Washington. Die Entscheidung fällt spät. Sehr spät. Kostbare Monate sind durch ebenso zynische wie widersinnige Manöver der Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus verloren gegangen, die ohne erkennbares Ziel nur dem Wahlkampfkalkül ihres Vormanns Donald Trump dienten. Nun hat endlich eine Mehrheit des US‑Parlaments die Blockade durchbrochen und den Weg für neue amerikanische Ukraine-Hilfen im Umfang von 60 Milliarden Dollar freigemacht. Die Zustimmung des Senats und die Unterschrift des Präsidenten gelten als sicher. Noch vor Monatsende könnten neue Waffen in dem von Russland überfallenen Land sein.

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Die schnelle Lieferung des Militärmaterials ist angesichts der zunehmenden Übermacht des Aggressors extrem wichtig. Doch mindestens so bedeutsam ist die politische Wirkung des Beschlusses: Die USA stehen auch im politisch heiklen Wahljahr an der Seite der Ukraine. Das durchkreuzt zum einen das Kalkül des russischen Machthabers Wladimir Putin, der auf eine Ermüdung des Westens und einen Diktatfrieden setzt. Es erhöht aber auch den Druck auf die Nato-Partner im Westen Europas, nun endlich ihren Versprechungen konkrete Taten folgen zu lassen.

„Die Geschichte bleibt auf dem richtigen Gleis“

Die Ukraine steht nach der neuen Milliardenzusage aus Washington eindeutig gestärkt da: Politisch, moralisch und militärisch. „Solange Amerika hilft und unterstützt, werden Demokratie und Freiheit niemals untergehen“, hat Präsident Wolodymyr Selenskyj nach dem Votum erklärt. Ausdrücklich dankte er dem republikanischen Parlamentssprecher Mike Johnson dafür, dass er „die Geschichte auf dem richtigen Gleis“ gehalten habe.

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Das lenkt den Blick auf die verworrenen innenpolitischen Kämpfe in Washington, die den Beschluss nach monatelangen Scheingefechten plötzlich möglich gemacht haben. Tatsächlich spielt Johnson, der nach dem Sturz seines Vorgängers Kevin McCarthy vom ultrarechten Trump-Lager in den Job gehievt wurde, eine Schlüsselrolle.

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Das Kalkül des Mike Johnson

Niemand weiß, was den politisch bislang unauffälligen Politiker aus Louisiana plötzlich dazu gebracht hat, sich gegen die Hardliner in seiner Partei zu stellen und ein kompliziertes Bündel von Gesetzen zur Abstimmung zu stellen, das im Kern der Ukraine-Hilfe kaum von der zuvor bekämpften Gesetzesvorlage des Senats abweicht. War es echte – wenn auch späte – Einsicht in die Notwendigkeit? Der Wunsch, in die Geschichtsbücher einzugehen? Oder die Angst, dass die Demokraten ihn ansonsten mit einem eigenen Vorstoß entmachten könnten?

Klar ist: Mike Johnson hat angesichts der hauchdünnen republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus mit der Vorlage seines Paragrafenwerks persönlich viel riskiert. Schon zuvor hatten ihm Hardliner um die rechtsextreme Trump-Vertraute Marjorie Taylor Greene mit der Abwahl gedroht. Nun unterstützten zwar 101 Republikaner die Ukraine-Hilfen, was eine bemerkenswerte Absage an die isolationistische Trump-Politik ist. Eine fraktionsinterne Mehrheit stimmte aber gegen die Vorlage ihres „Speakers“. Das Gesetz kam nur durch, weil gleichzeitig alle Demokraten dafür stimmten.

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Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson.

Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson.

De facto regiert in Washington nun also eine große Koalition. Das ist angesichts der Polarisierung der amerikanischen Politik im Grunde eine erfreuliche Entwicklung. Die aber dürfte bald auf eine harte Probe gestellt werden: Spätestens, wenn nächste Woche die mit republikanischer Mehrheit beschlossene extreme Verschärfung des Asylrechts vom demokratisch beherrschten Senat zurückgewiesen wird, wird die Wut der republikanischen Hardliner gegen ihren Speaker neu hochkochen.

Dann muss Johnson wirklich um seinen Job fürchten. Ob er ihn mithilfe der Demokraten retten kann, ist derzeit unklar. Ein Platz in den Geschichtsbüchern aber scheint dem unscheinbaren Ex-Hinterbänkler aus Louisiana nach dem Ukraine-Beschluss sicher zu sein.



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