Lübeck. Ihre Kunst ist schaumgeboren. Glitzernd, luftig, leicht. Ein Rausch aus bunten Bläschen – und genauso vergänglich. Mit pastellfarbenen Wolken aus Seifenblasen, fein und fluffig wie Zuckerwatte, flutet Stephanie Lüning öffentliche Plätze und Gebäude, türmt Berge bunten Breis inmitten der Städte auf und versetzt die Orte und Menschen damit für einen Moment in einen märchenhaften, wie verzauberten Zustand.

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Nach Österreich, England, Irland, Frankreich, Norwegen und Belgien hat sie ihre Schaumkunst schon gebracht. 2025 wird sie damit in Hongkong sein – und am Sonntag auch in Lübeck, um das Holstentor einzuschäumen. Das wird dann beinahe ein Heimspiel für die in Schwerin aufgewachsene Künstlerin sein. „Ich freue mich riesig darauf, die Aktion jetzt auch in meine Heimat zu bringen“, sagt Stephanie Lüning.

Alle Farben: Stephanie Lüning will das Holstentor bunt einschäumen

Alle Farben: Stephanie Lüning will das Holstentor bunt einschäumen

Noura Dirani, die Leiterin der Kunsthalle St. Annen, hat die Schöpferin der „Foam Art“ für die Ausstellung „Hello Lübeck“, deren zweiter Teil gerade gestartet ist, in die Hansestadt eingeladen. Morgen von 14 bis 16 Uhr wird Lüning ihr Schaum-Happening am Holstentor inszenieren. 1000 Liter Wasser (das Volumen von sechs Badewannen), ökologisch abbaubares Spülmittel aus dem Bioladen, Speisefarbe, ein paar Gartenschläuche und einen großen Ventilator braucht sie für ihre Kunstaktion, dazu ein Team von etwa 20 Leuten.

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„Das Holstentor wird keinen Schaden nehmen!“

Logistik, Mengen-Berechnung, das Mixen der Farben und die Abstimmung mit allen städtischen Behörden, die involviert sind und das Event genehmigen müssen – all das erfordert einigen Aufwand. Allerdings habe sie auch noch niemals mit so vielen Ämtern zu tun gehabt und hätte so viele Auflagen erfüllen müssen wie in Lübeck, sagt Stephanie Lüning und verspricht: „Wir sind uns sehr bewusst darüber, dass das Holstentor ein hohes Kulturgut der Lübecker ist. Es wird keinen Schaden nehmen!“

Die Fotomontage zeigt, wie die Schaumkunst-Aktion von Stephanie Lüning am Holstentor aussehen könnte.

Die Fotomontage zeigt, wie die Schaumkunst-Aktion von Stephanie Lüning am Holstentor aussehen könnte.

Die Aktionen sind sorgfältig vorbereitet, aber wenn sie ihre Schaumkanone in Gang setzt, gibt die Künstlerin die Kontrolle über ihr Kunstwerk ab. „Ich mache das Setting, der Rest verselbstständigt sich.“ Wind, Wetter, die aktuellen Bedingungen vor Ort und die Reaktionen der Zuschauer sind Faktoren, auf die sie keinen Einfluss hat. 31 Schaumkunst-Aktionen hat sie bereits aufgeführt, „und ich kriege immer noch Gänsehaut – alles ist im Entstehen, in permanenter Veränderung, nichts kann man festhalten“.

Es ist genau das, was sie reizt, seitdem sie 2012 zum ersten Mal in Dresden im Innenhof ihrer Kunsthochschule Schaum schlug und damit ihre Diplomarbeit präsentierte. Als Tochter einer „klassischen DDR-Arbeiterfamilie“, Vater Kranfahrer, Mutter Fließbandarbeiterin, sei sie so gar nicht für die Kunst prädestiniert gewesen, erzählt Stephanie Lüning.

„Foam Art“: Kunstform zwischen Werden und Vergehen

Sie wählte die kreativste handwerkliche Ausbildung, die möglich war, lernte Schildermalerin. Holte das Abitur nach, studierte Theatermalerei, lernte Malstile jeglicher Art zu kopieren und in großen Dimensionen zu arbeiten. Die Dimensionen sind geblieben. Sie denke immer noch räumlich und immer in Bezug zur Architektur, „aber ich rühre keinen Pinsel mehr an“, sagt sie und lacht. Ihre Pinsel sind der Schaum oder die eingefärbten Eiswürfel, die sie auf Leinwänden am Boden positioniert und schmelzen lässt.

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Irgendwann war ihr Weg klar: In Dresden wo sie heute noch mit ihrem amerikanischen Mann und dem 13-jährigen Sohn lebt, nahm sie ein Studium an der Kunsthochschule auf, studierte bei Eberhard Bosslet, wurde Meisterschülerin von Ulrike Grossarth, legte die Leinwände auf den Boden, malte großflächig und stellte fest, dass der Entstehungsprozess sie mehr interessierte als das Ergebnis, dass ihr das Arbeiten in der Fläche zu eindimensional war. Und dann, beim Abwasch, war plötzlich diese Idee da. Schaumgeboren.

Verzauberung und Vergänglichkeit: Stephanie Lüning hat eine Kunstform geschaffen, die ihren Zustand zwischen Werden und Vergehen verändert, die irgendwie „in between“ ist, wie die Künstlerin es beschreibt, „nicht flüssig, nicht Gas“. Die flüchtig ist und so wenig zu greifen wie das Wasser, aus dem sie besteht. Und dennoch will das Publikum doch immer genau das: Eintauchen in diesen undefinierbaren Zustand wie in einen überdimensionalen Kindheitstraum, danach greifen, es zu fassen bekommen.

In London ließ Stephanie Lüning 2022 farbige Schaumkaskaden eine lange Treppe hinunterlaufen.

In London ließ Stephanie Lüning 2022 farbige Schaumkaskaden eine lange Treppe hinunterlaufen.

Vergängliche Kunst, die Erinnerungen schafft

Häufig gerieten die Leute ganz aus dem Häuschen, erzählt die 45-Jährige. „In Paris am Centre Pompidou haben sie laut geschrien und spontan applaudiert. In London, wo alle, selbst die Kinder superchic gekleidet waren, sind sie in den Schaum getaucht und haben sich darin geradezu gesuhlt. Das hatte ich wirklich nicht erwartet – und manche haben sogar versucht, den Schaum in eine Tüte zu tun, um ihn mit nach Hause zu nehmen.“

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Materiell hinterlässt die Schaumkunst von Stephanie Lüning nichts Bleibendes – das Erlebnis aber dürfte nachdrücklich in Erinnerung bleiben.

LN



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