Wenn Sebastian Ebel und Mathias Kiep an diesem Montag die Börsenglocke in Frankfurt läuten, markiert das ein doppeltes Comeback: Die Tui hat ihre Existenzkrise hinter sich, und die Aktie ist zurück im Prime Standard der Deutschen Börse – und schon bald wohl im M-Dax.

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Ein Jahrzehnt lang war London die Hauptbörse des Reise­konzerns, denn mit der Übernahme der britischen Thomson Travel hatten sich die Gewichte 2014 massiv verschoben: Das Unternehmen mit Hauptsitz in Hannover war faktisch zum deutsch-britischen Konzern geworden. Der Aktien­handel in Frankfurt und Hannover lief nur noch am Rande mit.

„Mittlerweile haben sich jedoch Aktienbesitz und Liquidität der Tui-Aktie an den Börsen zunehmend nach Deutschland verschoben“, sagte Finanzvorstand Kiep im Fe­bruar, bevor die Haupt­versammlung den Umzug der Aktie beschloss. An diesem Montag feiern Kiep und Konzernchef Ebel in Frankfurt den Wechsel vom freien Markt in den Prime Standard. Für Juni ist der Abschied von der Börse London geplant und parallel die Aufnahme in den M-Dax.

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Die Konzentration soll Kosten sparen, außerdem reagiere man damit auf Wünsche von Aktionären, heißt es bei der Tui. Einer könnte der Bund gewesen sein, denn nur dank Staatshilfen hat der Konzern die Pandemie überlebt. Als im Frühjahr 2020 Reisen nahezu unmöglich wurden, die Kosten aber weiterliefen, wurde die Tui zum ersten großen Notfall für den Wirtschafts­stabilisierungs­fonds (WSF).

Für die Bundesrepublik Deutschland war die Unterstützung eine äußerst ertragreiche Investition.

Sebastian Ebel,

Tui-Chef

Mehrere Milliarden Euro wurden in Form von stillen Beteiligungen und Kreditlinien bereitgestellt – und mittlerweile zurückgezahlt. „Für die Bundesrepublik Deutschland war die Unterstützung eine äußerst ertragreiche Investition“, sagt Ebel und verweist auf Zinszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe.

Andere warten noch auf ihren Ertrag, denn mehrmals mussten die Aktionärinnen und Aktionäre frisches Kapital zuschießen. Das drückt den Kurs, und auch Dividenden gab es in den vergangenen Jahren nicht. Im Herbst 2023 rutschte der Kurs auf den Tiefststand von 4,36 Euro, mittlerweile hat er sich auf rund 7,60 Euro erholt – immer noch ein Bruchteil früherer Werte.

Ein kaltgestellter Großaktionär

Das liegt auch an einer unbekannten Größe: Der russische Milliardär Alexej Mordaschow war jahrelang mit mehr als 30 Prozent Anteil größter Tui-Aktionär. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gehörte er jedoch zu den ersten sanktionierten Russen und hat keinen Zugriff mehr auf seine Aktien.

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Auch an den Kapitalerhöhungen nahm er nicht teil, sodass Mordaschow jetzt noch 10,9 Prozent der Aktien zugerechnet werden. Doch die seien eingefroren, Mordaschow habe keine Stimmrechte, betont eine Tui-Sprecherin. Das Unternehmen sei für einen anderen Großaktionär offen, erklärte Ebel schon im vergangenen Jahr.

Nach drei Jahren mit massiven Pandemiefolgen sei der Konzern wieder auf Kurs, wirbt Ebel. Noch nie habe die Tui einen so starken Start ins Geschäftsjahr gehabt, das bei dem Reisekonzern im Oktober beginnt: „Das Potenzial der Tui ist noch riesig.“

Tui-Chef Sebastian Ebel.

Tui-Chef Sebastian Ebel.

Das Reisejahr hat stark begonnen

Rund 65.000 Beschäftigte zählt die Tui, der Umsatz kletterte im Geschäftsjahr 2023 – es endet ­wegen des Saison­verlaufs am 30. September – auf den Rekordwert von 20 Milliarden Euro. Erstmals seit der Pandemie gab es wieder einen Nettogewinn von 300 Millionen Euro.

Im ersten Quartal des neuen Geschäfts­jahrs – also Oktober bis Dezember 2023 – stieg die Zahl der Gäste im Jahres­vergleich um 6 Prozent auf 3,5 Millionen. Der Umsatz kletterte um 15 Prozent auf gut 4 Milliarden Euro, pro Kopf zahlten die Kunden also mehr. Unterm Strich blieb erstmals ein ausgeglichenes Ergebnis. Normalerweise machen Reise­veranstalter im Winter Verlust.

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Konkurrenz der Plattformkonzerne

Die Verschuldung ist heute geringer als vor Corona. Gleichzeitig sind die Reisepreise gestiegen, denn die Branche hat Kapazitäten abgebaut, und gleichzeitig ist die Kundschaft nach jahrelanger Reise­abstinenz zahlungswillig. Strategisch verspricht Ebel einen Ausbau des Plattform­geschäfts, mit dem neue Konkurrenten wie Booking Holdings so erfolgreich sind: Die Bestandteile einer Reise können flexibler kombiniert werden.

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Bei den Analysten sind Strategie, Zahlen und auch die Konzentration auf die Frankfurter Börse zwar gut angekommen, bei der Aktie sind sie aber uneins. Barclays etwa stuft sie mit „untergewichten“ ein, Morgan Stanley mit „übergewichten“, ein „Kauf“ ist sie für die Deutsche Bank. Jaina Mistry, Analystin bei Jeffreys, rät neutral zum „Halten“. Sie fürchtet, dass die Tui mehr investieren müsse als geplant, und verweist auf die starke Konkurrenz durch die reinen Online­plattformen.

Die können Ebel und Kiep im Moment zumindest ein wenig gelassener sehen als früher: Im vergangenen halben Jahr ist der Kurs der Tui deutlich stärker gestiegen als der von Booking.



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