederkehrender Schauplatz seiner Literatur immer wieder New York als Ort der Heimatlosen, “eine Stadt, in der viele Leute stranden”, wie er sie nannte.

Auster wurde 1947 in Newark als Sohn jüdischer Einwanderer geboren und träumte schon in seiner Jugend davon, Schriftsteller zu werden. Er studierte Literatur in New York und Frankreich und finanzierte sich anfangs durch Lehraufträge und Übersetzungsarbeiten. An den Studentenprotesten gegen den Vietnamkrieg war er aktiv beteiligt.

“Schreiben ist eine Frage des Überlebens”

Zunächst wurde der Großstadtroman “City of Glass” von 17 Verlagen abgelehnt, bis ihn ein kalifornischer Kleinverlag 1985 herausbrachte. 1986 folgten “Ghosts” und “The Locked Room” in der “New-York-Trilogie”. Die thematisch lose verbundenen Bücher wurden dann unerwartet zu Bestsellern.

Alle drei von der Kritik hochgelobten Romane beginnen wie ein klassischer Krimi, entwickeln jedoch mit ihren vertrackten Plots eine existenzielle Dimension, die den Leser systematisch aufs Glatteis führt. Die Trilogie wurde in Universitätskreisen als Musterbeispiel dekonstruktiver postmoderner Literatur diskutiert, sprach aber mit der in weiten Teilen traditionellen Erzählweise zugleich ein breites Publikum an.

Später etablierte er sich mit Werken wie “Mond über Manhattan”, “Mr. Vertigo” und “Das Buch der Illusionen” als gefeierter Bestsellerautor. Austers Figuren, oft von seiner eigenen Lebensgeschichte beeinflusst, sind exzentrische, zerrüttete Charaktere. Sie verlieren sich auf der Suche nach sich selbst in dunklen Abgründen und obskuren Ecken.

Das Unvorhersehbare, zufällige Ereignisse und fantastische Wendungen prägen ihr Dasein und geben Anlass zu philosophischen Betrachtungen über Kunst und Kultur, Identität, Leben und Tod. Sein Leben lang schrieb Auster langsam. Erst Entwürfe mit der Hand, dann fertige Manuskripte mit der Schreibmaschine. Eine Seite schaffe er so etwa pro Tag, sagte Auster einmal der Deutschen Presse-Agentur. “Zwei, wenn ich Glück habe, manchmal auch nur eine halbe. Aber wenn man dranbleibt, läppern sich die Seiten.”

In den Jahren vor seinem Tod wurden noch mehrere dicke Werke des Autors veröffentlicht. Der mehr als 1000 Seiten lange Roman “4 3 2 1” von 2017 beispielsweise und die rund 800 Seiten lange Biografie “In Flammen” (Originaltitel: “Burning Boy”) über den US-Autor Stephen Crane (1871-1900) – “ein neuer Berg der Rocky Mountains”, wie der Schriftsteller zur Veröffentlichung scherzte.

Seine Bücher wurden in Dutzende Sprachen übersetzt, in Europa war er noch populärer als im eigenen Land. In Frankreich war er ein Popstar. Vom Schreiben sei er “besessen”, sagte Auster einmal. “Schreiben ist für mich kein Akt des freien Willens, es ist eine Frage des Überlebens.” Gleichzeitig war das Schreiben aber auch ein ständiger Kampf für ihn. “Es ist das härteste, was ich mir vorstellen kann.”

Nach seiner Krebsdiagnose unterzog Auster sich einer Reihe von Behandlungen, wie er vergangenes Jahr zur Veröffentlichung seines letzten Buches “Baumgartner” dem Guardian erzählte. “Ich habe das Gefühl, dass mein Gesundheitszustand so prekär ist, dass dies das Letzte sein könnte, was ich jemals schreibe.” Doch wenn dies das Ende sei, dann habe es sich gelohnt – er gehe umgeben von “menschlicher Freundlichkeit” in seinem Freundeskreis.

2022 verlor Auster seinen Sohn Daniel aus erster Ehe, der mit 44 Jahren an einer Überdosis Drogen starb. Paul Auster hinterlässt seine zweite Ehefrau, die Schriftstellerin Siri Hustvedt, mit der er seit 1982 verheiratet war und ihre gemeinsame Tochter Sophie.



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