Am Samstag marschierten mehr als 1000 Islamisten der Gruppe „Muslim interaktiv“ durch Hamburg und forderten die Errichtung eines Kalifats. Im November 2023 waren es mehr als 3000 Personen der Schwesterorganisation „Generation Islam“, die streng geschlechtergetrennt durch Essen zogen und unter „Allahu akbar“-Rufen für eine islamische Gesellschaftsordnung trommelten.

Ein Kalifat bedeutet das Ende der Demokratie, der Gleichberechtigung von Frauen und aller Errungenschaften der Moderne. Es ist ein Rückschritt ins 7. Jahrhundert. Es herrscht die Scharia, ein Regelwerk, wie wir es aus Afghanistan oder dem Iran kennen. Doch dabei bleibt es nicht. Nationalstaaten sollen abgeschafft und die Muslime weltweit unter einem Führer, dem Kalifen, vereinheitlicht werden – auch, um die weitere Ausbreitung des Islam voranzutreiben.

„Muslim interaktiv“ und „Generation Islam“ sind vor allem in den sozialen Medien aktiv und erreichen Tausende junger Menschen mit ihrer Botschaft. Deutschland sei eine Wertediktatur, verkünden sie. Man werde sich niemals integrieren, sondern vereint für die Scharia kämpfen.

Die Wirkung sieht man in Umfragen

Welche Wirkung solche Reden haben, förderte jüngst eine Umfrage des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen bei muslimischen Schülern der 9. Klasse in dem Bundesland zutage. Die Hälfte von ihnen hielt den Islam für die beste Staatsform oder glaubte, nur der Islam sei in der Lage, die Probleme der Zeit zu lösen. Mehr als ein Drittel befürwortete Gewalt im Namen des Islam und fast 70 Prozent hielten die Gesetze des Korans für wichtiger als die Gesetze Deutschlands. Diese Ergebnisse der Studie sind allerdings nicht repräsentativ.

Dennoch waren sie für viele Menschen schockierend, aber nicht unerwartet. Seit der großen Studie „Muslime in Deutschland“, die von Katrin Brettfeld und Peter Wetzels im Auftrag der Bundesregierung durchgeführt und 2007 veröffentlicht wurde, kommen alle nach wissenschaftlichen Kriterien bei Muslimen durchgeführten Umfragen zu einem ähnlichen Ergebnis.

Regelmäßig bekennen sich große Teile zu einem an der Scharia orientierten islamischen Fundamentalismus. Man grenzt sich von der als ungläubig und daher minderwertig empfundenen Gesellschaft ab und errichtet Parallelgesellschaften mit eigenen Normen und Werten. Hier gedeiht Hass auf die Mehrheitsgesellschaft, hier wird Gewalt im Namen des Islam legitimiert.

Die Politik verharmlost das Problem

Die Reaktion der Politik auf diese Bedrohung bestand jedoch stets aus Verharmlosungen, Ausblendungen und einem Herunterspielen des Problems. Manch einer glaubte sogar, dass man Muslimen nur lange genug die Hand reichen müsste, damit auch aus islamistischen Hardlinern überzeugte Demokraten würden.

Der vollmundige Spruch des früheren Bundepräsidenten Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, ist ein Beispiel für diese Haltung. 14 Jahre nach Wulffs Bekenntnis modifiziert die CDU jetzt ihre Haltung zur zweitgrößten Weltreligion. „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland“ steht im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms. Das ist – zumindest auf der Ebene der normativen Proklamation – eine klare Kante.

Wenig überraschend folgten Beschwerden gegen die Abkehr von einem Kurs, der die gesamte Regierungszeit der Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel bestimmt hatte. Der islamische Funktionär Aiman Mazyek sprach von einer Stigmatisierung der Muslime und wollte der CDU unterstellen, in „trüben Gewässern zu fischen“.

Ins gleiche Horn stieß die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor, die auf X anklingen ließ, der Satz schlösse womöglich an ein antimuslimisches Narrativ an. Wenn der Islam im Grundsatzprogramm erwähnt werde, müsste dies auch für andere Religionen gelten. Aus den Reihen der SPD folgte ebenfalls Fundamentalkritik, was nicht verwundert, da ihr Berliner Frontmann Raed Saleh noch im Januar dafür plädiert hatte, den Kampf gegen Islamfeindlichkeit in die Verfassung aufzunehmen.

Muslime nehmen eine Sonderrolle ein

All denjenigen, die jetzt mit Mazyek und Kaddor fordern, die CDU möge doch an andere Religionsgemeinschaften die gleichen Bekenntnisse zum Grundgesetz knüpfen, sei gesagt, dass Muslime im Hinblick auf Gewalt oder die Bildung feindlicher Gegengesellschaften eine Sonderrolle einnehmen.

Es gibt weder Christen, Buddhisten, Hindus noch Juden, die im Namen ihrer Religion in Deutschland Attentate geplant oder durchgeführt haben. Gotteshäuser, in denen das religiöse Personal, finanziert durch ausländische Regierungen, gegen die Integration hetzt, finden wir ebenfalls nur im Islam. Auf der Basis islamistischer Ideologien haben sich in Ballungsräumen parallelgesellschaftliche Strukturen herausgebildet, die zu Clankriminalität, regelmäßigen Ausschreitungen und massiven Probleme in Schulen führen.

Islamismus ist zudem immer mit patriarchalischen Prägungen verbunden. In der Praxis führt dies zu erheblichen Repressionen gegenüber muslimischen Mädchen und Frauen, darunter zu einem Zwang Körper und Haare zu verschleiern, aber auch zur Rechtfertigung sexueller Übergriffe auf Frauen, die optisch nicht den Kriterien islamisch-patriarchalischer Ehrbarkeit entsprechen.

Muslime, die differenzieren, werden angefeindet

Natürlich betrifft dies nicht die Gesamtheit aller Muslime. Die Weltreligion des Islam ist heterogen und viele Gläubige sind demokratisch, friedlich oder kritisieren die genannten Auswüchse in aller Schärfe. Daher ist es notwendig, zwischen dem Islamismus und anderen Formen des Islam zu unterscheiden.

Carsten Linnemann, der neue Generalsekretär der CDU, wirbt seit Jahren für diese Differenzierung. Zusammen mit dem Rechtswissenschaftler Winfried Bausback hat er 2019 den Sammelband „Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland“ herausgegeben, in dem auch kritischen Muslimen wie Bassam Tibi, Necla Kelek, Ahmad Mansour und Marwan Abou-Taam eine Stimme gegeben wird. Es sind Muslime, denen in den bereits Jahrzehnte andauernden Diskussionen um den Islam zu wenig Beachtung geschenkt wurde, die teilweise unter Polizeischutz stehen und von Politikern linker Parteien an den Rand gedrängt wurden.

Statt eine realistische Islampolitik zu entwerfen, haben führende Repräsentanten der Linken, Grünen und der SPD nämlich erfolgreich daran gearbeitet, Probleme mit dem Islam in eine Tabuzone zu verschieben. Welche Blüten diese durch keinerlei Einsprüche bürgerlicher Parteien infrage gestellte Fehlentwicklung hervorbringt, konnte man im Juni 2023 bestaunen. Damals legte eine vom Bundesinnenministerium eingesetzte „Unabhängige Expertenkommission Muslimfeindlichkeit“ nach dreijähriger Arbeit einen Bericht vor, in dem die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung als islamfeindlich bezichtigt wurde.

Repressionsmaßnahmen gegen Kritiker

Wer auf islamisch legitimierte Gewalt hinwies, Muslimen eine geringere Integrationsbereitschaft als Andersgläubigen attestierte, islamistischen Extremismus oder Gewalt im Namen der Ehre ansprach oder Parallelgesellschaften und Clankriminalität als Probleme benannte, wurde des „antimuslimischen Rassismus“ bezichtigt und in eine rechtsradikale Ecke gestellt. In den Handlungsempfehlungen entfalteten die Autoren des Berichts dann folgerichtig ein gestaffeltes Bündel an Umerziehungs- und Repressionsmaßnahmen, dem die Medien sowie die Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen unterworfen werden sollen.

Der Bericht ist die konsequente Fortführung eines Laissez-faires, das es Islamisten wie „Muslim interaktiv“ erst ermöglichte, Einfluss zu gewinnen. Dazu gehört auch das Hofieren muslimischer Funktionäre, zu denen Aiman Mazyek gehört. Er steht dem „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ vor, dessen Mitgliedsorganisationen eine Reihe von Fragen aufwerfen, weil etliche von ihnen wegen des Verdachts islamistischer Umtriebe vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Der größte Mitgliedsverband, die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa“ wird dem Umfeld der rechtsextremen „grauen Wölfe“ zugerechnet. Mazyek ist trotz seines dubiosen Verbands im politischen Berlin wohlgelitten und konnte sich stets als Gesicht eines umworbenen deutschen Islam darstellen.

Die CDU muss trotz linkem Gezeter Kurs halten

Ein klarer Blick auf die vielfältigen Probleme mit dem Islamismus gibt der CDU Recht, wenn sie die Vereinbarkeit des Islam mit dem Grundgesetz einfordert. Der Passus im Grundsatzprogramm der Christdemokraten ist nicht nur berechtigt, sondern überfällig. Der Partei muss angeraten werden, ihren Kurs trotz des Gezeters linker Politiker und islamischer Verbandsvertreter beizubehalten.

Nur dann wird es möglich sein, die vielfältigen Herausforderungen für unsere Demokratie zu bewältigen, die durch den Islamismus entstehen. Anstelle einer voraussetzungslosen Anerkennung jeglicher Spielart des Islam sollte gefragt werden, welcher Islam zu Deutschland gehört. Wohlfeilen Reden müssten zudem Taten folgen. Machtdemonstrationen islamistischer Organisationen wie in Hamburg oder Essen müssen zukünftig ebenso unterbunden werden wie Hetze gegen Kritiker des Islamismus, die von „Muslim interaktiv“ und anderen Gruppen in den sozialen Medien als Feinde des Islam präsentiert werden.

Ein Gradmesser für den Erfolg politischer Maßnahmen könnte die Sicherheit von Islamismus-Kritikern sein. So lange die liberale Moschee der Berliner Imamin Seyran Ates unter Polizeischutz stehen und der muslimische Psychologe Ahmad Mansour um sein Leben fürchten muss, ist noch sehr viel zu tun.





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