Ex-Präsident Trump fordert „absolute Immunität“ – und einige Richter reagieren offen darauf. Eine Juraprofessorin sieht eine alarmierende Entwicklung.

Strafprozesses gegen Ex-US-Präsident Trump

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump sitzt mit seinen Anwälten im Gerichtssaal des Manhattan Criminal Court am 25. April 2024 Foto: Mark Peterson/pool redux/ap/dpa

WASHINGTON taz | Die Richter am Obersten Gerichtshof der USA haben sich verständlicher als erwartet für die Argumente von Ex-Präsident Donald Trump gezeigt. Sollten die Richter die Klage an ein niedrigeres Gericht zurücksenden, dann könnte dies die bundesstaatlichen Anklagen gegen Trump bis auf nach der Wahl im November verzögern. Oder gar ganz beenden. Auch wenn sich die Richter skeptisch zum Konzept der „absoluten Immunität“ eines Präsidenten äußerten, so ist es trotzdem ein Teilerfolg für Trump und dessen Anwälte.

„Trump argumentiert unglaublich aggressiv“, sagte die Juraprofessorin Kate Shaw, die an der University of Pennsylvania lehrt, der taz. „Er fordert den Supreme Court auf, eine Form der Immunität anzunehmen, die kein Gericht jemals anerkannt hat und von der auch niemand jemals gedacht hat, dass sie existiert.“ Shaw hatte erwartet, dass das Argument der absoluten Immunität auf tiefe Skepsis seitens der Richter stoßen würde. Doch das Gegenteil sei der Fall. Shaw, die unter Ex-Präsident Barack Obama Teil des Anwaltsteams im Weißen Haus war, fügte hinzu, dass die Offenheit der Richter für Trumps Argument eine „tief alarmierende Entwicklung“ sei.

Mehr als zweieinhalb Stunden dauerte die Anhörung am Donnerstag in Washington. Zur gleichen Zeit war Trump in einem Gerichtssaal in New York, wo er sich wegen der Fälschung von Geschäftsunterlagen verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft in New York wirft ihm vor, dass er Papiere gefälscht habe, um damit eine Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels zu vertuschen. Er wollte damit verhindern, dass eine angebliche Affäre mit Daniels ans Licht kommt.

Trump, der über die Anhörung in Washington informiert wurde, äußerte sich positiv über das Geschehen im Supreme Court. „Ich habe gehört, dass die Anhörung ganz erstaunlich war“, sagte der 77-Jährige gegenüber Journalisten im Gerichtsgebäude von New York.

Kann ein Ex-Präsident tun, was er will?

Der Fall Trump ist ohne Zweifel historisch: Zwei US-Gerichte beschäftigen sich am selben Tag mit zwei unterschiedlichen Streitfragen bezüglich eines ehemaligen US-Präsidenten. Die Tragweite der Immunitätsfrage blieb auch den Richtern am Obersten Gerichtshof nicht verborgen. Richter Samuel Alito spekulierte während der Anhörung über deren Auswirkungen. „Wenn ein Amtsinhaber weiß, dass er in Zukunft möglicherweise von einem erbitterten politischen Gegner strafrechtlich verfolgt werden wird, führt uns das dann nicht in einen Teufelskreis, der die Funktionsweise unseres Landes destabilisiert?“, fragte Alito, der Teil der konservativen richterlichen Mehrheit am Supreme Court ist.

Seine liberale Kollegin Ketanji Brown Jackson erwiderte, dass eine absolute Immunität auch gravierende Probleme mit sich bringen könnte. „Wenn keine strafrechtliche Verfolgung droht, was hindert den Präsidenten dann daran, einfach zu tun, was er will?“, so Jackson. Die Fragen der Richter deuteten darauf hin, dass sie die Immunitätsfrage wohl nicht vollständig klären werden. Ob Trump nun für seinen Versuch, den Wahlsieg von Präsident Joe Biden rückgängig zu machen, rechtlich belangt werden kann, wird vermutlich von anderen Gerichten entschieden werden müssen.

Die konservative Richterin Amy Coney Barrett warf zudem den Unterschied zwischen „präsidentiellen Amtshandlungen“ und privaten Handlungen in den Raum. Sie erklärte, dass andere Gerichte über diesen Unterschied entscheiden könnten und dass Sonderermittler Jack Smith sich in seiner Anklage dann nur auf Trumps privates Handeln fokussieren könnte.

Eine Entscheidung auf Zeit

Dies wäre eine Möglichkeit, doch noch zügig einen Prozess aufzunehmen. Vor allem, nachdem Trumps Anwalt John Sauer eingestehen musste, dass einige der Anklagepunkte gegen seinen Mandanten sich auf dessen private Handlungen beziehen.

„Alles hängt jetzt davon ab, wie schnell die Richter in diesem Fall entscheiden und was sie sagen“, bewertet Juraprofessorin Kate Shaw die Lage. Wann mit einer Entscheidung gerechnet werden kann, ist unklar. Doch je länger sich die Richter Zeit lassen, umso unwahrscheinlicher ist es, dass es noch vor der US-Präsidentschaftswahl im November zu einem Prozess kommen wird.



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