Wolfgang Schroeder ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kassel. Er ist Mitglied in der Grundwertekommission der SPD.

ZEIT ONLINE: Herr Schroeder, Gerhard Schröder wird 80 Jahre alt.
Normalerweise würde man einen Altkanzler würdigen, doch aufgrund seiner Nähe zu
Wladimir Putin fällt das Deutschland und seiner Partei schwer. Wie blicken Sie
auf ihn? Ist er ein großer Sozialdemokrat? Oder eine Person, für die man sich
schämen muss?  

Wolfgang Schroeder: Er ist beides: ein großer Sozialdemokrat, der mit seinen
Fähigkeiten der SPD zu einer Größe verholfen hat, die man in den 1990er-Jahren lange Zeit kaum für möglich hielt. Aber er ist
auch eine tragische Persönlichkeit, weil er die Werte der SPD nach seinem
Ausscheiden als Bundeskanzler in dramatischer Weise verletzt hat. Sein
Engagement für Nord Stream und andere russische Akteure, seine ungebrochene Freundschaft
mit dem Kriegstreiber Wladimir Putin, seine Unfähigkeit, beides kritisch zu
reflektieren –, all das diskreditiert ihn nach seinem Ausscheiden aus der
Regierung. In der Riege der Altkanzler hat er da ein gewisses Alleinstellungsmerkmal.  



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