Was für europäische Viehzüchter der Wolf ist, das stellt für afrikanische Bauern der Elefant dar: eher Ärgernis und Schädling als schützenswerte Kostbarkeit. Die Staatsführung des im südlichen Afrika gelegenen Landes Botswana macht eine Überpopulation der Dickhäuter geltend. Sie bedrohe Leib und Leben sowie die agrarischen Existenzgrundlagen der einheimischen Landbevölkerung, für die der Export von Jagdtrophäen zudem eine Einkommensquelle darstelle.
Lemke erfuhr von kuriosem Angebot aus Botswana nur aus der Zeitung
Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi schlug deshalb zum April-Anfang kaum realistisch, aber sehr wohl medienwirksam vor, 20.000 der weltweit als gefährdet geltenden Rüsseltiere nach Deutschland zu exportieren. Dort vermutet er Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) offenbar als treibende Kraft hinter europäischen Bemühungen, die Einfuhr von Jagdtrophäen aus Afrika strikter zu regeln. Näheres dazu war von der botswanischen Botschaft in Deutschland zunächst nicht zu vernehmen.
Lemkes Ministerium erfuhr von dem angeblichen Angebot nur aus der „Bild“-Zeitung. „Botswana hat in dieser Angelegenheit noch keinen Kontakt zum Bundesumweltministerium aufgenommen“, teilte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage mit. Sie bestätigte, dass derzeit in der EU Gespräche darüber liefen, die Einfuhrgenehmigungspflicht der EU-Artenschutzverordnung auf weitere Jagdtrophäen geschützter Tiere auszuweiten. Ist die Rüssel-Posse also nur eine Brüssel-Posse?
Ansage des Umweltministeriums: Deutschland in „besonderer Verantwortung“
Für die Einfuhr von Jagdtrophäen, die von afrikanischen Elefanten stammten, sei diese Diskussion irrelevant, denn für sie bestehe diese Gemehmigungspflicht bereits, betonte die Sprecherin. Es gehe vielmehr um Arten wie Krokodile, Zebras und Giraffen. Für die Jahre 2022 und 2023 weist eine Übersicht des Bundesamts für Naturschutz den Import von insgesamt 19 Jagdtrophäen von „Loxodonta africana“, dem afrikanischen Elefanten, aus Botswana nach Deutschland aus.
Die Sprecherin machte darauf aufmerksam, dass Deutschland als einer der größten Importeure von Jagdtrophäen in die EU „in einer besonderen Verantwortung“ stehe und sich für eine zügige Entscheidung einsetze. Lemke und der botswanische Umweltminister hätten ihre Positionen vergangene Woche in einem „offenen und konstruktiven Gespräch“ ausgetauscht.
Grüner Ausschussvorsitzender: „Misslungener Aprilscherz“
Etwas deutlicher wird Lemkes Parteikollege Harald Ebner, Vorsitzender des Umweltausschusses des Bundestags. Er sagte FOCUS online zur Offerte aus Botswana: „Das ist allenfalls ein misslungener Aprilscherz, der nichts zur Lösung von Konflikten zwischen Mensch und Wildtieren beiträgt und auch keine Initiative der Bundesregierung zur Grundlage hat. Offenbar fordert die Osterpause hier ihren medialen Tribut.“
Ebner machte sich kürzlich mit einer Delegation seines Ausschusses in Namibia und Südafrika kundig, wie Konflikten zwischen dem Artenschutz und den Lebensbedingungen der Einheimischen begegnet werden kann. Er erweist „vielen afrikanischen Ländern“ ausdrücklich „großen Respekt vor ihren herausragenden Naturschutzleistungen“.
Warnung vor postkolonialen Verdächtigungen
Zugleich warnt Ebner davor, die Debatte um Importverbote mit einem Beigeschmack zu versehen: „Angesichts der Tatsache, dass die Trophäenjagd ihre Wurzeln in der Kolonialzeit hat, erscheint eine Zuschreibung kolonialer Bevormundung kaum angemessen.“
Der Ausschussvorsitzende gibt außerdem zu bedenken: „Gerade bei Elefanten ist die Trophäenjagd durchaus problematisch, weil sie auf ältere Bullen mit großen Stoßzähnen abzielt, also auf die gleiche Gruppe, die besonders von Wilderei betroffen ist. Ein Abschuss dieser Bullen hat negative Folgen für das Sozialgefüge der Dickhäuter und kann zu vermehrten Konflikten und Schäden führen.“ Auch beruft Ebner sich auf „Hinweise, dass die lokale Bevölkerung bei Jagdtourismus deutlich weniger profitiert in Bezug auf Einnahmen und Arbeitsplätze als bei Tourismuskonzepten ohne Jagd“.
Elefantenschützer: Präsidentenwechsel in Botswana brachte Rückkehr der Jagd
Die Elefanten-Schutzorganisation „FutureForElephants“ beziffert die Zahl der Elefanten in Botswana auf rund 130.000; sie sei in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben. Das Land habe unter seinem früheren Präsidenten
Ian Khama 2014 die Trophäenjagd beendet und den Fototourismus gefördert. 2019 habe Präsident Masisi die Jagd wieder zugelassen.
Es gehe darum, „dass Deutschland von seinem souveränen Recht Gebrauch macht, die Einfuhr von Jagdtrophäen von Tieren bedrohter Arten zu überdenken und zu beenden, so wie es unter anderem auch schon die Niederlande, Belgien, Finnland oder Kanada getan haben“, erklärte Heike Henderson, Vorstandsmitglied von „FutureForElephants“, auf Anfrage von FOCUS online.
Ansage an Afrikaner: Müssen Tiere „in ihrer direkten Nachbarschaft akzeptieren“
Die Naturschutzorganisation WWF Deutschland mahnt: „Wer möchte, dass Elefanten, Löwen, Leoparden und andere Großsäuger dauerhaft überleben können, darf die Menschen vor Ort mit diesen Herausforderungen nicht allein lassen.“ Ziel aller Bemühungen müsse sein, dass sie die Tiere „in ihrer direkten Nachbarschaft akzeptieren“.
Wie schwer das in Afrika fallen kann, schildert der „Save Wildlife Conservation Fund“ bei aller Sympathie für die bedrohte Art auf seiner Website auch: „Vor allem die fehlenden Wasserstellen auf den Wildtierkorridoren in den Nationalparks sind zum Problem geworden.“ Elefanten auf der Suche nach Wasser dringen nach dieser Darstellung „bis in die ansässigen Dorfgemeinschaften vor. Dort zerstören sie Ernten auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen und gefährden die dort lebenden Menschen.“
Deutsche gegen exotische „Hobbyjagd“ – doch „friedliche Koexistenz“ daheim problematisch
Es gibt also ein Elefantenproblem, nicht nur für die Dickhäuter selbst, deren Zahl früher in die Millionen ging und nun auf einige hunderttausend geschrumpft ist. Mehr als 80 Prozent der Deutschen, so „FutureForElephants“, lehnen die „Hobbyjagd“ auf exotische Trophäen ab.
In wesentlich kleinerem Maßstab ist der Konflikt zwischen Tier- und Menschenschutz jedoch auch hierzulande bereits bekannt. Dazu der WWF: „Vor welch komplexe Herausforderungen uns eine friedliche Koexistenz von Großsäugern und Menschen stellt, erleben wir schließlich auch gerade in Deutschland, sei es beim Wisent, Elch, Wolf oder Bär.“