Nach den iranischen Angriffen auf Israel fordert Scholz ein Ende der Eskalation. Nur wie? In der Ampel wird ein härterer Umgang mit Teheran gefordert.

Kanzler Olaf Scholz am Sonntag in China. Im Hintergrund Hochhäuser. Scholz trägt Anzug.

Im chinesischen Chongqing warnt Kanzler Olaf Scholz vor einer weiteren Eskalation nach den iranischen Angriffen Foto: Michael Kappeler, dpa

BERLIN taz | Olaf Scholz meldet sich am Sonntagmittag aus Chongqing zu Wort, wo er am frühen Morgen zu seiner dreitägigen China-Reise gelandet war. Die nächtlichen Raketen- und Drohnenattacken des Iran auf Israel seien „ein durch nichts zu vertretender Angriff“, erklärt der deutsche Bundeskanzler. „Das ist eine schlimme Eskalation der Lage und in keiner Weise akzeptabel, nachvollziehbar und hinnehmbar.“ Und Scholz bleibt mit seinen Worten nicht allein in der deutschen Politik.

300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper hatte der Iran in der Nacht auf Israel abgefeuert. Es war der erste direkte Angriff Irans auf Israel überhaupt. Die Schäden blieben überschaubar, vor allem dank der israelischen Luftabwehr. Aber international war die Entrüstung groß, auch in Deutschland. Schon am Morgen hatte Scholz die Angriffe als „durch nichts zu rechtfertigen“ kritisiert. Der Iran riskiere einen „Flächenbrand“.

Am Mittag legt Scholz in Chongqing nach, wo er eigentlich mit einer deutschen Wirtschaftsdelegation unterwegs ist. Deutlich warnt Scholz den Iran und seine Verbündeten vor einer weiteren Eskalation. Israel habe jedes Recht sich zu verteidigen, betont der Kanzler. Aber er appelliert letztlich auch an „alle“ Akteure der Region – also auch die Netanjahu-Regierung in Israel, die bereits Reaktionen angekündigt hat. Er könne alle nur warnen, „so weiterzumachen“, so Scholz.

Scholz selbst passte sein chinesisches Besuchsprogramm für Sonntag an, sagte für den Nachmittag seine Teilnahme auf einer Bootsfahrt ab. Stattdessen wollte sich der Kanzler an einer Schaltkonferenz der G7-Regierungschefs zu den Iran-Angriffen beteiligen. Am Abend wollte er sich auch nochmal mit den für Sicherheit zuständigen Ministerinnen und Ministern der Bundesregierung zusammenschalten.

Krisenstab der Bundesregierung tagte

Bereits am Sonntagvormittag hatte knapp eine Stunde der Krisenstab der Bundesregierung getagt, unter der Leitung von Außenministerin Annalena Baerbock. Scholz war zugeschaltet. „Das iranische Regime hat sehenden Auges den ganzen Nahen und Mittleren Osten an den Rand des Abgrunds geführt“, erklärte auch Baerbock im Anschluss. Die Angriffe seien „aufs Schärfste“ zu verurteilen, Israel gelte die „volle Solidarität Deutschlands“.

Der Iran müsse weitere Angriffe unterlassen, auch über Verbündete, appelliert Baerbock. Ein regionaler Flächenbrand hätte „unkalkulierbare Folgen“. Aber auch die Außenministerin appelliert an „alle Akteure in der Region“, nun besonnen zu handeln. „Die Eskalationsspirale muss durchbrochen werden.“ Man müsse „gemeinsam“ zu einem Ende der Gewalt finden.

Die Frage bleibt nur: Wie genau kann das gelingen? An welchen Konsequenzen für den Iran wird sich nun auch Deutschland beteiligen? Und wie wird Deutschland Israel im Falle einer weiteren Eskalation beistehen?

Scholz und Baerbock ließen hierzu Antworten vorerst offen. Zu Konsequenzen berate man sich mit internationalen Partnern, erklärten Scholz und Baerbock lediglich. Schon länger aber steht Deutschland in der Kritik, zu nachsichtig mit dem Iran umzugehen, in dem es etwa nicht forciere, dass die iranischen Revolutionsgarden auf der EU-Terrorliste landen.

Forderungen nach einer „härteren Gangart“

Auch in der Ampel wurden am Sonntag nun Stimmen laut, die Gangart gegenüber dem Iran zu verschärfen. Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, erklärte, die EU und Deutschland müssten „endlich eine härtere Gangart gegenüber Iran einlegen“. Das Mullahregime destabilisiere und radikalisiere den ganzen Nahen und Mittleren Osten.

FDP-Europaspitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann erklärte, die iranischen Angriffe zeigten „in dramatischer Weise das Scheitern naiver Appeasementpolitik, die nun das Mullahregime nutzt“. Deutschland und die EU müssten alles ihnen Mögliche tun, um Israel bei der Abwehr zur Seite zu stehen.

Auch in der Opposition forderte Außenexperte Jürgen Hardt (CDU), der Westen müsse „endlich einen härten Kurs gegen Teheran fahren“. Das Mullah-Regime habe endgültig bewiesen, dass es für „Chaos, Gewalt und Terror“ stehe. Sein Parteikollege Norbert Röttgen trat ebenso dafür ein, dass die Bundesregierung dafür eintreten müsse, dass die EU ihre „desaströse Iranpolitik“ korrigiere. Deutschland müsse seine Handelsbeziehungen mit dem Iran einschränken, dürfe hier nicht mehr der größte Partner sein. Und die Revolutionsgarden gehörten auf die EU-Terrorliste, so Röttgen.

Deutscher Botschafter einbestellt

Zunächst aber reagierte der Iran. Noch am Sonntag stellte er in Teheran die deutschen, britischen und französischen Botschafter ein – wegen deren „unverantwortlichen“ Reaktionen auf die iranischen Angriffe. Die Mullah-Regierung hatte die Drohnen- und Raketenattacken als Vergeltung für einen Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus im April bezeichnet. Damals waren zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der Revolutionsgarden getötet worden. Eine deutsche Reaktion auf die Einstellung des Botschafters blieb zunächst aus.

Die Botschaft und das Auswärtige Amt hatten schon zuvor alle Deutschen aufgerufen, den Iran „umgehend“ zu verlassen – aufgrund der aktuellen Sicherheitslage, die sich „unangekündigt und rasch weiter verschlechtern“ könne. Baerbock unterstrich am Sonntag, dass diese Warnung „sehr ernst zu nehmen“ sei.



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