Kiel. Angeblich ist das Lampenfieber an allem Schuld. Nur deshalb traut sich Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy nicht alleine auf die Bühne. Und so gibt es zu ihrem neuen Buch „Eine halbe Ewigkeit“ auch keine stinknormale Lesung, sondern gleich eine ganze Show.

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Zusammen mit Schauspielerin Saskia Fischer (58) singt, lacht und tanzt sich die 56-Jährige am Montagabend im ausverkauften Metro-Kino in die Herzen der Zuschauerinnen. Rund 400 Frauen und 20 Männer erfahren in zweieinhalb Stunden alles über Wechseljahre, Schlupflider und Problemzonen. Mit dabei: Mini-Goldendoodle-Hündin Hilde.

Den ersten Roman „Mondscheintarif“ kennt fast jeder im Metro-Kino in Kiel

Das Publikum in Kiel ist mit Ildikó von Kürthy erwachsen geworden. Gefühlt gerade gestern hatten wir noch mit Cora Hübsch aus dem ersten Roman „Mondscheintarif“ die große Liebe erlebt. Nun quälen wir uns mit Schlupflidern, Zahnkronen, Besenreisern und Hängehintern durchs Leben. Mit vielen Antworten und noch mehr Fragen.

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„Ich bin am Ende froh, dass ich doch noch so geworden bin, wie ich nie sein wollte“, sagt die gebürtige Rheinländerin. „Ich bin leicht übergewichtig, schwer desillusioniert und mein Sofa ist für mich ein echter Szene-Hotspot.“

Ildikó von Kürthy erobert im ausverkauften Metro-Kino in Kiel das Publikum im Sturm

Jeder Filmemacher oder Psychologe hätte unbedingt von diesen Themen abgeraten: Erzähle nie von den anstrengenden, frustrierenden und ausgesprochen langweiligen Anteilen in deinem Leben. Doch Ildikó von Kürthy macht genau das. Und erobert damit die Herzen ihres Publikums im Sturm. Denn genau das bewegt uns. Doch nicht einmal mit unserer besten Freundin würden wir so offen reden, wie Ildikó von Kürthy mit Saskia Fischer.

Da wird schonungslos über müffelnde Kinder im Teenageralter hergezogen. Über das eigene Leben, das mit den Jahren immer langweiliger wird. „Statt Gin Tonic trinke ich schon lange Fenchel-Anis-Kümmel-Tee.“ Die Ehe sei zu einer Zweckgemeinschaft ohne Zweck verkommen. Man gehe inzwischen rechtzeitig ins Bett und erinnert sich noch gegenseitig, doch ja die gelbe Tonne rauszustellen. „Wir sind ein Team, kein Paar“, stöhnt Ildikó von Kürthy.

Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy in Kiel über das „fröhliche Reifen und wackere Welken“

Nix mehr mit biegsam und sexhungrig. „Wenn ich versuche, sexy zu gucken, denkt mein Mann, ich habe einen Schlaganfall.“ Im schwarzen Trench singt die Bestseller-Autorin dazu „Private Dancer“ von Tina Turner. Dabei wäre es doch so einfach: Fröhlich reifen, wacker welken und liebevoll resignieren. Doch stattdessen hat uns der Selbstoptimierungswahn fest im Griff. „Wir würden alle eine Menge Geld, Zeit und Nerven sparen, wenn wir uns klarmachten, dass Probleme, Minderwertigkeitsgefühle, Verschleiß und Katastrophen zum Leben gehören, wie Stoffwechsel und Ohrenschmalz.“

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Einmal ausgesprochen ist die Realität gar nicht mehr so schlimm. Denn mit Ildikó von Kürthy und Saskia Fischer ist es fast so wie auf einer Pyjama-Party mit zarten 16. Schonungslos und offen. Und man merkt, niemand ist allein. Allen Frauen um die 50 geht es so.

Ildikó von Kürthy und Saskia Fischer sind beim Thema Wechseljahre herrlich ehrlich

Herrlich ehrlich – so sind die beiden Frauen dort oben auf der Bühne. Sie harmonieren übrigens bestens. Und zum Glück fällt mit der richtigen Musik alles gleich viel leichter – auch die Wahrheit. So singen sich Ildikó von Kürthy und Saskia Fischer durch die Hits der 80er und 90er. Von Alphavilles „Forever Young“ über „Sexual Healing“ von Marvin Gaye bis zu „Je t‘aime“ von Jane Birkin und Serge Gainsbourg.

Ja, in jungen Jahren da hatte man noch Träume. Aber auch darüber hinaus kann sich die Bestseller-Autorin – inzwischen in Goldkleid und mit riesigem Mohnblumen-Hut – herrlich ereifern. Vor allem über den Spruch „Träume nicht Dein Leben, lebe Deine Träume“. „So ein Quatsch“, sagt sie. „Ich bin heilfroh, dass ein Großteil meiner Träume nie in Erfüllung gegangen sind. Sonst wäre ich jetzt mit Prinz Andrew zusammen.“

Saskia Fischer in Kiel: „Entweder eine Hormonersatztherapie oder Scheidung“

Zum Lied „That’s What’s Friends Are For“ von Dionne Warwick wird klar, dass Freunde eigentlich das größte sind und dass wir uns alle mit den gleichen Problemen abplagen. „Es wäre so schön, wenn mein Mann mal an der Kaffeemaschine morgens in der Küche zu ,I Am What I Am’ ausrasten würde“, sagt Saskia Fischer. „Aber stattdessen schaltet er um auf Deutschlandfunk.“ In den Wechseljahren sei es wichtig, eine klare Antwort zu finden: „Entweder eine Hormonersatztherapie oder Scheidung.“

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Manchmal, so sagt Saskia Fischer, fühle sie sich wie ein Blumenkohl in einer Obstschale. Völlig fehl am Platz. Doch beim Blick ins Publikum im Metro-Kino wird sie gut gelaunt. „Der ganze Saal ist ja voll mit überreifem Gemüse“, ruft sie lachend. „Und wenn wir uns jetzt alle beeilen, sind wir um 23 Uhr im Bett.“ Genau die richtige Uhrzeit für Frauen in den Wechseljahren.

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Und da „Kiel ja das Köln des Nordens“ ist, wie Ildikó von Kürthy feststellt, fühlt sich die Autorin hier wie zu Hause. So darf dann auch Hündin Hilde zum Schluss mit auf die Bühne und gemeinsam mit dem Publikum wird „My Way“ von Frank Sinatra geschmettert.

Nach zweieinhalb Stunden ist die muntere Besuchermenge im Metro-Kino zu einer echten Gemeinschaft zusammengewachsen. Man gehört zusammen, darf zusammen klagen und zusammen klüger werden. „Mein Leben ist gut“, sagt die Autorin. „Nicht weil es schön ist. Sondern, weil es bunt, dunkel und hell, reich und erbärmlich, beängstigend, befremdlich, einzigartig, quälend und großartig ist.“ Auf so ein Satz ein Fenchel-Kümmel-Anis-Tee. Danke, Ildikó, dass wir mit dir alt werden dürfen.

KN



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