Sie sind ein Staat im Staate – mit eigenem Firmenimperium, einem eigenen Kodex, von keiner staatlichen Institution kontrolliert, kompromisslos fanatisch, zudem bestens versorgt und ausgerüstet: die iranische Revolutionsgarde (IRGC), auch Pasdaran genannt.
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In Deutschland wird darüber gestritten, ob die Revolutionsgarde als Terrororganisation eingestuft werden sollte oder nicht. In den USA ist das bereits 2019 geschehen. Brüssel und Berlin zögern noch, während Großbritannien diesen Schritt für diese Woche angekündigt hat.
Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen hatte das schon im Herbst 2022 ins Gespräch gebracht, seinerzeit im Kontext der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten. Etliche deutsche Politiker schlossen sich jetzt angesichts der iranischen Luftattacken gegen Israel vom Wochenende dieser Forderung an – vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz bis zum Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, dem SPD-Politiker Michael Roth.
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Tatsächlich bildet die 190.000 Mitglieder starke iranischen Revolutionsgarde (IRGC) das Rückgrat der Islamischen Republik. Spät reagierte ihr Kommandeur, der 63‑jährige Generalleutnant Hussein Salami, auf den seit September 2022 lodernden Aufstand im Land. „Heute ist der letzter Tag der Aufstände“, drohte er am 29. Oktober – es klang wie eine Kriegserklärung ans eigene Volk, das nicht mehr gewillt war, sich von den Mullahs und ihren Totschlägern gängeln zu lassen.
Seine Drohungen indes bewirkten nichts. Drei Wochen später, inzwischen schätzte man die Zahl der getöteten Demonstrierenden auf über 300, ergriff Salami noch einmal das Wort: „Alle Satane der Welt haben sich versammelt. Amerika, England, Deutschland, Frankreich, Israel, die Saudis und weitere“, pöbelte er. Es war das erste Mal, dass ein hochrangiges IRGC-Mitglied Deutschland öffentlich als „Satan“ bezeichnete.
Hussein Salami, der Anführer der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), spricht bei der Eröffnung einer Ausstellung angeblicher Drohnen der USA und anderer Länder, die der Iran auf seinem Gebiet gefunden haben soll.
Quelle: picture alliance/dpa/ZUMA Wire
Dass die Revolutionsgarde existiert, ist eine Lehre, die der damalige Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini 1979 aus dem Kollabieren des Schah-Regimes gezogen hat: Die damals weniger einem Regime als vielmehr dem Land loyalen kaiserlichen Soldaten und Polizisten liefen angesichts des Aufstands reihenweise zu den islamischen Revolutionären über.
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Khomeini persönlich gab den Befehl für die Gründung einer Garde, die keiner Nation, keinem Führer die Treue zu halten hat – sondern dem Islam, also dem theologisch-ideologischen Fundament der Islamischen Republik. „Er vertrat Islam First, nicht Iran First“, so der Iranexperte Ali Fathollah-Nejad im Gespräch mit „Zeit-Online“.
Spätestens im iranisch-irakischen Krieg von 1980 bis 1988, in dem die nationalen Streitkräfte ausbluteten und ihrer alten Führung beraubt wurden, stieg die Revolutionsgarde zum wichtigsten militärischen, wirtschaftlichen und politischen Akteur des Landes auf.
Unternehmen im Bankensektor, in der Infrastruktur des Landes, im Wohnungsbau
Heute verfügt die IRGC über ein Wirtschaftsimperium, darunter Fabriken, Unternehmen und Tochtergesellschaften im Bankensektor, in der Infrastruktur des Landes, im Wohnungsbau, es gehören Fluggesellschaften und Unternehmen im Tourismus dazu. IRGC-geführte Scheinfirmen helfen, Sanktionen durch ein Netz von Schmuggeloperationen zu umgehen.
Während die iranischen Streitkräfte, seit Jahrzehnten abgeschnitten von westlicher Technik, in einem desolaten Zustand sind, verfügt die Revolutionsgarde über ein beeindruckendes Arsenal, das auch Programme für ballistische Flugkörper und Drohnen umfasst.
Mohammad Bagher Ghalibaf, Sprecher des iranischen Parlaments, ist ein hochrangiger Kommandeur der Revolutionsgarden.
Quelle: picture alliance/dpa/Iranian Supreme Leader’s Office
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Ihre hochrangigen Kommandeure bekleiden auch politische Schlüsselpositionen, der Sprecher des Parlaments, Mohammad Baqer Ghalibaf, gehört dazu. Der gesamte Krake der Revolutionsgarde ist der Regierung nicht rechenschaftspflichtig, selbst wenn Korruptionsdelikte öffentlich werden. Nicht einmal der Revolutionsrat mit Ayatollah Ali Khamenei an der Spitze, der gleichzeitig Oberbefehlshaber aller Streitkräfte ist, hat Einfluss auf die Garde mit ihrer eigenen Befehlshierarchie.
Die Al‑Kuds-Brigaden als ausländischer Arm
Das gilt auch für ihren ausländischen Arm, die Al‑Kuds-Brigaden, deren offizielle Aufgabe es ist, die dem Iran nahestehenden politische Gruppen im Ausland zu unterstützen. Offiziell umfassen die Al‑Kuds-Brigaden 5000 Soldaten, aber nach Ansicht von Beobachtern sind es weitaus mehr. Ihr Aktionsradius reicht von Syrien bis Afghanistan und zum Libanon. Mit der Schiitenmiliz Hisbollah in Südlibanon kontrollieren die Al‑Kuds-Brigaden in dem kleinen Land das eigentliche Machtzentrum.
Das Gesicht der Al‑Kuds war Qassem Soleimani. Er war kurz nach Gründung 1979 in die Revolutionsgarde eingetreten und spielte später bei der wachsenden Zahl von Auslandsaktivitäten der Al‑Kuds-Brigaden eine entscheidende Rolle.
Sein Tod am 3. Januar 2020 auf dem Flughafen von Bagdad, kurz nach dem Eintreffen wurde seine Fahrzeugkolonne von einer amerikanischen Drohne mit Raketen beschossen, war ein schwerer Rückschlag für das Mullah-Regime. Während das Regime vergangene Woche den zweiten Todestag des „Märtyrers“ feierlich beging, nutzten das viele Iranerinnen und Iraner, um ihre Verachtung für den Militär auszudrücken.
Spott über den Tod des „Koteletts“
In vielen Landesteilen brannten rund um den Todestag am 3. Januar Banner, die Soleimanis Gesicht zeigten. Plakate wurden zudem mit blutroter Farbe beschmiert. In tausendfach geteilten Beiträgen bezeichneten Iranerinnen und Iraner Soleimani als „Kotelett“ – eine Anspielung an seine Tötung durch einen US‑Drohnenangriff.
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Der im Iran beliebte Internetstar und Koch Nawab Ebrahimi wurde sogar verhaftet, weil er am Todestag Soleimanis auf seinem Instagram-Account das Rezept für Koteletts veröffentlicht hatte – eine iranische Frikadellenversion aus Fleisch und Kartoffelbrei. Mehr als 2,7 Millionen Follower hatten seine Anspielung gelikt.