Berlin. Die Vorsitzende der Landesgruppe Ost in der Grünen-Bundestagsfraktion, Paula Piechotta, hat angesichts der jüngsten Empfehlung einer Regierungskommission zur Liberalisierung von Abtreibungen eine Gesetzesänderung angeregt. „Viele Menschen in Ostdeutschland können – auch wegen der geringen Bedeutung der Kirchen im Osten – kaum nachvollziehen, warum die Debatte um die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs in anderen Regionen Deutschlands immer noch mit so großer Härte geführt wird“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und betonte: „Die Empfehlung der Kommission ist einstimmig. Sollte die Straffreiheit kommen, hätte man einen der sehr wenigen Punkte behoben, an dem die DDR-Diktatur tatsächlich liberaler war als die alte Bundesrepublik.“ Die von der Ampelkoalition eingesetzte Fachkommission empfiehlt eine Entkriminalisierung von Abtreibungen zumindest für die ersten Schwangerschaftswochen.

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Die Volkskammer der DDR hatte 1972 ein „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ verabschiedet. Es gestand Frauen das volle Recht „zur Bestimmung der Anzahl, des Zeitpunktes und der zeitlichen Aufeinanderfolge von Geburten“ zu. Der spätere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und Gynäkologe Wolfgang Böhmer (CDU) sagte, Abtreibungen hätten in der DDR „zur Familienplanung“ gehört. Viele in der DDR sozialisierte Frauen beklagten später, dass dieses Recht nach 1990 einer gesamtdeutschen Regelung wich.

Sie besagt, dass Schwangerschaftsabbrüche straffrei bleiben können, wenn sich betroffene Frauen drei Tage vor einer Abtreibung in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle beraten lassen, für Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der körperlichen oder seelischen Gesundheit besteht – oder eine Vergewaltigung vorliegt.

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Abtreibung: Unklar, wie es nach der Kommissionsempfehlung weitergeht

Unklar ist, wie es nach der Kommissionsempfehlung weitergeht. Die Bundesregierung agiert zurückhaltend und will eine ausführliche Debatte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte: „Was wir nicht brauchen, ist eine weitere Debatte, die die Gesellschaft spaltet.“

Das zielt nicht zuletzt auf die AfD, die Abtreibungen ablehnt. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, wandte sich im Radiosender WDR 5 dagegen, „dem Embryo in den ersten Wochen keinen Schutz mehr zu geben“. Die Beratungspflicht müsse bleiben. Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen plädierten indes für eine Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches.

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Unterdessen sind auch in Ostdeutschland, wo bis heute häufiger abgetrieben wird als in Westdeutschland, nicht alle für die Rückkehr zu DDR-Verhältnissen. Die sächsische Sozialministerin Petra Köpping (SPD) sagte der „Sächsischen Zeitung“: „Ich bin für die Streichung des Paragrafen 218 Strafgesetzbuch. Aber ich möchte deutlich sagen, dass ich die Beratungspflicht weiterhin für notwendig und richtig halte. Zu DDR-Zeiten gab es keine Beratungspflicht. Die Frauen sind zu ihrem Arzt gegangen und der hat gesagt, dann machen wir es eben weg, und dann ging es los. Das geht aus meiner Sicht nicht.“



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