Schußwechsel, Granatexplosionen, Hinrichtungen und Massengräber. Haßerfüllt und gnadenlos gehen Amerikaner gegen Amerikaner vor, Gefangene werden nicht gemacht. Der britische Horror- und Science-Fiction-Regisseur Alex Garland schockiert die USA mit einer in naher Zukunft spielenden Dystopie, in der die USA von einem fürchterlichen Bürgerkrieg heimgesucht werden, der anomische Zustände im Land verbreitet.
Mittendrin ein Kriegsreporterteam, angeführt von der berühmten Fotoreporterin Lee Smith (gespielt von der Deutsch-Amerikanerin Kirsten Dunst), das auf der Jagd nach der ultimativen Story ist. Dafür durchquert sie mit dem Jeep halb Nordamerika, um den Präsidenten der USA, der sich eine dritte Amtszeit genehmigt hatte und damit einen Aufstand im Land auflöste, noch vor seinem Sturz in Washington D.C. zu interviewen.
Alles nur Fiktion?
Ist das alles nur reißerische Kino-Fiktion fernab jeglicher Realität? Leider nicht, denn die politische Polarisierung setzt viele Beobachter der USA in Sorge. Für die angesehene Stiftung Wissenschaft und Politik schrieben vor kurzem Marco Overhaus und Johannes Thimm einen Aufsatz, in dem eine „Demokratiekrise, in der die Legitimität der Institutionen zunehmend in Frage steht“, in den USA konstatiert wird, die sich „zu einer Verfassungskrise entwickeln“ könnte.
Zumindest, „wenn verschiedene Verfassungsorgane zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen kommen, wie eine rechtlich umstrittene Situation aufzulösen ist“. „Im Extremfall“, schreiben die beiden weiter, „wird daraus sogar eine Staatskrise, in der die Handlungsfähigkeit und das Gewaltmonopol des Staates selbst zur Disposition stehen“. Es sei keineswegs ausgemacht, daß solch bedrohliche Szenarien bereits bei diesen Wahlen Realität werden. „Setzen sich jedoch die derzeit zu beobachtenden krisenhaften Tendenzen fort, ohne daß eine Kurskorrektur erfolgt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das politische System an seine Grenzen stößt (…) dann würden die USA nicht nur als handlungsfähige Demokratie, sondern auch als außen- und sicherheitspolitischer Partner ausfallen.“
Parteipolitisch bleibt der Film neutral
Im Hinblick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen beschreiben Overhaus und Thimm drei Krisenszenarien: Die Verurteilung Trumps oder ein Wahlsieg Bidens könnten zu Mißstimmung unter den Trump-Anhängern führen, während ein Wahlsieg Trumps von den Demokraten nicht akzeptiert werden könnte. Einen Sturm auf das Kapitol hat Washington ja schon erlebt.
Im Film „Civil War“ ist eine Zuordnung der Bürgerkriegsparteien zu Demokraten oder Republikanern nicht möglich, vermutlich wollte Garland potentielle Kinobesucher nicht gegen sich aufbringen. Der in den USA die Kinocharts stürmende Film vermeidet eine einseitige Schwarz-Weiß-Unterscheidung der Kombattanten in „Gute“ und „Böse“, in „Linke“ und „Rechte“, oft bleibt unklar, welcher Bürgerkriegspartei die im Film auftauchenden kämpfenden, folternden oder mordenden Milizionäre oder Soldaten überhaupt zuzurechnen sind, die ihrerseits Schwierigkeiten haben, die kuriose Reportertruppe einzuschätzen.
Klar ist nur, daß beide Kriegsparteien Kriegsverbrechen begehen. Der die Macht usurpierende Präsident hat keine äußerlichen oder rhetorischen Ähnlichkeiten mit Biden oder Trump. Auch die politische Verortung des Kriegsreporterteams um Lee Smith wird nicht vertieft.
Figuren bleiben oberflächig
Vorherrschende Motive, die die etablierte Reporterin und die dazu stoßende junge und unerfahrene Nachwuchsjournalistin Jessie Cullen (Cailee Spaeny) antreiben, scheinen das Business, die Pflege oder der Erwerb von Ruhm und das Ziel, das Grauen von Krieg und Gewalt nach dem Vorbild der berühmten Fotojournalistin Lee Miller, die Dachau und Buchenwald fotografierte, abzubilden.
Der Film verschweigt nicht, daß diese Tätigkeit mit traumatisierenden psychischen Belastungen einhergeht, von denen selbst die toughe und abgebrühte Lee Smith nicht ganz frei ist. Daß Journalismus ein besonderer Beruf ist, zeigt aber auch Stephen McKinley Henderson als Sammy, der Journalist im Seniorenalter, der trotz der Gefahr nicht von seiner Passion lassen und zusammen mit Joel (Wagner Moura), dem Reuters-Reporter mittleren Alters, das Team komplettiert. Nicht alle werden den Horrortrip überleben.
Aufgrund der Oberflächlichkeit der Kriegsreporter, die auf Soldaten treffen, die ebenfalls nicht viel von ihren Motiven verraten, vermeidet der Film Tiefgang und jegliche Ergründung und Ursachengeschichte. Aus dem Thema der Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft, die im Bürgerkrieg endet, hätte man mehr machen können.
Gemetzel untermalt mit Jukebox-Gedudel
Indem Journalisten zu den Protagonisten des Films gemacht werden, nimmt er eine distanzierte Haltung zum Geschehen ein, die auch aus der ironisch wirkenden chilligen Popmusik spricht, die die zu sehenden Gemetzel untermalt, die oft in den von den Reporter-Helden geschossenen Fotografien unangenehmerweise nochmals gezeigt werden.
Jukebox-Gedudel umrahmt heftige Kämpfe ums Weiße Haus, nach denen letztlich der winselnde Präsident hinter einem Schreibtisch hervorgezerrt wird. US-Patrioten mag dabei das Herz bluten, aber die cineastische Warnung an die amerikanische Gesellschaft, es nicht zum Äußersten kommen zu lassen, scheint angebracht.