Kiew

Nach der Zusage von Milliardenunterstützung aus den USA und neuer Flugabwehrsysteme von den Nato-Mitgliedern schöpft die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion neue Hoffnung. “Die Zeit zwischen den politischen Entscheidungen und den tatsächlichen Verlusten des Gegners an der Front, zwischen der Verabschiedung des Pakets und der Stärke unserer Jungs sollte so kurz wie möglich sein”, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Das US-Repräsentantenhaus hatte die Freigabe eines Hilfspakets im Umfang von 61 Milliarden US-Dollar (rund 57 Mrd Euro) für die Ukraine gebilligt, das dringend benötigte Waffenlieferungen zur Verteidigung gegen Russland enthält. Zuvor hatte die Nato beschlossen, die Ukraine mit weiteren Flugabwehrsystemen zu stärken. Ein Zeitrahmen für die Lieferung wurde in beiden Fällen nicht genannt. Lediglich in US-Militärkreisen verlautete, die benötigten Waffensysteme und Munition könnten schon in Kürze übergeben werden.

Selenskj: “Jeder Tag ist jetzt wichtig”

Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat, Mark Warner, machte Hoffnung auf eine rasche Lieferung weittragender Raketensysteme vom Typ ATACMS. Er setze darauf, dass diese sofort losgeschickt würden, wenn das Gesetz endgültig verabschiedet sei. Der US-Senat muss dem Paket noch zustimmen, ehe Präsident Joe Biden das Gesetz unterzeichnen kann. Seine Zustimmung gilt als sicher.

“Jeder Tag ist jetzt wichtig – wichtig in der Kommunikation, in der Politik, in der Logistik”, unterstrich Selenskyj die Bedeutung möglichst schneller Lieferung. “Gemeinsam müssen wir den russischen Terror stoppen, Russlands Kriegspotenzial begrenzen und Putin zwingen, das Offensichtliche zu erkennen – nämlich, dass dieser Krieg ihm nichts bringen wird.”

Kurz zuvor hatte Selenskyj in einem Beitrag auf den Plattformen X (ehemals Twitter) und Telegram auf die Nutzlosigkeit von Waffensystemen in Regalen und Lagerhallen hingewiesen. “Patriots können nur Flugabwehrsysteme genannt werden, wenn sie funktionieren und Leben retten, statt irgendwo unbeweglich in Lagern herumstehen, schrieb er. Moderne Kampfflugzeuge könnten entscheidend daran mitwirken, wenn es darum gehe, “ob Kinder oder Enkel der heutigen Generation in Frieden und Sicherheit leben können”.

US-Hilfen nicht zu spät

Die US-Hilfen in Milliardenhöhe kommen nach Auffassung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht zu spät. Die Verzögerung habe aber reale Folgen für die Ukraine gehabt, sagte Stoltenberg am Sonntag dem US-Sender MSNBC. “Die Ukrainer sind jetzt seit Monaten waffentechnisch unterlegen (…) Die Russen hatten viel mehr Munition und die Ukrainer waren gezwungen, ihre Munition zu rationieren”, sagte Stoltenberg. “Aber es ist noch nicht zu spät. Die Ukrainer haben bei der Verteidigung ihres Landes enorme Fähigkeiten bewiesen.”

Außenministerin Annalena Baerbock hat das Votum des US-Repräsentantenhauses für die Ukraine als entscheidenden Durchbruch gewertet. “Das ist nicht nur ein guter und wichtiger Moment für die Ukraine, sondern das ist auch ein wichtiger Moment für die Sicherung der Europäischen Friedensordnung”, sagte die Grünen-Politikerin bei einem EU-Treffen in Luxemburg. Man habe endlich eine Situation erreicht, in der “die Herzen der beiden wichtigsten Ukraine-Unterstützer der Europäer und der Amerikaner wieder im gleichen Takt schlagen”. Dies sei wichtig, weil der russische Präsident Wladimir Putin derzeit alle vorhandenen Mittel dafür nutze, um die Ukraine zu zerstören und die europäische Friedensordnung anzugreifen.

Kreml: US-Waffenhilfe wird Lage an der Front nicht ändern

Nach Darstellung des Kremls wird das Hilfspaket keine grundsätzliche Änderung auf dem Schlachtfeld herbeiführen. Die russischen Einheiten seien derzeit auf dem Vormarsch, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. “Natürlich führen die bereitgestellten Gelder und die Waffen, die von diesem Geld geliefert werden, nicht zu einer Änderung dieser Dynamik.” Stattdessen würden sie zu mehr Opfern unter den Ukrainern und zu einer größeren Zerstörung führen, sagte er. Peskow warf den USA vor, sich an der Waffenhilfe für die Ukraine zu bereichern.

Tschassiw Jar in der Ostukraine schwer umkämpft

Die zuletzt schwer umkämpfte Kleinstadt Tschassiw Jar im Osten der Ukraine bleibt trotz starker russischer Angriffe nach Berichten weiter unter der Kontrolle des ukrainischen Militärs. “Tschassiw Jar hält”, sagte am Sonntag der Sprecher der dortigen Truppenverbände, Nasar Woloschyn, im ukrainischen Fernsehen.

“Der Feind drückt zwar, aber die Lage ist unter Kontrolle, es gibt keine russischen Truppen in der Stadt.” Die russischen Bodentruppen versuchten erfolglos, mit Artillerieunterstützung vorzudringen. Mindestens 13 russische Angriffe seien bis zum Abend abgewehrt worden, teilte der Generalstab in Kiew mit. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Die Kleinstadt Tschassiw Jar gilt als nächstes Ziel der russischen Armee. Die Front verläuft wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Der Ort liegt unweit der vor knapp einem Jahr von den Russen nach schweren Kämpfen eingenommenen Stadt Bachmut. Erst vor wenigen Tagen hatte Selenskyj Tschassiw Jar besucht und die Verteidigungsanlagen inspiziert.

Kiew berichtet von starkem Druck russischer Truppen

Das russische Militär hat die ukrainischen Verteidiger an verschiedenen Frontabschnitten im Osten und Süden des Landes am Sonntag schwer unter Druck gesetzt. Der Generalstab in Kiew sprach in seinem täglichen Frontbericht von 37 Luftangriffen und schwerem Beschuss durch Mehrfachraketenwerfer. Eine Reihe von Angriffen russischer Einheiten an diversen Abschnitten sei abgeschlagen worden.

Hamburgs Bürgermeister überraschend in Kiew eingetroffen

Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher ein deutscher Landesregierungschef Kiew besucht. Der SPD-Politiker traf am Montagmorgen mit dem Zug aus Polen kommend in der ukrainischen Hauptstadt ein. Die Reise war aus Sicherheitsgründen nicht angekündigt worden. Geplant waren im Laufe des Tages unter anderem Treffen mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, seinem Bruder Wladimir und Vertretern der Nationalregierung.

Tschentscher folgte mit der Visite einer Einladung Klitschkos. Beide Bürgermeister hatten im April 2022 – zwei Monate nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands – einen “Pakt für Solidarität und Zukunft” zur gegenseitigen Unterstützung ihrer Städte in Krisenzeiten geschlossen.Berichte: Russisches Kriegsschiff in Sewastopol beschädigt

Das ukrainische Militär reklamierte die Beschädigung eines Schiffs der russischen Marine für sich. Demnach wurde das Schiff “Kommuna” in einem Hafen von Sewastopol auf der von Russen besetzten Halbinsel Krim getroffen und schwer beschädigt, wie ukrainische Medien unter Berufung auf führende Militärs in Kiew berichteten.

Zuvor war in russischen sozialen Medien von einer Explosion auf einem Schiff berichtet worden, die möglicherweise auf den Einschlag einer Rakete oder einer Kampfdrohne zurückzuführen sei. Eine offizielle Erklärung dazu von russischer Seite lag zunächst nicht vor. Die ukrainischen Streitkräfte haben in den vergangenen Monaten wiederholt russische Schiffe rund um die Krim mit verschiedenen Waffensystemen angegriffen.

Bei dem Schiff handle es sich um das U-Boot-Bergungsschiff “Kommuna”, verlautete am Nachmittag aus Militärkreisen in Kiew. Der bereits 1912 auf Stapel gelegte Katamaran ist das wohl älteste aktive Schiff der russischen Marine.


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