Der Preis für eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung: bis zu 360.000 Euro. Offenbar ein Schnäppchen für die Klientel der Luxus-Schleuser, die am Mittwoch bei einer Großrazzia der Bundespolizei in mehreren Bundesländern hochgenommen wurden.

Wohlhabende Geschäftsleute aus China, dem Oman, Südafrika oder Indien lockte die Bande mit dem Zugang zu einem „Weltklasse-Gesundheitssystem“, exzellenten Bildungsmöglichkeiten, uneingeschränktem Reiserecht im Schengen-Raum, einer robusten Wirtschaft und sogar der Möglichkeit, nach drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Laut Oberstaatsanwalt Hendrik Timmer nahmen bis zu 342 Personen die Dienste der Schleuser wahr. Wie das möglich war, erklärte Timmer im Gespräch mit der „Bild“: „Unter Ausnutzung von Sonderregeln für Selbstständige oder ausländische Fachkräfte wurden die Aufenthaltsgenehmigungen erschlichen.“

Schleuser-Netzwerk nutzte Sonderregeln des Aufenthaltsgesetzes für Selbstständige

Die Sonderregelung für Selbstständige im deutschen Aufenthaltsgesetz ermöglicht es ausländischen Selbständigen, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Eine dieser Voraussetzungen ist ein „wirtschaftliches Interesse“ oder „regionales Bedürfnis“. Das heißt: Der Selbstständige muss nachweisen, dass seine Tätigkeit einem wirtschaftlichen Interesse in Deutschland dient oder ein bestimmtes regionales Bedürfnis befriedigt.

Ebenso relevant sind „positive Auswirkungen auf die Wirtschaft“. Es muss also zu erwarten sein, dass die Tätigkeit des ausländischen Selbständigen, der eine Ausreisegenehmigung anstrebt, positive Auswirkungen auf die Wirtschaft hat.

Darüber hinaus sieht die Sonderregelung vor, dass die Finanzierung des Unternehmens durch Eigenkapital oder Kreditzusagen gesichert sein muss.

Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde ausgetrixt

Die Schleuser machten sich laut Timmer auch das deutsche Fachkräfteeinwanderungsgesetz zunutze. Es soll qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern die Arbeitsaufnahme in Deutschland erleichtern.

Seit März 2024 können ausländische Fachkräfte mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung und einem staatlich anerkannten Berufsabschluss aus ihrem Heimatland in den meisten Berufen in Deutschland arbeiten, auch wenn ihr Abschluss hierzulande nicht formell anerkannt ist. Allerdings müssen sie bestimmte Gehaltsgrenzen erreichen oder tarifgebunden arbeiten, um nicht im Niedriglohnsektor zu landen.

Darüber hinaus gibt es eine neue Regelung, die es Fachkräften ohne anerkannten Abschluss ermöglicht, in Deutschland zu arbeiten, wenn sie eine so genannte „Anerkennungspartnerschaft“ eingehen. Damit können sie sofort arbeiten, während ihr Anerkennungsverfahren noch läuft.

Für Branchen mit hohem Bedarf können bis 2024 bis zu 25.000 Fachkräfte unabhängig von ihrer Qualifikation befristet angeworben werden, sofern sie bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigt sind.

Die „Blaue Karte EU“ ist zudem ein wichtiger Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte aus Drittstaaten mit Vorteilen wie Familiennachzug und erleichtertem Arbeitsplatzwechsel.

Bestechung und Täuschung: Die Methoden der Luxus-Schleuser

Die Schleuserbande nutzte nach Angaben der Ermittler verschiedene Methoden, um wohlhabende Ausländer gegen hohe Gebühren nach Deutschland zu bringen.

Die Kriminellen  gründeten Scheinfirmen und andere Gesellschaften, um Investitionen vorzutäuschen und die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln zu erfüllen.

Darüber hinaus deuten hohe Gebühren für Beratung und Rechtsbeistand darauf hin, dass spezialisierte Anwälte dabei halfen, die Aufenthaltsanträge durch das System zu bringen.

Um die Genehmigungsverfahren zu erleichtern, wurden laut Timmer „auch Amtsträger bestochen“ bestochen, was die Anerkennung verschiedener Dokumente und die Schritte zur Aufenthaltsgenehmigung erleichterte.

Fake-Wohnsitz für Geschleuste in Deutschland

Außerdem wurden den Geschleusten Adressen vermittelt, um den Anschein eines festen Wohnsitzes in Deutschland zu erwecken, der Voraussetzung für bestimmte Aufenthaltstitel ist, heißt es im „Bild“-Artikel.

In mindestens 147 Fällen seien wohlhabende Ausländer, teilweise mit ihren Familien, mithilfe dieser Methoden und Schlupflöcher eingeschleust worden.

Laut Timmer ist der aktuelle Aufenthaltsort eines Großteils der eingeschleusten Personen unbekannt. Sie könnten sich entweder in ihren Heimatländern aufhalten oder einen festen Wohnsitz in Deutschland haben.

Eine der angegebenen Adressen sei ein Elite-Internat gewesen. „Tatsächlich war aber nicht nur das Kind dort gemeldet, sondern auch der Vater als Hauptantragsteller – und der wohnt natürlich nicht dort“, so der Oberstaatsanwalt.





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