Ich kenne diese Situation schon aus meiner Kindheit. Bad
Neuenahr im Jahr 1994. Es gibt Streuselkuchen, Kaffee und Kakao auf dem Balkon
des Mehrfamilienhauses meiner Oma Ursula und meines Opas Herbert. Die
Frühlingssonne scheint so schön, doch das Kind stellt zu viele Fragen. “Wo war
Opa im Krieg?” In Frankreich und in Russland. “Wo warst du, Oma?” In Leipzig.
“Warst du traurig, dass du keinen Beruf gelernt hast?” Ach, sie hatte doch die
Kinder, war ihre Antwort, aber dann sollte ich meinen Kuchen essen und mich
freuen, dass die Sonne scheint. Heute in meinem Leben als Mutter und Frau denke
ich oft an meine Oma. Die vom Krieg und den Jahren danach traumatisiert war,
aber irgendwann auch auf einer niedrigschwelligen Ebene verstanden hatte, dass
es nichts bringt, sich über die Umstände zu beschweren. Die in Ruhe zu leben
hoffte, ohne an die Vergangenheit zu denken. Und die ihren Willen zu
Veränderung gegen Gleichmut eingetauscht hatte.



Source link www.zeit.de