Es ist einfach, sich vorzustellen, wie sich das Leben im römischen Küstenort Carpis vor rund 2000 Jahren abgespielt haben muss: Während Fischer den Fang des Tages an den Strand bringen, machen sich Seemänner auf den Weg über das Mittelmeer in Richtung Sizilien. Die Insel ist keine 150 Kilometer entfernt.

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Unter der milden Sonne im Küstenwind lassen Kinder Ziegenherden grasen. Die Männer bessern das Aquädukt aus, die Frauen schlagen Oliven aus den Bäumen. Es riecht nach Meer. Etwas nördlich baden Legionäre in den heißen Quellen von Korbous. Sie beobachten, wie auf der anderen Seite der Bucht noch immer Rauch aus den Trümmern Karthagos aufsteigt.

Überreste am Strand: Die Ruinen der Römersiedlung Carpis am Cap Bon.

Überreste am Strand: Die Ruinen der Römersiedlung Carpis am Cap Bon.

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Jede Menge Spuren auf der Halbinsel

Das römische Reich ist Geschichte, und auf Karthago, ganz im Norden des Landes, wurde die heutige tunesische Hauptstadt Tunis errichtet. Vom Örtchen Carpis sind außer einigen Ruinen am Cap Bon aber noch etliche Überreste des alltäglichen Lebens zu finden: Scherben von Tongefäßen, Weinkrüge und sogar das Aquädukt.

Die Halbinsel gegenüber von Tunis ist einer der nördlichsten Punkte Afrikas. Das Cap Bon gleicht einem Finger, der in Richtung Europa zeigt. Durch diese Nähe und die fruchtbaren Böden war es weit vor und lange nach den Römern Anziehungspunkt für Eroberer aus dem Mittelmeerraum.

Finger nach Europa: Das Cap Bon und Sizilien trennen nicht einmal 150 Kilometer Mittelmeer.

Finger nach Europa: Das Cap Bon und Sizilien trennen nicht einmal 150 Kilometer Mittelmeer.

Einflüsse aus vielen Kulturen

„Deswegen haben die Menschen hier bis heute ein Talent für das Lernen von Sprachen“, sagt Touristenführer Sami El Chebbi. Beweis sind die zahlreichen Tunesierinnen und Tunesier, die Reisende auf der Straße auf Deutsch ansprechen. Oder auf Englisch, Italienisch oder Niederländisch. Immer wieder landeten unterschiedliche Völker und Nationen am Cap.

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Einige blieben Jahrhunderte: Römer, Phönizier, Araber, Andalusier, Italiener, Franzosen. Andere nur Monate: Auf dem Soldatenfriedhof bei Tunis liegen die sterblichen Überreste von mehr als 8.000 Wehrmachtssoldaten, die während des irrwitzigen Wüstenfeldzuges der Nazis im Zweiten Weltkrieg ihr junges Leben ließen – kaum einer wurde älter als 25 Jahre.

Nabeul: Stadt der Mosaike

Weil so viele kulturelle Bausteine hier zusammenkommen, wird das Cap gern mit einem Mosaik verglichen. Es ist nicht bloß eine Metapher. In der kleinen Küstenstadt Nabeul im Südosten des Caps, in der Nähe der Touristenhochburg Hammamet, sind Mosaike eines der Wahrzeichen. Hier hat ein Verein eine ehemalige Schule übernommen und sie zu einem prächtigen Mosaikmuseum ausgebaut. Der Verein setzt sich für Erhalt und Erneuerung der Kunstwerke ein.

Aus einer alten Schule in Nabeul wurde dank eines Vereins, der sich um den Erhalt der Kunstwerke kümmert, ein Mosaikmuseum.

Aus einer alten Schule in Nabeul wurde dank eines Vereins, der sich um den Erhalt der Kunstwerke kümmert, ein Mosaikmuseum.

Nabeul, mit seiner kleinen und entspannten Medina, ist nicht nur eine Stadt der Mosaike. Die Menschen hier haben es geschafft, eine Landesspeise zum Unesco-Weltkulturerbe zu machen: Harissa, das mediterrane Pendant zum indonesischen Sambal. Zu Ehren der glutroten Chilipaste feiert die Stadt einmal im Jahr ein eigenes Festival.

Heimat vom Harissa

Harissa ist eine scharfe Allzweckwaffe für Dips und verschiedene Soßen, die vom Frühstück bis zum Streetfood zum Einsatz kommt. Familie Lassoued stellt die glutrote Chilipaste in ihrem 500 Jahre alten Haus in einer unscheinbaren Seitengasse her und bietet Workshops an, in denen auch Reisende die Zubereitung lernen können. Es ist kein Wunder, dass es seine Wiege am Cap Bon hat.

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Hajer Lassoued stellt die ­Gewürzpaste Harissa her. Sie besteht unter anderem aus Knoblauch und reichlich Chili.

Hajer Lassoued stellt die ­Gewürzpaste Harissa her. Sie besteht unter anderem aus Knoblauch und reichlich Chili.

Denn über weite Teile Tunesiens erstreckt sich die Sahara. Zwar haben auch die Wüstenbewohner Wege gefunden, um Nahrung anzubauen. Doch wasserintensive Landwirtschaft ist vor allem am Cap Bon möglich – der Kornkammer des Landes. Während in Westeuropa noch Winter herrscht, leuchten hier die satt-reifen Orangen und Zitronen schon im Februar am Wegesrand.

Andere Kulturen brachten in den vergangenen Jahrhunderten weitere Mosaiksteine an Land: Die Phönizier führten Oliven aus dem heutigen Libyen ein. Mit den Römern begann der erfolgreiche Anbau von Weinreben. Als die französische Weinproduktion im Zweiten Weltkrieg am Boden war, versorgten Produktionsstätten vom Cap Bon das teilbesetzte Land.

Jede der Kulturen hat im Verlauf der Jahrhunderte ihre Abdrücke hinterlassen. Sie sind bis heute spür- und sichtbar. Doch das tunesische Mosaik ist noch längst nicht fertig. Wie die nächsten Teile gelegt werden, dazu gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen: Sami El Chebbi etwa ist der Meinung, dass der Massentourismus mit seinen riesigen Hotelanlagen zum Problem für das Land geworden ist.

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Tourismus für die Völkerverständigung

Das Cap Bon ist davon zwar noch weitgehend unberührt, aber: „Ein Tourist verbraucht pro Tag um die 500 Liter Wasser. Zeitgleich geben die Einheimischen die Landwirtschaft auf, ziehen in die Stadt“, sagt der 40-Jährige. Aber ohne Tourismus ginge es nicht. El Chebbi bezieht sich auf die vielen Völker, die seither in dem Land nebeneinanderleben: „Tourismus ist nicht nur wirtschaftlich wichtig. Er ist es auch für die Völkerverständigung.“

„Tourismus ist wichtig für die für die Völkerverständigung“, findet Guide Sami El Chebbi.

„Tourismus ist wichtig für die für die Völkerverständigung“, findet Guide Sami El Chebbi.

2011 entbrannte in Tunesien die Revolution, die im Arabischen Frühling mündete. Über Nordafrika breitete er sich bis nach Syrien aus, wo er brutal erstickt wurde. Auch in Tunesien ist der Erfolg der Revolution umstritten. Touristenführer El Chebbi sagt: „Er brachte den Menschen hier vor allem Meinungsfreiheit.“ Nun wollen die Tunesierinnen und Tunesier auch bei der Ausgestaltung des Tourismus mitreden.

Jüngere wollen mehr Nachhaltigkeit

Für viele Jüngere heißt das: mehr Nachhaltigkeit, kleinere Hotels, weg von All-inclusive. Dafür soll den Reisenden am Cap Bon mit Blick auf Kultur, Geschichte und Natur mehr Tiefe vermittelt werden. Etwa mit sogenannten Tauchstraßen, auf denen Reisende an versunkenen Überresten der Kulturen entlangschnorcheln können. Wander- und Radwege sind entstanden. Aber auch kleinere Landgasthäuser, die auf den Tisch bringen, was Felder, Kräutergärten und das Meer zu bieten haben.

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Neues Leben an der Westküste

Und es gibt jene, die sich selbst als Visionäre bezeichnen: Ferid Abbas und Azouz Ennifar zum Beispiel. Ennifar, ehemaliger Diplomat, und der Großindustrielle Abbas sind mit einem Riesenprojekt dabei, einen vergessenen Teil der Westküste des Cap Bon wachzuküssen. Das Luxushotel Royal Tulip Korbous Bay schmiegt sich an bergige Mittelmeerküsten. Das Resort soll nur der Anfang sein. Von hier aus wollen die Unternehmer dem benachbarten Fischerstädtchen Korbous zurück zu altem Glanz verhelfen. „Korbous soll wiederbelebt werden, ohne die Landschaft zu zerstören“, sagt Ennifar.

Glanz der Dreißigerjahre: das Luxushotel Royal Tulip Korbous Bay.

Glanz der Dreißigerjahre: das Luxushotel Royal Tulip Korbous Bay.

Was an Teilen der Halbinsel die Landschaft zerstört: Unmengen von Plastiktüten und Flaschen. Sie hängen in den Bäumen und Sträuchern, wehen über den Strand, treiben im Meer. Es ist nicht überall am Cap ein Problem, verschandelt aber die anmutige Landschaft. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung den Müll schnell in den Griff bekommt. Andere afrikanische Länder sind da mit Verboten und Alternativen längst weiter. In Sachen Verpackungsmüll waren selbst die Römer nachhaltiger.

In Korbous locken heiße Quellen

Sie haben sich auch in Korbous niedergelassen. Grund sind die besagten heißen Quellen (um die 50 Grad Celsius), die aus den Bergen direkt ins Meer sprudeln. Selbst im Winter heizen sie die See badetauglich auf. Es ist wieder so ein Ort, an dem alte Geschichte spürbar wird: etwa wenn man auf denselben Steinen sitzt wie einst römische Legionäre und beim Sprudeln des Wassers aufs Mittelmeer und das heutige Tunis blickt.

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Hier haben schon die Römer entspannt: Die heißen Quellen von Korbous heizen das Meerwasser auf.

Hier haben schon die Römer entspannt: Die heißen Quellen von Korbous heizen das Meerwasser auf.

Nach den Römern war Korbous in den Dreißigerjahren noch einmal ein beliebter Touristenort. Nach dem Ende des Krieges geriet es erneut in Vergessenheit. „Wir wollen den Glanz zurückbringen“, sagt der Ex-Diplomat Abbas. Außerdem soll das Hotel per Fähre von Tunis aus erreichbar werden. Der Anleger dafür ist schon fertig, die Erlaubnis der Verwaltung fehlt allerdings noch. „Bürokratie“, sagt Abbas und klingt dabei kämpferisch. Es wäre ein weiterer kleiner Baustein im Mosaik des Cap Bon.

Tipps für deine Reise nach Tunesien

Anreise: Mit dem Flugzeug von Frankfurt am Main, Düsseldorf, München oder Hamburg nach Tunis in Tunesien.

Beste Reisezeit: Das Klima an der Mittelmeerküste ist schon ab Ende Februar mild. Baden ist ab Mai möglich. Wer der nordafrikanischen Sommerhitze entgehen möchte, kann bis in den späten Herbst nach Tunesien reisen.

Rundreise: Mit dem Auto lässt sich das Cap Bon an einem Tag von Tunis oder Hammamet umrunden. Doch wer die Halbinsel kennenlernen möchte, sollte drei bis vier Tage einplanen. Das geht mit den preiswerten Taxis oder per Mietwagen.

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Attraktionen: Zu den Attraktionen, die einen Besuch lohnen, gehören die Medina von Nabeul, die heißen Quellen von Korbous und die Ausgrabungsstätte der punischen Stadt Kerkouane, die Teil des Unesco-Weltkulturerbes ist.

In Nabeul ist nach vorheriger Anmeldung die Teilnahme an Harissa-Workshops im Dar Lassoued (31 Salambo Street) möglich.

Die Reise wurde unterstützt vom Fremdenverkehrsamt Tunesien. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.

Mehr Inspiration gesucht? Tipps für alle Top-Reiseziele findest du beim reisereporter.



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