Es gab Zeiten, in denen brauchte es handfeste Ketzerei, um Rom zu mobilisieren. Heute genügt es, wenn die katholische Kirche in Deutschland einen Ausschuss bildet, dass man im Vatikan gleich ein Zerbrechen der Kirche fürchtet. Die römische Kirchenleitung hat Erfahrungen mit deutschen Ketzern. Nicht umsonst hat der Papst schon 2022 darauf hingewiesen, es gebe bereits eine sehr gute protestantische Kirche in deutschen Landen, davon brauche es nicht auch noch eine katholische Kopie. Das saß.

Ohnehin hegt der Argentinier Skepsis gegenüber den Reformern jenseits der Alpen. Der antiwestliche Affekt des Papstes vom anderen Ende der Welt spielt hier eine eigene Rolle. Zudem scheint Franziskus mit deutschen Kirchenchefs nicht warm zu werden. Nachdem Kardinal Reinhard Marx im Zuge des Missbrauchsskandals seinen symbolischen Rücktritt anbot, ist auch der letzte Deutsche aus dem engeren Beraterkreis des Papstes verschwunden; obwohl Franziskus den Münchner als Erzbischof im Amt hielt, ist seine Bedeutung gesunken. Der entscheidende Punkt aber ist ein anderer: Die gut organisierte katholische Kirche in Deutschland ist zwar kirchensteuerreich, aus Sicht des Papstes aber glaubensschwach. Anders als die jungen Kirchen Asiens und Afrikas steht sie für Vergangenheit, nicht für zukunftsweisenden Aufbruch. Das zeigt sich für Franziskus auch beim Synodalen Weg, dem deutschen Reformprozess: zu viel Organisation, zu wenig Spiritualität. Nicht das Volk Gottes bestimme, sondern eine Elite, zu der Franziskus auch die gewählte Vertretung von Laien zählt, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken.



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