Hinter Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundestrainer ist Bayern-Trainer ja praktisch der vierthöchste Posten im Land. Aber weil sich Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz und sogar Julian Nagelsmann beruflichen Abstiegen verwehren, fahndet der FC Bayern weiterhin nach einem Mann, der Thomas Tuchel nachfolgt, der 2023 wiederum Nagelsmann nachgefolgt war, wobei Nagelsmann jetzt nicht Tuchel nachfolgen und Tuchel nicht mehr bleiben will. Ach, Fußball: Immer für herrliche Lach- und Sachgeschichten gut. 

Nagelsmann verlängerte als Bundestrainer, und weil Xabi Alonso zwar ein Bayer ist, aber halt ein Bayer Leverkusener, wird’s in München langsam eng auf der Trainerliste. Welche Namen noch (oder: wieder) draufstehen, aus Überzeugung, Verlegenheit oder Fatalismus – das ist gerade eine der spannendsten Fragen beim entthronten Meister.

Emery, Rangnick, Schmidt? Geraune um Flick und Hoeneß

Unai Emery (Aston Villa), Ralf Rangnick (Nationaltrainer Österreich) und Roberto De Zerbi (Brighton & Hove Albion) waren oder sind intern diskutierte Optionen. Während die Informationslage bei Zinédine Zidane (vereinslos, spricht kein Englisch) und Roger Schmidt (Benfica Lissabon) nebulöser ist, scheint sich Ex-Bayern -und Bundestrainer Hansi Flick im Hintergrund als mögliche Variante zu manifestieren. Noch hintergründiger ist vermutlich Stuttgarts Sebastian Hoeneß, dessen gerade erneuerter Vertrag eine Ausstiegsklausel enthalten soll. Trotzdem hätte ein Sofort-Wechsel schon ein derbes schwäbisches Geschmäckle – aber überstehen bayerische Notlagen auch hehre Moralvorstellungen?

Vier Gründe machen es für den FC Bayern mittlerweile so kompliziert auf dem Trainermarkt. Drei davon lassen sich nicht ändern.

1. Das Trainer-Haltbarkeitsdatum schreckt ab

Pep Guardiola war der Letzte, der es volle drei Jahre in München aushielt. Von 2013 bis 2016, ewig her. Seither versuchten sich dekorierte Fußballlehrer, angefangen bei Carlo Ancelotti, der überall glücklich wurde, bloß bei Bayern nicht. Seine Erben: Jupp Heynckes, Niko Kovac, Flick, Nagelsmann, Tuchel.

Für einen wie De Zerbi wäre der FC Bayern zweifellos ein Karrierebooster, dasselbe mag für Rangnick und am Ende auch für Emery gelten, trotz Arsenal- und Paris-Vergangenheit sowie vier Europa-League-Siegen. Allerdings verließen bzw. verlassen Ancelotti, Kovac, Nagelsmann und Tuchel den Club mit durchaus beschädigter Reputation – das schreckt ab.

2. Denn sie wissen nicht, was sie tun (wollen)

Allein die Auswahl der Kandidaten zeigt das Dilemma auf: Offenbar ist sich der FC Bayern nicht abschließend im Klaren, welches Profil und welchen Fußballstil der Neue mitbringen soll. Alonso war der Favorit – aber unterscheidet sich sein spanisches Modell mit tausend Kurzpässen nicht fundamental von Nagelsmanns Ideen? Kontrastiert der riskante, provozierend zugespitzte De-Zerbi-Ballbesitzfußball nicht die systematische Gegenpressing-Gedankenschule, die Rangnick einst im Red-Bull-Kosmos lehrte? Welche taktischen Formen decken sich mit Schmidts Balleroberungsfußball oder Emerys Ansätzen, die einen variablen, dynamischen Vortrag vorsehen? Was – außer Aura – würde eigentlich Zidane auszeichnen? Und in welche Überlegungen passte das teuflische Mantra eines José Mourinho, der ebenfalls (temporär) in der Verlosung gewesen sein soll?

Auf anderer Ebene illustrierte sich Bayerns Zerrissenheit beim Verdikt über Nagelsmann. Sportvorstand Max Eberl, ein Uli-Hoeneß-Abgesandter, war der stärkste Treiber einer Verpflichtung. Die Opposition (besonders von Karl-Heinz Rummenigge, wie es heißt) streute Bedenken im Verein und damit, als Konsequenz, bei Nagelsmann selbst. Der sich daraufhin lieber schnell an den DFB band.

Dringende Handlungsempfehlung, mit Verlaub, in die Chefräume an der Säbener Straße: auf einen Nenner einigen. Personell wie fußballspezifisch. „Die Zeit drängt. Wir wollen es aber sauber und gründlich machen“, sagte Eberl am Samstagabend bei Sky.

3. Jeder ist nur noch dritte oder vierte Wahl

Wenn Alonso die Nummer 1 war und Nagelsmann die Nummer 2, und wenn diese ganzen Nummern überall frei nachzulesen sind – welches Bild wirft das dann auf Gesprächsanfragen, die eventuell bei Aston Villa oder Brighton eintrudeln, in Wien, Stuttgart oder irgendwo in Frankreich? Jeder Trainer weiß jetzt, dass er eben nicht die Nummer 1 der Bayern wäre, ehrlich gesagt nicht einmal die Nummer 2.

Für Rangnick etwa, so hören wir, wäre ein Münchner Engagement grundsätzlich denkbar; er soll aber wenig begeistert darüber sein, im Zweifel lediglich als Kompromisslösung zu gelten. Was Eberls Trainerfindungsauftrag in Kombination mit der historisch kurzen Verweildauer auf der Bayern-Bank (siehe oben) nicht leichter gestaltet.

4. Das Champions-League-Finale 2025 in München

Ein Champions-League-Finale im eigenen Stadion gibt es maximal einmal im Leben? An sich sehr wahr, aber Manuel Neuer und Thomas Müller hätten 2025 tatsächlich ihre zweite Gelegenheit auf einen Triumph vor Heimkulisse.

Ironie des Sportlerschicksals: Das größte aller Spiele ist für Bayern zu früh terminiert. Weil die Wucht und Wichtigkeit der Aussicht, 13 Jahre nach dem Drama gegen Chelsea 2012 erneut ein Endspiel in der Allianz Arena erreichen zu können, jede Umwälzung beeinflusst. Zumindest subtil. Einen einjährigen Übergangstrainer zu installieren, bis im Sommer 2025 vielleicht doch Alonso oder der heilige Jürgen Klopp verfügbar wären, kann sich der FC Bayern praktisch nicht erlauben. Die nächste Entscheidung für die Coachingzone muss sitzen. Jetzt. Sofort.





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