Der US-Wahlkampf wird zunehmend zu einem Wettbewerb der beiden Kandidaten darüber, wer der härtere Protektionist ist. Dabei zögern weder Biden noch Trump, auch verbündete Nationen ins Visier zu nehmen. Für Deutschland ist das besonders besorgniserregend, denn die USA waren auch 2023 mit 158 Milliarden Euro das größte Abnehmerland unserer Exporte.

Es ist knapp vier Jahre her, da hagelte es Kritik für den damaligen Präsidenten Donald Trump. Der hatte Zölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium eingeführt. Inkompetent und “schlicht dumm” nannte etwa der bekannte Ökonom Adam Posen, zuvor bei der New Yorker Notenbank und Berater beim US-Rechnungshof, die Maßnahmen. 

Denn Trump verhängte sie auch für verbündete Nationen, unter anderem auch aus Deutschland. Zwar sollten die Abgaben vor allem chinesischen Stahl treffen. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hatte Peking über Jahre die Produktion stark subventioniert und überschwemmte nun den Weltmarkt mit billigem Stahl. Doch Trump warf Drittstaaten vor, Stahl aus China an die USA durchzureichen und so die Preise für Stahl made in the USA zu unterlaufen.

Biden ließ Trumps Zölle einfach weiterlaufen

Sein Nachfolger Biden ließ die von Trump verhängten Zölle auf chinesische Waren einfach weiterlaufen. Biden hat auch Trumps Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt und eine Obergrenze für zollfreie Einfuhren festgelegt. Die EU-Kommission scheiterte mehrmals mit dem Wunsch, die Zölle komplett abzuschaffen. Vergangene Woche hat Biden nun erklärt, sein Handelsministerium prüfe, die Trumpschen Stahl- und Aluminiumzölle noch zu verdreifachen. Bisher soll die Erhöhung nur für Importe aus China geprüft werden.

Biden, trotz einer boomenden US-Wirtschaft bei Umfragen im Dauertief, will sich nicht vorwerfen lassen, er sei gegenüber dem asiatischen Rivalen weicher als sein Make-America-Great-Again-Rivale Trump. Vor allem die Gewerkschaften, auf deren Wahlempfehlung der Kandidat der Demokraten angewiesen ist, drängen auf den Schutz von Arbeitsplätzen. 

Entsprechend wählte der Amtsinhaber vergangene Woche einen Auftritt im Hauptquartier der United Steelworkers in Pittsburgh, um seine “Anregung” der Verdreifachung der Stahlzölle vorzustellen. Doch Bidens populistisches Vorpreschen war damit nicht zu Ende. So stellte er klar, er werde die Übernahme des Traditionskonzerns US Steel durch die japanische Nippon Steel nicht zulassen.

Nun trifft es auch Japan

In der Vorwoche hatten die Aktionäre von US Steel mehrheitlich beschlossen, dem Verkauf an die Japaner für 15 Milliarden Dollar zuzustimmen. Biden will nun seine Macht als Präsident offenbar nutzen, um den Deal trotzdem zu verhindern. “US Steel ist seit mehr als einem Jahrhundert eine amerikanische Ikone und sollte ein rein amerikanisches Unternehmen bleiben”, sagte Biden unter Beifall. “Es ist in amerikanischem Besitz, von amerikanischen Stahlarbeitern, den besten der Welt, betrieben. Und das wird so bleiben. Das verspreche ich.” 

Damit zieht Biden gleich auf mit Trump, der zuvor erklärt hatte, er werde die Fusion der beiden Unternehmen gleich nach seiner Amtsübernahme stoppen. Solche Töne ist man inzwischen gegenüber China gewohnt. Dass jetzt auch Japan, einer der wichtigsten strategischen Verbündeten der USA im Pazifik, dieselbe Behandlung erfährt, sollte auch in Berlin und Brüssel Alarm auslösen. Einen “Amoklauf des Protektionismus” diagnostizierte die Financial Times.



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