München – Es ist in etwa so wie die Sache mit dem rosa Elefanten. Sagen Sie dieser Tage einem Profi oder Mitglied des Trainerteams des FC Bayern folgenden Satz: “Denken Sie jetzt NICHT an den FC Arsenal!” Zack, ist es um denjenigen geschehen. Er wird die Londoner und das Viertelfinal-Duell in der Königsklasse im Sinn haben, beginnend mit dem Hinspiel am Dienstag im Emirates Stadium. Große, weite Fußballwelt. Champions-League-Hymne, Flutlicht. Ruhm und Ehre.

Vorher geht’s zu Aufsteiger 1. FC Heidenheim. In die Voith-Arena, Fassungsvermögen rund 45.000 Fans geringer als in London. Bundesliga-Alltag am Samstag, 15.30 Uhr (Sky und im AZ-Liveticker). Und so sprach ein ob der Thematik mit sich ringender Thomas Tuchel am Freitagmittag an der Säbener Straße: “Es ist immer die Kunst, sich auf das nächste Spiel zu konzentrieren und nicht ans übernächste Spiel zu denken.” Da ist es wieder, das so unberechenbare Duo: Theorie und Praxis. Also wiederholte der Bayern-Trainer mahnend: “Ich sehe keinen Grund, dass wir unsere Arbeit und Vorbereitung weglenken vom Hier und Jetzt. Die beste Vorbereitung für das übernächste Spiel ist das nächste Spiel.”

Thomas Tuchel will mit dem FC Bayern nach Wembley: “Unerlässlich, diesem Ziel alles unterzuordnen”

Aber auch Tuchel kennt die Hinterköpfe seiner Spieler. “Natürlich ist da ein übernächstes Spiel, auf das wir viel Wert legen”, sagte er. “wir können aber nicht die Skiptaste drücken.” Es also nicht einfach überspringen. Schließlich sprach der 50-Jährige es selbst aus. Auch er kann sich vom Mix zwischen seriösem Kurzzeit-Fokus und reizvollem Weitblick nicht freimachen.

“Es gibt noch ein Ziel in dieser Saison, und das ist nach Wembley zu fahren”, sagte Tuchel und meinte das Finale der Champions League am 1. Juni in Londons Nationalstadion. “So viele Schritte sind das nicht mehr. Es ist unerlässlich, diesem Ziel alles unterzuordnen.” Also doch!

Nach dem 0:2 gegen Dortmund (Tuchel: “Ich dachte, wir machen den Schritt zurück nicht mehr”) und daraus resultierend nun schon 13 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Bayer Leverkusen (Tuchel: “Die Meisterschaft scheint verloren”) verengt sich der Blick auf den Henkelpott. Dennoch gilt, so der Cheftrainer: “Es kann nicht sein, dass wir ein Prozent nachlassen. Wir werden alles versuchen, das Maximum herauszuquetschen.”

FC Bayern vor Heidenheim mit großen Personalproblemen

Und das mit einem wieder einmal dezimierten Kader. Kapitän und Torhüter Manuel Neuer fehlt in Heidenheim ebenso wie die verletzten Kingsley Coman, Leroy Sané, Noussair Mazraoui, Sacha Boey und der erneut erkrankte Aleksandar Pavlovic. “Das Problem ist, dass keiner dieser fünf geschont wird. Sie sind nicht im Kader, weil es nicht geht”, so der genervte Tuchel. Auch für Arsenal gebe es “ein dickes Fragezeichen”.

Und so wird Heidenheim, der spielstarke Aufsteiger, der zu Hause gegen den BVB 0:0 spielte, gegen Leverkusen nur 1:2 verlor und den VfB Stuttgart mit 2:0 abfertigte, zum Leidenstest. Aber, so betonte Tuchel, die Bayern spielten doch eigentlich immer nur gegen sich selbst. Gegen ihren Anspruch, die eigene Einstellung. Zum wiederholten Male in dieser Achterbahn-Saison appellierte er öffentlich an sein Team.

Thomas Tuchel: “Die Basics müssen ganz schnell in unser Spiel zurück”

“Wir haben mit uns selbst eine Rechnung auf. Wir sind alle tierisch genervt und haben genügend Wut im Bauch, um die Dinge geradezurücken. Wir müssen Biss und Reaktion zeigen und werden da niemanden aus der Verantwortung entlassen. Die Basics müssen ganz schnell in unser Spiel zurück. Wir müssen uns noch mal straffen, noch mal strecken.” Im Endspurt, der mehr Leid als Lust verströmt.

Auf seine Genervtheit angesprochen, erwiderte Tuchel: “Ich wollte gar nicht frustriert wirken.” Dann gab er zu, auch persönlich “mega unzufrieden” mit sich zu sein. Erreicht Bayern nicht das Finale von Wembley, wäre die Saison – und damit Tuchels Zeit in München – bereits am Pfingstsamstag, dem letzten Spieltag, vorbei. In nur sechs Wochen. Könnte zäh werden. Oder nimmt die Saison die x-te, merkwürdige Wendung?





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