Vor dem Hintergrund der Warnung von Verkehrsminister Volker Wissing vor Wochenend-Fahrverboten legen Klima-Experten einen Bericht zu den deutschen Treibhausgas-Emissionen vor. Der heutige Termin hat rechtliche Bedeutung: Wenn Sektoren wie der Verkehrsbereich mehr ausstoßen als erlaubt, muss das zuständige Ministerium nach geltendem Gesetz binnen drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, um gegenzusteuern.

Mit diesem Argument hatte FDP-Politiker Wissing zuletzt Druck für eine zügige Reform des Klimaschutzgesetzes gemacht, die diese Pflicht abschaffen soll – und gedroht, dass andernfalls drastische Einschränkungen wie Fahrverbote für Autos mit Verbrennermotor nötig sein könnten.

Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung sagte dazu, die FDP veranstalte ein «Schmierentheater». «Volker Wissing schürt Verunsicherung, um davon abzulenken, dass er seine Hausaufgaben beim Klimaschutz nicht macht», sagte er den «Stuttgarter Nachrichten» und der «Stuttgarter Zeitung». Das Klimaschutzgesetz verpflichte keineswegs zu Fahrverboten, «wohl aber zu Generationengerechtigkeit beim Klimaschutz».

Prüfung von Emisionsdaten für das vergangene Jahr

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich kritisch über Wissings Drohung. «Fahrverbote lehnen wir ab», sagte er der «Bild»-Zeitung. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai mahnte, die Grünen müssten ihre Blockade beim Klimaschutzgesetz zügig aufgeben. «Aus dem planwirtschaftlichen Klimaschutzgesetz der Ära Merkel muss endlich ein marktwirtschaftliches und praxistaugliches werden», sagte er der «Bild»-Zeitung. Ansonsten drohe «massiver Ferienfrust» bei Millionen Bürgern.

Der Expertenrat für Klimafragen prüft die vom Umweltbundesamt (UBA) vorgelegten Emissionsdaten für das vergangene Jahr. Das gehört zu den gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben des unabhängigen Wissenschaftler-Gremiums. Der Vorsitzende Hans-Martin Henning und seine Stellvertreterin Brigitte Knopf stellen ihre Ergebnisse in Berlin vor.

Das Bundesamt ging in seinem Mitte März vorgestellten Bericht davon aus, dass der deutsche Ausstoß an Treibhausgasen im vergangenen Jahr um 10,1 Prozent gesunken ist, führte dies aber eher auf die schwächelnde Wirtschaft als auf Fortschritte beim Klimaschutz zurück. Die Bereiche Gebäude und Verkehr verfehlten laut UBA im vergangenen Jahr erneut ihre Klimaziele.

Uneinigkeit bei der Reformierung

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will das zugrundeliegende Klimaschutzgesetz eigentlich reformieren. Damit wäre künftig stärker die Emissionsbilanz aller Wirtschaftsbereiche ausschlaggebend und nicht mehr einzelne Sektoren. Insbesondere die FDP dringt auf diese im Grundsatz bereits vereinbarte Reform, die Grünen fürchten eine Aufweichung des Klimaschutzes. Das Kabinett hatte die Novelle im vergangenen Juni auf den Weg gebracht, die Verhandlungen der Ampel-Fraktionen im Bundestag dazu ziehen sich aber in die Länge.

In dem Gesetz sind die Klimaschutzziele Deutschlands verbindlich geregelt. Es sieht in der aktuellen Fassung vor, dass die Emission von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert wird. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt.

Sollte das novellierte Klimaschutzgesetz bis zum Ablauf der Drei-Monats-Frist am 15. Juli nicht in Kraft getreten sein, müssten allein für den Verkehr rund 22 Millionen Tonnen sogenannte CO2-Äquivalente ad hoc zusätzlich eingespart werden – so jedenfalls die Warnung des Verkehrsministers. Das ist nach seiner Darstellung nur durch weitreichende Eingriffe wie Wochenend-Fahrverbote möglich. Diese Warnung hatte er letzte Woche in einem Brief an die Ampel-Fraktionsvorsitzenden formuliert.

FDP-Chef Lindner appellierte am Wochenende an die Grünen, die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht zu blockieren. Sollten die Grünen ihre Blockade nicht aufgeben, wären in Deutschland «drakonische Freiheitseinschränkungen bis hin zu Fahrverboten für Verbrennungsmotoren» denkbar, sagte er. Koalitionspolitiker von Grünen und SPD sowie Verbände warfen Wissing Ablenkungsmanöver und Panikmache vor.

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