Eckernförde. Es pirscht tief unten im Meer, von der Außenwelt abgeschnitten. Kein Signal dringt durch, keine Info – manchmal über Stunden. Sein Ausmaß ist unsichtbar, sein Name Funktion: Das U-Boot gehört zu den kriegswichtigsten Waffensystemen. Befehligt wird es von Claudia Neben, 34 Jahre alt, erste U-Boot-Kommandantin in der Geschichte der deutschen Marine. Sie allein entscheidet im Zweifel, ob ein Torpedo losgejagt wird, um ein feindliches Schiff zu zerstören.

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Seit einem halben Jahr führt die gebürtige Lüneburgerin eins der modernsten U-Boote der Welt. Die sechs Schiffe mit Heimathafen Eckernförde sind dafür gemacht, im Geheimen zu agieren, lautlos und unsichtbar. Spionage wie im Film. Möglich macht’s der Hybridantrieb mit Brennstoffzelle: Sie wandelt Wasserstoff und Sauerstoff in Elektrizität um, geräuschlos.

Das in Deutschland entwickelte System macht das Schiff von der Außenluft unabhängig. So kann es wochenlang tauchen und sich unentdeckt ein Lagebild verschaffen oder heimlich Spezialkräfte transportieren. Kampfschwimmer gelangen durch ein umgebautes Torpedorohr unentdeckt nach außen. Zweck des Geschwaders ist es, mit weitreichenden Sonden Informationen zu sammeln und Unter- wie Überwasser-Seeziele zu bekämpfen. Besonders geeignet sind die U-Boote der Klasse 212 A in Küstennähe und geringer Wassertiefe.

Neben befehligt die 28-köpfige Besatzung „Delta“ und entscheidet über den Einsatz der Torpedos. Die 34-Jährige ist top ausgebildet, hat an der Bundeswehruni in München Staats- und Sozialwissenschaften, internationales Recht und Politik studiert, in Glücksburg Nato-U-Boote koordiniert und einen Kommandantenlehrgang absolviert, an dessen Ende eine Schülerfahrt „mit Gefechtsbild“ in Norwegen stand.

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Im extrem beengten Raum eines Fjordes, der tausend Meter in die Tiefe führt, aber nur 50 Meter zu den Seiten, bewies sie, dass sie mit kühlem Kopf die besten Entscheidungen findet – trotz Hochstress und Schlafmangel. „Da arbeitet man jahrelang drauf hin“, sagt sie. Jetzt ist sie Korvettenkapitänin auf dem U 34. Nur zwei weitere Kommandantinnen gibt es neben ihr in der Marine.

Claudia Neben: Das zaubert der „beste Smutje der gesamten Flotte“

Bis zu drei Wochen kann das U-Boot unter Wasser bleiben. Die Fahrten dauern oft mehrere Monate. Das ist nicht für jeden was. In der Mannschaft muss man sich blind aufeinander verlassen. Neben weiß, wer kurz vor der Trennung steht oder kurz vorm Heiratsantrag. „Es ist ein sehr vertrautes Miteinander. Wie eine zweite Familie.“ Bevor jemand aufgenommen wird, prüft man, ob die Chemie stimmt. Wenn’s doch mal knallt, dann nur metaphorisch. Streit kann gefährlich werden – viel zu laut. „Man reißt sich zusammen. Konflikte trägt man im Hafen aus.“

28 Menschen teilen sich hier 25 schmale Betten, die in Dreierreihen übereinander aus der Wand ragen. Man schläft in Sechs-Stunden-Schichten und hofft, dass keiner schnarcht. Zwei Duschen gibt’s, und wenn synthetischer Erdbeerduft durchs U-Boot wabert, wissen alle: da hat wieder jemand das rosafarbene Paw-Patrol-Duschgel benutzt. Und nein, das gehört keiner der drei Frauen an Bord. Privatsphäre? Fehlanzeige.

Wie im Film: Im U-Boot 34 hängen Bananen an der Decke

Funktionalität ist oberste Maxime im 56 Meter langen Schiff, aber man macht das beste draus: Statt Gulaschkanone gibt’s „frisch gebackene Brötchen“ und „Pulled-Pork-Burger“, auf Wunsch vegetarisch oder laktosefrei. In einer winzigen Mini-Küche zaubert „der beste Smutje der gesamten Flotte“ vier Mahlzeiten täglich. Zuvor war er im Sternerestaurant am Tegernsee angestellt. „Hunger muss man hier nicht fürchten. Und auch keinen Skorbut“, meint Neben und grinst.

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Schlaf-, Ess- und Arbeitsräume sind getrennt. Wer frei hat, spielt Skat, Switch oder guckt Netflix und snackt dabei eine der Bananen, die wie im Filmklassiker „Das Boot“ an der Decke baumeln. Bei Bedarf wird der Ess- zum OP-Tisch umfunktioniert. Es gibt einen Rettungssanitäter an Bord, die Wachoffiziere können Zugänge legen und Wunden nähen. Das nächste Krankenhaus ist manchmal ziemlich weit weg.

Claudia Neben: U-Boot-Kommandantin hätte sich Mentorin gewünscht

Auf Nebens Schultern lastet enorme Verantwortung, dennoch: Sie wirkt locker, nahbar, zugewandt –charismatisch. Sie nennt sich selbst eine „Frostbeule“, die an Bord handgestrickte Wollsocken trägt, und findet das Thema Partnerschaft „schwierig“, weil sie kaum Zeit habe, jemanden kennenzulernen und für den Job immer wieder von der Bildfläche verschwinde. Ihr Anker sind Freunde und Familie, und in ihrer Freizeit spielt sie Querflöte und Saxofon, geht ins Theater und zum Hot Yoga.

Außerdem liest sie feministische Literatur. Zwar zähle an Bord einzig, was man kann. Trotzdem hätte sie sich eine Mentorin gewünscht. Jetzt will sie das sein für aufstrebende Frauen in der Marine.

Fragt man aber etwas über ihren Job, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, dann behauptet sie mit leisem Lächeln: „Darüber weiß ich nichts.“ Ihr Hauptauftrag bestehe darin, „Aktivitäten von nicht Nato-Angehörigen anzusehen. Außerdem sind wir in Nato-Manövern unterwegs. Wir üben aber auch, Torpedos abzuschießen.“

U-Boot 34: Übungstornados und ein unheimliches Gefühl

Auf dem Weg zur Kommandantin hat Claudia Neben selbst auf den Knopf gedrückt, jetzt befiehlt sie es anderen. Die Übungstorpedos haben vorn ein helles Licht statt Sprengstoff. Sie werden unter Schiffen hindurchgesteuert, und wer an Bord der Zielfregatte steht, der kann das Leuchten unter Wasser auf sich zurasen sehen. „Das muss ein unheimliches Gefühl sein. Denn am Ende ist ja klar: Wenn wir den richtigen Gefechtstorpedo schießen, dann machen wir nicht nur ein Loch rein. Das Schiff ist dann weg.“

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Ob der Knopf gedrückt wird, das kann eine unendlich schwere und einsame Entscheidung sein. Denn „wir sind im Einsatz nicht permanent mit der Führung verbunden, sondern kriegen nur alle zwölf Stunden Updates und Befehle. Wenn sich zwischenzeitlich was in der Weltlage geändert hat und man kriegt’s nicht mit – am Ende entscheide ich allein, ob wir schießen“, sagt Neben. „Die Verantwortung ist auf einem U-Boot nochmal eine andere als auf ’ner Fregatte.“

Durch den Krieg in der Ukraine habe sich das Verständnis in der Bevölkerung „für das, was wir tun“, verändert, sagt Neben. Letztlich sind doch auch die Soldaten Bürger, nur eben in Uniform. Es sei „kein Geheimnis, dass die Munitionslage nicht gut ist. Ich kann nur dafür sorgen, dass meine Leute bestmöglich ausgebildet sind und alles in Schuss ist, der Rest ist Politik und passiert in Berlin und ich vertraue auf unsere Regierung.“

Nebens Kommandentenzeit beträgt drei Jahre. Das ist üblich, um Betriebsblindheit zu vermeiden. Danach könnte die Lüneburgerin sich vorstellen, ins Verteidigungsministerium zu gehen, ins Marinekommando in Rostock oder zur Nato. „Es gibt so viele Möglichkeiten“, sagt sie.

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Erst einmal geht es aber in vier Wochen wieder los „Richtung Nordatlantik. Da tun wir dann Dinge. Geheime Dinge“, sagt Neben und lacht beredt. Mit ihren Aufgaben ist’s, wie mit dem U-Boot selbst. Ob es in der Tiefe pirscht oder im Hafen lauert: Sein wahres Ausmaß bleibt verborgen.



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