Markus Söder hat noch gar nicht richtig losgelegt, da will er erst einmal etwas klarstellen. Er sehe sich selbstverständlich als Digital Native, damit da gar keine Zweifel aufkommen, als jemand also, der sich von Anfang an in der digitalen Welt zurecht gefunden habe. Der bayerische Ministerpräsident ist als Auftaktredner zum Digitalgipfel der Süddeutschen Zeitung in München geladen, wo sich am Mittwoch führende Köpfe aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über Fragen der digitalen Welt austauschen.

Der 57-jährige Söder ein Digital Native? Er selbst sieht das jedenfalls so. Und die Realität gibt ihm recht – zumindest in diesem Punkt, und zumindest im Vergleich mit dem Bundeskanzler. Olaf Scholz (SPD) betreibt seit diesem Montag einen Kanal auf Tiktok. Söder ist natürlich schon längst dort, seit November vergangenen Jahres, um genau zu sein und noch viel länger postet er Bilder und Videos auf Instagram. Regelmäßig präsentiert er dort, was er isst – und was er nicht isst. “Hühnerfüße, Entenzungen und Hasenköpfe” gehören zu Letzerem. Die gab es kürzlich auf Söders China-Reise, bei der er übrigens mit seinen Fotos und Videos – darunter solche mit Pandas und ihm an der Chinesischen Mauer – eine “ganze Menge” Leute erreicht habe, wie er sagt.

Was Söder dem Kanzler bezüglich Tiktok raten würde, will Judith Wittwer, Chefredakteurin der SZ, vom bayerischen Ministerpräsidenten wissen. Und auch hier sieht sich Söder gezwungen, die Dinge zurechtzurücken. “Dass Olaf Scholz keinen besonders guten Hüftschwung hat, ist klar”, sagte Söder. Dazu muss man wissen: Die Sache mit dem Hüftschwung hat eine Vorgeschichte. Im Februar, Söder war gerade auf Auslandsreise in Schweden, trat er im ABBA-Museum in Stockholm auf die Bühne, schwang Hüften und Arme zu “Dancing Queen” – und trällerte sogar ein wenig mit.

Söder über Social Media: “Ich habe keinen Bock, das der AfD zu überlassen”

Der Politikberater Martin Fuchs beobachtet Söder und seine digitalen Auftritte seit Jahren und sagt: “Ich kenne keinen deutschen Spitzenpolitiker, der es in den sozialen Medien besser macht als Söder”. Bayerns Ministerpräsident sei sich nicht zu schade, sich selbst auch mal “zum Horst zu machen”, wie Fuchs es nennt. “Das hat etwas extrem menschliches”, fast jeder habe ja schon einmal Karaoke gesungen. Söder selbst sagt dazu, es gehöre auf Plattformen wie Tiktok und Instagram dazu, “dass man über sich selbst schmunzeln kann”. Politikberater Fuchs erklärt es so: Durch Auftritte wie den in Stockholm verbinde Söder das Staatstragende eines Ministerpräsidenten mit Bürgernähe. Für die Wahlentscheidungen der Menschen sei das “extrem wichtig”.

Söder ist in sozialen Medien wohl so aktiv wie kaum ein anderer Spitzenpolitiker in Deutschland. Beim SZ-Digitalgipfel gibt er auch einen Einblick in seine Motivation dahinter: “Ich habe keinen Bock, das der AfD zu überlassen”, sagt Söder. Die in Teilen rechtsextreme Partei hat ihre politischen Mitbewerber, was Aufmerksamkeit und Reichweite in sozialen Medien anbelangt, um Längen abgehängt. Bekannt ist etwa das Video des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, in dem er jungen Männern Dating-Tipps gibt. Und zwar nach dem Motto: Echte Männer sind rechts, dann klappts auch mit der Freundin. Dabei, sagt Söder, sei es eher unwahrscheinlich, eine Freundin zu finden, wenn man bei der AfD ist. “Man trifft andere, die eine Freundin suchen und keine finden.”

Über seine Strategie in den sozialen Medien berichtet Söder: “Wenn du versuchst, viele Leute zu erreichen, musst du überlegen, wie du sie erreichst.” Er selbst kommt dabei auch auf – nun ja – unkonventionelle Ideen: Zu Ostern veröffentlichte er ein Video, in dem er ein riesiges Schokoladenei verloste, mit einer “ganz interessanten Bemalung” darauf, wie er damals sagte – seinem Konterfei.

Viele Leute mögen das kritisch sehen, sagt der Social-Media-Berater, aber am Ende steht Söder im Rampenlicht

Die einen mögen über Aktionen wie diese den Kopf schütteln, andere schmunzeln. Aber “es funktioniert extrem gut”, sagt Politikberater Martin Fuchs. “Söder hat verstanden, dass wir in einem Medienzeitalter leben, in dem es darum geht, Bilder und Geschichten zu produzieren.” Und er wisse genau, wie er sich selbst zum Gesprächsthema mache, “auch wenn er gerade gar keine politische Botschaft hat”, sagt Fuchs. “Über ein Osterei mit dem Gesicht des Ministerpräsidenten spricht schließlich jeder.” Viele Leute mögen das kritisch sehen oder gar ablehnen, aber am Ende stehe Söder im Rampenlicht. “Und das bleibt hängen”, sagt der Social-Media-Experte.

Wie das funktioniert, war schon am Dienstagabend zu beobachten: Söder sollte eigentlich auf einem Empfang der Jungen Union in Berlin sprechen, war aber verhindert. Stattdessen sprang CDU-Chef Friedrich Merz ein. Und er hatte etwas mitgebracht: Eine Replik des Söderschen Ostereis. Physich sei Söder im bayerischen Landtag heute, sagte Merz, aber “als Ei heute Abend bei uns”. Söder war also dabei in Berlin, obwohl er gar nicht da war.

Sein Auftreten und die Bildung der Marke Söder hat der bayerische Ministerpräsident folglich bereits digitalisiert. Aber was ist mit dem Freistaat? Dort hat er zumindest Großes vor. Söder hat eine Hightech-Agenda auf den Weg gebracht, in die 5,5 Milliarden Euro fließen sollen. Die Technische Universtität Nürnberg werde zum Beispiel eine reine KI Universität, auch “mit dem Ziel, Unternehmen anzulocken.”

Stichwort Unternehmen anlocken: Bayern mache das ohne Subventionen. Das kann man getrost als Kritik in Richtung Bundesregierung verstehen, die beispielsweise die Ansiedlung einer Chipfabrik von Intel in Magdeburg mit etwa zehn Milliarden Euro unterstützt. Er finde das “falsch”, sagte Söder. Der Staat solle Forschung fördern, Start-ups unterstützen, aber nicht ein einzelnes Unternehmen. In Gesprächen mit Chip-Unternehmen erlebe er es aber häufiger, dass er von Seiten der Konzerne gefragt werde: “Was zahlt ihr?”. Und von solchen Förderungen zur Ansiedlung sei er “kein Fan”. Womit Bayern aber punkten könne, sei die gute Verbindung von “Leistung und Lifestyle”, sagte Söder. “Bei uns surfst du mit KI und dann surfst du im Eisbach.”

Eine Spitze hatte Söder auch noch übrig für einen Vertreter aus seinem Kabinett: Es gebe da so einen Minister, der gerne frage: “Brauchts den ganzen digitalen Krempel?” – und unweigerlich denkt man dabei an Hubert Aiwanger. Wenn man die Frage aber mit “ja” beantworte, müsse man sich auch dafür einsetzen, sagte Söder. Bei der Digitalisierung und vor allem beim Thema Künstlicher Intelligenz, stelle sich ohnehin nur noch die Frage: “Sind wir dabei oder sind wir nicht dabei?” Als bayerischer Ministerpräsident sei es seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Bayern mit von der Partie ist. Es ist aber ohnehin schwer vorstellbar, dass der Digital Native Söder, irgendwo einmal nicht dabei ist.



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