Die beiden Missbrauchsbeauftragten Angelika Hauser und Rupert Membarth erklärten in einem gemeinsamen Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ ihre Ämter Ende April niederzulegen, weil sie keine Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit im Sinne der Betroffenen sähen und von Bischof Meier massiv enttäuscht seien.

„Bilanzierend muss ich sagen: Uns wurde die Arbeit erschwert“, sagte Membarth der Zeitung. So hätten sei ihnen beispielsweise der Einblick in Personalakten beschuldigter Kirchenleute verwehrt worden. Hauser erklärte, sie sei in ihrer Arbeit als Missbrauchsbeauftragte bei der Bistumsleitung auf Misstrauen und Desinteresse gestoßen. „Ich habe den Glauben daran verloren, dass sich an den bestehenden Rahmenbedingungen etwas ändert“, betonte die Psychologin. Beide erklärten ihren Rücktritt in Schreiben an die Bistumsleitung.

„Leider habe ich bis heute nicht erkennen können, dass die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Augsburg, die Bischof Bertram einmal als seine ,Herzensangelegenheit’ bezeichnete, mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und echtem Aufklärungswillen betrieben wird“, heißt es in dem der Zeitung vorliegenden Schreiben. „Ich kann kein engagiertes Bemühen der Diözesanleitung erkennen, proaktiv vergangene und gegenwärtige Fälle sexualisierter Gewalt aufzuarbeiten“, begründete Membarth darin seine Entscheidung.

Missbrauchsbeauftragter: „Noch immer wird versucht, Dinge auszusitzen“

Die beiden Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten waren erst Anfang September 2022 als neue Missbrauchsbeauftragte vorgestellt worden – nachdem die Tätigkeit einer zuvor mit der Aufgabe betrauten Rechtsanwältin nach neun Jahren geendet hatte. In den vergangenen anderthalb Jahren berieten Hauser und Membarth nach eigenen Angaben insgesamt etwa knapp 20 Betroffene. Zu ihren Aufgaben gehörte es, Hinweise auf Missbrauchsfälle anzunehmen, eine erste Bewertung ihrer Plausibilität vorzunehmen und Betroffene über Hilfestellungen zu informieren.

Das Bistum sprach auf Anfrage der zeitung von einem „überraschenden Schritt“ der Beauftragten und führte aus: „Das Bistum Augsburg bedauert den Rücktritt von Frau Hauser und Herrn Membarth und dankt ihnen für die bisher geleistete, außerordentlich anspruchsvolle Arbeit.“ Zugleich bedauere man, „dass keine vorherigen klärenden Gespräche geführt werden konnten“. Weiter erklärte es: „Den Vorhalt, dem Bistum Augsburg würde es an echtem proaktiven Aufklärungswillen mangeln, weisen wir allerdings entschieden zurück.“ Jeder Einzelfall werde von den verantwortlich handelnden Personen „sehr ernst genommen und akribisch bearbeitet“. Gegen den Vorhalt spreche nicht zuletzt das aktuelle unabhängige Aufklärungsprojekt, die Missbrauchsstudie für das Bistum.

Der dritte Missbrauchsbeauftragte, der Jurist Andreas Hatzung, sagte der Zeitung: „Ich bedauere die Rücktritte von Angelika Hauser und Rupert Membarth, kann ihre Kritik im Wesentlichen aber nachvollziehen. Ich sehe mich dennoch weiter in der Lage, meine Aufgabe als unabhängige Ansprechperson auszuüben.“ Der zurückgetretene Psychologe Membarth kritisierte dagegen den Umgang des Bistums mit Missbrauchsfällen: „Leider musste ich erleben, wie kirchliche Strukturen die Missbrauchsaufarbeitung erschweren“, sagte der der Zeitung. „Und noch immer wird versucht, Dinge auszusitzen. Auf der anderen Seite stehen Betroffene und ihr langes Leid.“

“In Bezug auf den Aufarbeitungswillen im Bistum Augsburg bin ich ernüchtert und enttäuscht“

Seine Kollegin Hauser sprach davon, sie habe sich in ihrem Amt nur in einer Rolle als  Statistin gefühlt, während ohne sie im Hintergrund Entscheidungen gefällt worden seien. „Ich möchte mich nicht einspannen lassen für Entscheidungen, in die ich nicht einbezogen wurde und hinter denen ich nicht stehen kann“, erklärte sie. „Ich kann nicht für die gesamte katholische Kirche sprechen; in Bezug auf den Aufarbeitungswillen im Bistum Augsburg bin ich ernüchtert und enttäuscht.“ Dies gelte auch für Bischof Meier. „Ich hatte gedacht, er werde die Aufarbeitung wirklich transparent angehen“, sagte Hauser. „Echten, konsequenten Aufklärungswillen habe ich aber nicht feststellen können bei Verantwortlichen“, kritisierte sie „Und so wurde auch mit Betroffenen umgegangen: Sie fühlten sich teils vor den Kopf gestoßen“, fügte ihr Kollege Membarth hinzu. „Es bräuchte in der Augsburger Bistumsspitze eine offene, selbstkritische, vielleicht demütige Haltung“, sagte der Psychologe.





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