München So warm wie noch nie im ersten Aprildrittel: Am vergangenen Wochenende (6. und 7. April) wurde laut dem Deutschen Wetterdienst in vielen bayerischen Städten wohl die vermutliche wärmste Temperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen. Am München stand das Thermometer am Sonntag bei 26,5 Grad, entsprechend drückten die Massen an die Isar, für ein Eis in den Englischen Garten oder für ein Radler in die Biergärten. Wie schön, ein früher Sommeranfang! 

Doch was am Wochenende beobachtet wurde, könnte auch nur ein Zwischenstand sein – auf dem Weg zu noch höheren Temperaturen. Denn dass diese noch weiter steigen dürften, da sind sich Weltklimarat, Wetterdienst und Forscher einig. In 20 Jahren sollen in München Temperaturen herrschen wie heute in Mailand, in Berlin könnte es so heiß werden wie heute im australischen Canberra. Nicht ohne Grund wird auf politischem Terrain gar nicht mehr diskutiert, ob die Erwärmung aufzuhalten sei. Vielmehr geht es nur noch darum – 1,5 Grad, 2 Grad etc. – wie groß diese sein wird. 

Längst geht es nicht mehr um Abwendung des Klimawandels, sondern nur mehr um die Anpassung. Der Rekord wird der neue Normalzustand. Was bedeutet das für die Menschen in der Stadt? “Die Hitze betrifft uns erst einmal alle”, sagt die Medizinpädagogin Dr. Julia Schoierer vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin des LMU-Klinikums und der Agentur ecolo. im Gespräch mit der AZ. Nur manche Menschen seien aufgrund ihres Alters, ihrer Vorerkrankungen, ihres Verhaltens oder ihres Berufs besonders betroffen. 

April-Hitze in München: Sommer ist schön, aber auch Gefahr durch hohe Temperaturen

Schoierer denkt da zunächst an Bewohner der Altersheime, aber auch zum Beispiel an die städtischen Bauhofmitarbeiter, Paketboten, Pannenhelfer oder leidenschaftliche Jogger. “Auch wenn ein Sportler sehr fit ist, hat er wiederum andere Risikofaktoren”, sagt Schoierer. “Er ist länger der Sonne ausgesetzt und hat eine hohe körperliche Beanspruchung.” Komplett gegen die Hitze gewappnet wäre man also nur, wenn man sich ausschließlich in kühlen Räumen aufhalten würde.

Die Klimaforscher bekämen immer häufiger die Rückmeldung: Jetzt macht ihr auch noch den Sommer schlecht! Dabei sollten sich natürlich alle über schönes Wetter und Eiscreme freuen können, findet Scheuerer. Doch der Sommer sei eben für manche nicht ausschließlich schön, sondern könne ab gewissen Temperaturen auch gefährlich werden. Von etwa 8.000 Toten, die auf die hohen Temperaturen zurückzuführen seien, gingen Forscher für den deutschen Sommer 2022 aus. “Das Wichtige dabei ist einfach nur: Wie können wir alle gesund durch den Sommer kommen?”, so Schoierer. Dazu gehört auch, Wissen zu vermitteln über die Auswirkungen der Hitze auf den menschlichen Körper, etwa dass dieser viel schneller dehydriert und mehr Wasser benötigt, oder dass sich Allergiker auf verstärkten Pollenflug einstellen müssen – denn wenn es wärmer wird, blühen auch die Pflanzen früher oder teils sogar ganzjährig. Mit Schatten allein ist einem Allergiker dann wenig geholfen.

“Der Hitzeschutz ist ein Querschnittsthema”, sagt Schoierer. Die unterschiedlichsten Disziplinen müssten dafür an einen Tisch geholt werden: Medizin, Architektur, Stadtplanung, Pädagogik etc. Für die Abfederung der Folgen der Erwärmung müssen die ganz dicken Bretter gebohrt werden – aber auch kurzfristig haben Kommunen Möglichkeiten, auf die steigenden Temperaturen zu reagieren, erklärt Schoierer.

Was lässt sich konkret in der Stadt München gegen die Klimaerwärmung tun?

Etwa Trinkwasserbrunnen und öffentliche Toiletten. Städte könnten auch kühle Räume, etwa in Museen oder Kirchen, öffentlich deutlich markieren, des Weiteren für Obdachlose – neben dem Kältebus im Winter – auch einen Hitzebus anbieten. Gerade Berufe, die viel im Freien tätig sind, brauchen flexible Pausenregelungen. Bus- oder Tramhaltestellen könnten noch schattiger und kühler eingerichtet werden – zudem könnte auf den Anzeigetafeln über hohe Temperaturen informiert werden.

Schon Anfang April kollektiv zum Baden an die Isar? Die Möglichkeit eröffnete sich am Wochenende in München.
Schon Anfang April kollektiv zum Baden an die Isar? Die Möglichkeit eröffnete sich am Wochenende in München.
© Daniel von Loeper
Schon Anfang April kollektiv zum Baden an die Isar? Die Möglichkeit eröffnete sich am Wochenende in München.

von Daniel von Loeper

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“Die Information alleine reicht aber nicht”, sagt Schoierer. “Viele halten sich gar nicht für gefährdet und reagieren dann gar nicht.” Die Information müsse mit konkreten Unterstützungsangeboten kombiniert werden – und beides am besten an bestehenden Strukturen (etwa Pfarreien, Nachbarschaftshilfe, Vereine, Pflegedienste) andocken.

Einer, der sich schon seit Jahren mit der Anpassung an den Klimawandel befasst, ist der Gewässerökologe Tobias Ruff, der für die ÖDP im Stadtrat sitzt. Er weiß: Stadtklima ist immer heißer als das Klima auf dem Land. Erhöhen sich die Temperaturen, tun sie das bei dichter Bebauung nochmal stärker. “Weder unsere Gebäude noch unsere Lebensweise sind auf so hohe Temperaturen ausgerichtet”, sagt Ruff im Gespräch mit der AZ.

Tobias Ruff ist Gewässerökologe und sitzt für die ÖDP im Münchner Stadtrat.
Tobias Ruff ist Gewässerökologe und sitzt für die ÖDP im Münchner Stadtrat.
© imago/aal.photo
Tobias Ruff ist Gewässerökologe und sitzt für die ÖDP im Münchner Stadtrat.

von imago/aal.photo

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Wenn die Temperaturen steigen, sei es darum besonders wichtig, den Zustrom an frischer, kühler Luft zu erhalten, also Frischluftschneisen wie den Landschaftspark West zwischen Laim und Pasing zu erhalten. “Wo ehemalige Moorflächen sind”, sagt Ruff im Gespräch mit der AZ, also etwa in Johanneskirchen, Daglfing oder Feldmoching, seien auch Kaltluftentstehungsgebiete. “Da wär’s wichtig, dass die Schneisen in die Stadt erhalten bleiben. Auf gar keinen Fall große Querriegel bauen.”

Brunnen, Schatten und Bäche: Maßnahmen gegen die Temperaturen

Neben mehr Grün helfe auch mehr Blau, sagt Ruff: die teils unterirdisch verlaufenden Stadtbäche wieder freilegen, Benebelungsanlagen und Luftbefeuchter aufstellen. Mehr Bänke an schattigen Plätzen aufstellen, damit Ältere und Schwangere mal kurz innehalten könnten. Überhaupt mehr schattige Plätze schaffen. “Wo man nicht schnell genug Bäume pflanzen kann, kann man auch Sonnensegel anbringen.”

Nicht nur die steigenden Temperaturen könnten zum Problem werden. Denn das Klima wird ja nicht nur heißer, sondern auch extremer: Es gibt mehr Hitzewellen oder Starkregenfälle. “Weil die Stadt aber so stark versiegelt ist, packen dass die Kanalsysteme nicht”, sagt Ruff. “Bei jedem Gewitter läuft jetzt schon Abwasser ungeklärt in die Isar.” Eine starke Belastung für das Ökosystem am Ufer. Die Kapazitäten würden in Zukunft noch stärker belastet.

Da ist es wieder, das Querschnittsthema Klimawandel: Um die Folgen abzumildern, spielt auch eine Rolle, mit welchen Rohstoffen gebaut wird. Jede Straße, die in München erneuert werde, müsste mit einem Profil ausgestattet werden, dass es Regenwasser erlaubt, besser zu versickern, erklärt Ruff.

Er selbst hat mehrfach angeregt, die Theresienwiese mit besonderem Pflaster auszustatten, damit nicht alle Niederschläge komplett im Kanal landen. Das wäre natürlich teurer als normaler Belag – allerdings würde sich die Stadt dann einiges an Abwasserkosten sparen, denn Tausende Liter Regenwasser müssten nicht mehr durch das städtische Kanalsystem geleitet werden. “Das amortisiert sich in kürzester Zeit”, sagt Ruff.

Aber wer denkt schon an Starkregen bei diesen sommerhaften Temperaturen?





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