Hannover. Es gibt Politiker, die brauchen keine herausgehobene Stellung, um Einfluss in ihrer Partei auszuüben. So einer, der gerne auch im Hintergrund bleibt, ist der 47 Jahre alte Bauunternehmer Ansgar Schledde aus der Grafschaft Bentheim. Am Wochenende beim Parteitag der niedersächsischen AfD kommt der Mann aus Schüttorf aus der Deckung und greift nach dem Landesvorsitz.

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Man darf getrost Wetten darauf abschließen, dass ihn die Delegierten im Bürgerhaus in Unterlüß wählen werden – Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und eine Hausdurchsuchung in der Parteizentrale in Hannover werden daran kaum etwas ändern.

„Kriegskasse“, Mandate verkauft?

Schledde wird vorgeworfen, er habe eine inoffizielle „Kriegskasse“ geführt und Kandidaten gegen Geld Mandate in Bundes- und Landtag verschafft. Die Partei schert das nicht, sie wird sich in der Südheide um ihn scharen, und Schledde beteuert seine Unschuld. „Ich habe mir in keinster Weise etwas vorzuwerfen.“ Vier von fünf Kreisverbänden wollten, dass er kandidiere. „Und das werde ich auch tun“, sagte er den „Grafschafter Nachrichten“.

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Schledde ist groß, er ist breit, und viele haben Angst vor ihm. Respekt hat er sich damit erworben, dass er für Ruhe im zersplitterten AfD-Landesverband gesorgt hat. Schledde sitzt seit zwei Jahren im Landtag, er kandidierte auf Platz zwei der Liste, ist Fraktionsvize und hält sich ansonsten in der Fraktion überwiegend im Hintergrund.

Der eine will den anderen beerben: Ansgar Schledde will Frank Rinck beim Parteitag in Unterlüß als Landesvorsitzender der AfD in Niedersachsen ablösen.

Der eine will den anderen beerben: Ansgar Schledde will Frank Rinck beim Parteitag in Unterlüß als Landesvorsitzender der AfD in Niedersachsen ablösen.

In der Partei war das bisher ähnlich, auch wenn es in Wahrheit der 47-Jährige ist, der anstelle des Vorsitzenden Frank Rinck die Geschicke lenkt. Das konnte man gut schon vor zwei Jahren im Mai beim Parteitag in Hannover beobachten. Schledde wollte, dass Rinck unter ihm Parteichef wird, und Frank Rinck wurde Parteichef.

Das Mitgliedertreffen auf dem Schützenplatz war eine Demonstration seiner Macht. Schledde saß als Vorsitzender des Kreisverbands Ems-Vechte im Zelt. Aus dem Plenum heraus steuerte er mit Anträgen und Wortmeldungen den Gang der Versammlung. Was Schledde wollte, wurde im Großen und Ganzen beschlossen. Der glücklose Vorsitzende Jens Kestner war als Parteichef Geschichte und damit der Einfluss des völkisch-nationalen „Flügels“ um Björn Höcke zurückgedrängt.

Das Schledde-Lager hat das Sagen

Bis heute hat das Schledde-Lager in der Niedersachsen-AfD das sagen. Bei der Landtagswahl im Herbst 2022 erzielte die AfD fast 12 Prozent der Stimmen. Daran änderten auch die Vorwürfe einer geheimen „Kriegskasse“ nichts, die kurz vor der Wahl das erste Mal aufkamen.

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Der scheidende Landtagsabgeordnete Christopher Emden erklärte damals in einem TV-Interview, Schledde habe ihn aufgefordert, 4000 Euro auf ein inoffizielles Konto zu zahlen. Als Emden sich weigerte, habe Schledde erklärt, die Zahlung sei erforderlich, wolle Emden bei der Listenaufstellung zur Landtagswahl auf die Unterstützung seines Lagers zählen.

AfD-Bundestags- wie Landtagsabgeordnete zahlten zum Teil vierstellige Summen auf das private Konto Schleddes ein, hat das Landeskriminalamt ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück stellte Ermittlungen wegen Untreue mangels hinreichenden Tatverdachts ein.

Damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Schledde klagte gegen Emden auf Unterlassen der Behauptungen – und verlor. Es gebe „keine vernünftigen Zweifel“, dass Emdens Behauptung „plausibel, nachvollziehbar und überzeugend bekundet wurde“. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Behauptung „wahr“, heißt es im Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Verden aus dem März 2024. Schledde hat dagegen Rechtsmittel eingelegt.

Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung: Polizeibeamte stellten am Mittwoch Unterlagen und einen Datenträger im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hannover sicher.

Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung: Polizeibeamte stellten am Mittwoch Unterlagen und einen Datenträger im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hannover sicher.

Nachdem die AfD im Frühsommer 2023 ihren Rechenschaftsbericht für das Jahr 2021 vorgelegt hatte, und die Zahlungen dort nicht auftauchten, wurde die Staatsanwaltschaft Hannover tätig, wegen des Verdachts der Verschleierung von Parteigeldern – am vergangenen Mittwoch dann die Durchsuchung. Die AfD spricht von einer „Schmutzkampagne“.

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Es ist nicht das erste Mal, dass Polizei und Staatsanwaltschaft gegen Schledde ermitteln. Vor beinahe 25 Jahren war er in Rastdorf im Emsland an einem Angriff auf das Haus eines Grünen-Ratsherrn beteiligt. Er soll vor dem Haus randaliert haben, das „Deutschlandlied“ gesungen haben. Scheiben gingen zu Bruch.

„Eine Dummheit“

Schledde sagt: „Das war eine Dummheit nach einer Geburtstagsparty und mit Sicherheit keine Glanzleistung.“ Er habe das Grundstück nicht betreten und das „Deutschlandlied“ nicht gesungen. Wir haben uns entschuldigt und Schadensersatz geleistet.“ Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt, und Schledde musste die Verfahrenskosten des Ratsherrn tragen.

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Auch danach wurde immer wieder gegen den Vater von drei Kindern ermittelt. Im Emsland, wo er früher lebte, kursieren wilde Geschichten, auch über Gewaltdelikte. Ein Hooligan des SV Meppen sei er gewesen, sei wegen Landfriedensbruchs verurteilt worden, habe Stadionverbot erhalten – alles nicht wahr, sagt Schledde. Er habe der Fangruppe „Imperium Meppia“ angehört. „Das sind Ultras, keine Hooligans.“ Er habe sich in seinem Leben ganze zwei Mal geprügelt.

Wie hält er es mit dem völkischen Flügel?

Verurteilt wurde er Ende der Zweitausenderjahre wegen Insolvenzverschleppung. „Ich habe einen Fehler begangen, der zu recht von einem Gericht geahndet wurde“, sagt Schledde. „Ich habe daraus meine Lehren gezogen und mir nichts mehr zu Schulden kommen lassen.“

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Und die künftige Ausrichtung der AfD? Wird er völkische Strömungen in der Partei dulden? Wie im Kreisverband Northeim, der dieses Jahr Björn Höcke mit einem Preis würdigte? Darüber will Schledde erst nach dem Parteitag reden.

Dieser Text erschien zuerst bei der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.



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