Es fällt schwer, in diesen Tagen etwas Positives über die Wirtschaftspolitik der Ampel zu sagen. Selbst der Satz, dass das Grundproblem wenigstens erkannt ist, stimmt ja nicht, so lange sich der Bundeskanzler beharrlich weigert, die zum Teil dramatische Lage der Unternehmen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Immerhin haben Finanzminister Christian Lindner (FDP) und der grüne Vizekanzler den Ernst der Lage begriffen. Und die Lage ist ernst.

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Die deutsche Wirtschaft tritt seit Monaten auf der Stelle. Wärend es in den meisten Industriestaaten inzwischen spürbar aufwärts geht, wächst Deutschland allenfalls in homöopathischen Dosen. Stagnation statt Dynamik. Selbst der Arbeitsmarkt, auf dessen Robustheit sich die Politik dank des Fachkräftemangels beinahe blind verlassen konnte, reagiert inzwischen auf die Dauerflaute. Die traditionelle Frühjahrsbelebung bei den Jobs ist in diesem Jahr weitgehend ausgeblieben.

Lindner und Habeck wollen gegensteuern. Zumindest sagen sie das. Für eine „wuchtige Entlastung“ der Unternehmen plädiert der Wirtschaftsminister, sein Kollege im Finanzressort hat nicht weniger als eine komplette „Wirtschaftwende“ im Sinn. Doch womit genau die Konjunktur angekurbelt werden, und vor allem, wo das Geld dafür herkommen soll, darüber gehen die Meinungen von Grünen und Liberalen weit auseinander.

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Gretchenfrage Schuldenbremse

Habeck plädiert für Steuerentlastungen. Abschreibungen sollen erleichtert und dadurch vor allem Investitionen angereizt werden, findet der Wirtschaftsminister. Lindner würde zwar lieber den Soli für Besserverdiener abschaffen, hätte aber wohl auch nichts gegen verbesserte Abschreibemöglichkeiten – wenn dadurch nicht die Steuereinnahmen sinken würden. Jeden Euro, den die Regierung in die Wirtschaft investiert, muss sie an anderer Stelle wieder einsparen, zumindest solange der Finanzminister an seinem Ziel der Haushaltskonsolidierung festhält.

Für Habeck wiederum liegt genau da die Lösung: Man müsse nur die Schuldenbremse reformieren und das Problem der knappen Finanzmittel hätte sich erledigt. So sieht er das. Aus Sicht der FDP ist angesichts der Rekordeinnahmen des Bundes schon der Gedanke an eine höhere Neuverschuldung verwerflich. Lindner möchte lieber innerhalb des Bundeshaushalts umschichten und fehlende Mittel im sozialen Bereichen einsparen. Dagegen aber verwahrt sich Bundeskanzler Scholz. Ein Abbau des Sozialstaats sei mit ihm nicht zu machen, lässt der Sozialdemokrat wissen.

Uns so bleibt es bislang beim kleinsten gemeinsamen Nenner. Mehr Fachkräftezuwanderung und ein bisschen Bürokratieabbau, darauf kann sich die Ampel verständigen. Beides ist sinnvoll, aber selbst innerhalb der Regierung glaubt kaum jemand daran, dass durch den Abbau von Berichts- und Aufbewahrungspflichten die deutsche Konjunktur auf einmal anspringt.

Es fehlt an Kompromissfähigkeit

Eine Lösung ist nicht in Sicht, und sie wird auch dadurch nicht wahrscheinlicher, dass SPD, FDP und Grüne immer neue Vorschläge in den öffentlichen Diskurs werfen. Es herrscht kein Mangel an Ideen, es herrscht ein Mangel an Einigkeit. Nötig sind jetzt der Wille und die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen.

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Das wird anstrengend und für jede einzelne der drei Regierungsparteien auch schmerzhaft. Es ist aber alternativlos – zumindest wenn SPD, FDP und Grüne die kommende Bundestagswahl nicht schon jetzt verloren geben wollen. Die Koalition ist dafür gewählt worden, die Probleme dieses Landes zu lösen. Sie täte gut daran, damit endlich anzufangen. Für die Präsentation schöner Konzepte und Ideen ist im Wahlkampf noch genügend Zeit.



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