Egisto Ott arbeitete lange für den österreichischen Nachrichtendienst BVT. Gemeinsam mit seinem Vorgesetzten hat er offenkundig sensible Informationen an Russland weitergeleitet und Handys von Top­beamten nach Moskau gebracht. Möglicherweise verhalf er sogar dem international gesuchten Wirecard-Manager Jan Marsalek zur Flucht, es werden weitere Enthüllungen erwartet. Eine Übersicht.

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Um was geht es?

Nach einem Hinweis des britischen Inlandsgeheimdienstes wird der hohe Verfassungsschutz­beamte Egisto Ott kurz vor Ostern in Österreich verhaftet und in U‑Haft gebracht. Er soll mit bulgarischen Agenten zusammengearbeitet haben, die wiederum vom Kreml entsandt wurden. Unter Verdacht steht auch Otts einstiger Vorgesetzter beim damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus­bekämpfung, Martin Weiss, der 2021 nach Dubai fliehen konnte. Auf ihn haben österreichische Ermittler keinen Zugriff.

Was sollen die beiden Doppelagenten getan haben?

Ihnen wird vorgeworfen, die Mobiltelefone von Spitzenbeamten aus dem Innenministerium, dem Asyl-Bundesamt und der Bundespolizei an den Kreml geliefert zu haben. Die Handys waren bei einem Ausflug ins Wasser gefallen und galten als zerstört. Außerdem sollen Daten von Journalisten, in Österreich lebenden Gegnern des russischen Regimes sowie linken Aktivisten weitergeleitet worden sein.

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Mit welchen Folgen?

Ziemlich gefährlich wurde es offenkundig für den bulgarischen Investigativ­journalisten Christo Grosew, nach dem Russland fahndet. Er erhielt einen Hinweis und verließ Wien im Frühjahr 2023 Hals über Kopf. Linke österreichische Aktivisten erhielten Drohmitteilungen.

Um was geht es Russland und Wladimir Putin?

Neben dem Beschaffen von Informationen ist das Ziel die „Destabilisierung der Gesellschaft“. Das sagt Paul Schliefsteiner, Direktor des Forschungszentrums für Sicherheit ACIPSS, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Putin wolle in westlichen Gesellschaften eine „Polarisierung“ vorantreiben. Es geht also um eine Spaltung zwischen äußerst rechten prorussischen Kräften, wie etwa der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) oder auch der AfD, und den Parteien, die sich für die parlamentarische Demokratie und eine liberale Gesellschaft einsetzen. Im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine nimmt diese Spaltung ebenso zu wie die Versuche, die Demokratie zu delegitimieren.

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Welche Rolle hat der flüchtige Jan Marsalek, der ehemalige Manager des Betrugsunternehmens Wirecard?

Das ist derzeit sicherlich die spannendste Frage, die aber nicht mit letzter Gewissheit beantwortet werden kann. Paul Schliefsteiner bezeichnet Marsalek als „Spinne im Netz“. Lange war vermutet worden, dass er ein russischer Agent ist. Direkt nach dem Wirecard-Zusammenbruch im Juni 2020 hatte sich der heute 44‑Jährige wohl über Geheimdienstkontakte in die Nähe von Moskau abgesetzt. Laut Berichten geht der britische Geheimdienst davon aus, dass Marsalek der Auftraggeber für die österreichischen Spione war. Österreich und auch Deutschland haben ein großes Interesse am Aufgreifen Marsaleks, in München läuft schon seit 17 Monaten der Strafprozess gegen die anderen Wirecard-Spitzenmanager. Dass Marsalek auch auf die Anklagebank kommt, gilt als ausgeschlossen, Russland deckt ihn.

Wie blicken die Österreicher auf die Affäre?

Schliefsteiner meint, dass einerseits viele Bürger den Mythos von Wien als Stadt der verschiedensten Geheim­dienstler, von denen angeblich bald an jeder Ecke einer steht, durchaus mögen und pflegen. Andererseits attestiert er seinem Land: „Wir haben keine Sicherheitskultur.“ Die Bürger würden damit nichts anfangen, Themen wie Verfassungsschutz oder Spionage würden sie mit einer gewissen „Wurstigkeit“ begegnen.

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Welche Folgen hat das für die Politik?

Die Lage in Österreich ist derzeit ungemein angespannt. Im Herbst stehen Parlamentswahlen an, die FPÖ ist laut Umfragen mit 30 Prozent gegenwärtig die stärkste Partei. FPÖ-Chef Herbert Kickl war zu seiner Zeit als Innenminister für den Verfassungsschutz zuständig. Davor war dieser Bereich aber lange Jahre in der Hand der konservativen ÖVP und der SPÖ. FPÖ und ÖVP sowie die Grünen schieben sich nun gegenseitig lautstark die Verantwortung zu. Die FPÖ arbeite in Wirklichkeit für Russland, so die Grünen.

Was ist noch zu erwarten?

Weitere Enthüllungen. Schliefsteiner sagt: „Egisto Ott und Martin Weiss können das ja nicht alles allein gemacht haben.“ Am Dienstag wurde ein weiterer Verfassungsschutzmann suspendiert.



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