Rapspresskuchen hört sich wenig appetitlich an. Und tatsächlich handelt es sich um ein Neben- oder Abfallprodukt bei der Rapsölherstellung. Er wird zur Tierfütterung genutzt, häufig aber einfach verbrannt oder kompostiert. Bisher zumindest. Sternekoch Rasmus Munk vom Kopenhagener Restaurant Alchemist fermentiert Rapspresskuchen einige Tage mit Pilzen, um die Nährstoffe für den Menschen aufzuschlüsseln. Das so gewonnene Produkt verpackt er dann in einen Taco mit frischer Salsa, Zwiebeln, Koriander und Limette.

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Köstlich ist das Häppchen ohne Frage, aber gesund soll es obendrein auch sein, denn Rapspresskuchen wird durch die Fermentation nicht nur im Biss fleischiger und aromatischer, sondern auch zu einer wertvollen Proteinquelle. Soll das Produkt zukünftig als Fleischersatz dienen, etwa für Pattys? „Das ist eine Möglichkeit, aber ich glaube, wir können gar nicht so viele Burger essen, wie sich aus Rapspresskuchen produzieren lassen“, sagt Munk, denn das Ausgangsmaterial sei in ganz Europa verfügbar: 36 Millionen Tonnen könnten jährlich genutzt werden – für Bolognesesoße, Burgerfrikadellen, Würste oder eben ­Taco-Füllungen. Das Fleischersatzprodukt aus Rapspresskuchen ist im Spora in Zusammenarbeit mit der Universität Kopenhagen entstanden.

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Munk ist nicht nur Koch, sondern auch ein Genusswissenschaftler. Sein Alchemist – bekannt für seine bisweilen bizarre Molekularküche im Stil des spanischen Avantgardekochs Ferran Adrià – gilt manchen Feinschmeckern als eines der besten und innovativsten Restaurants der Welt. Sicher ist, dass nirgends sonst Sterneküche, Kunst, Theater und Technologie derart miteinander verwoben werden wie bei Munk. Rund 100.000 Menschen stehen derzeit auf der Warteliste für einen Tisch im Restaurant.

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Zuchtschmetterlinge und Luftröhren von Schweinen

Ende 2023 eröffnete Munk das Innovationszentrum Spora. Doch Munk will nicht nur Gastgeber sein. Er spielte schon vor Jahren mit dem Gedanken, ein Forschungs- und Innovationszentrum zu gründen, in dem seine kulinarischen Tüfteleien in einen größeren Kontext eingebettet werden können.

Ende 2023 eröffnete schließlich das von Munk in Zusammenarbeit mit der Universität Kopenhagen gegründete Forschungs- und Innovationszentrum Spora. Weitere Kooperationen mit anderen Universitäten, Firmen oder Stiftungen sollen folgen. „Unsere Fragestellung ist, welche Techniken im Alchemist bereits allabendlich eingesetzt werden, aber vielleicht für Millionen Menschen von Bedeutung sein können – wir wollen Produkte und Ideen entwickeln, die in der Welt von Bedeutung sind“, sagt Mette Johnsen, Geschäftsführerin des Spora.

Experimentiert wird dort etwa mit Zuchtschmetterlingen, Schweineluftröhren oder auch mit Quallenproteinen, mit denen Munk im Alchemist einen Cocktail dazu bringt, im Dunkeln zu leuchten. Aber was soll das bringen? Geselligkeit und Spaß bei Stromausfall? Leuchtmittelersatz in Cocktailbars? „Das Produkt ist auf unserer Liste, aber wir wissen noch nicht, in welche Richtung es gehen könnte“, sagt Johnsen lachend.

Essen aus der Laborküche

Konkreter ist da schon ein Projekt mit der norwegischen Fischereigesellschaft MS Donna: Die invasive Königskrabbe ist in der Barentssee weit verbreitet und wird großflächig gefangen. Da bei der Kundschaft allerdings nur die Beine beliebt sind, wird der Körper noch auf dem Schiff über Bord geworfen – Lebensmittelverschwendung par excellence.

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Sucht nach neuen Ansätzen in der Küche: Rasmus Munk.

Sucht nach neuen Ansätzen in der Küche: Rasmus Munk.

Munk identifizierte und analysierte im Alchemist die einzelnen Bestandteile des Schalentiers und kam zu dem Schluss, dass sich auch andere Teile zur Weiterverarbeitung eignen. Entstanden ist schließlich ein Gericht, bei dem Rogen und Schwanz der Krabben verwertet und von Munk mit Zitrusfrüchten, Tomate, Safran oder Jakobsmuscheln serviert werden.

Das Essen kommt sozusagen aus der Laborküche. Für Johnsen ist das zukunftsweisend: „Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen denken bei ihrer Forschung nicht vom Geschmack her, aber die Zukunft unserer Ernährung muss nachhaltig und lecker sein. Deswegen suchen wir die kulinarische Perspektive und bauen so den Dialog zu Lehr- und Forschungsanstalten, zur Gastronomie und zur Industrie auf.“

Bouillons: Was es mit dem neuen Gastro-Trend aus Paris auf sich hat

Essen zu gehen ist für viele Luxus, noch dazu in Paris. Doch dort besinnt man sich zunehmend auf einfache, aber gute Küche. In den sogenannten Bouillons gibt es solide Hausmannskost zu kleinen Preisen – aber vor edler Kulisse. Das historische Konzept passt in unsere Zeit.

Schokolade aus Spreu

Eines der interessantesten Projekte von Munk und Spora ist derzeit die „Grain Chocolate“, ein Ersatzprodukt für Schokolade, um den Missständen im Kakaoanbau etwas entgegenzusetzen. Für ein komplexes Kakaoaroma sei gute Schokolade unerlässlich. Doch wem es nur auf den Knack und den Schmelz ankomme, könne auf Alternativen setzen, sagt der 33-Jährige und zeigt auf einen Teller mit fünf Pralinen. Sie sind gefüllt mit Fruchtpüree.

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Wüsste man es nicht, man würde nicht bemerken, dass die Hülle nicht aus Schokolade, sondern aus Spreu hergestellt wurde, den Rückständen, die beim Dreschen von Getreide entstehen. Zur Produktion würden diese Spelzen fermentiert oder geröstet, lange Fasern würden zu kurzen Fasern, hinzu kämen Wasser und Fette. Mehr wollen Rasmus Munk und Mette Johnsen nicht über die Herstellungsweise verraten. Die Rezeptur sei ein Firmengeheimnis.



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